Politischer Rap ist oft nicht mehr als ein Image. Die meisten verbinden damit entweder Conscious Rap der Marke Advanced Chemistry oder mit aktuellerem klar erkennbaren politischen Rap á la Sookee, PTK und Waving The Guns. Im aktuellen Deutschrap-Mainstream ist allerdings gerade kein Conscious-Rap, sondern Straßenrap Trumpf.
Vor allem das sogenannten Bildungsbürgertum und die feuilletonistische Presse vertreten zum aktuellen Erfolg von Straßenrap recht geschlossen die Meinung, es gehe immer nur um Statussymbole, Gewalt, Frauen und Waffen. Stellvertretend dafür vertritt ein aktueller Spiegel-Artikel mit dem Titel „Gangsta-Rap aus Deutschland: Sex, Protz und dicke Schlitten“ (kurz zusammengefasst) die Meinung: „Pfui, die ganzen lieben Kinder aus bürgerlichen Familien hören jetzt diesen furchtbaren, verderbenden Deutschrap.“
Hier geht es in keinem Fall darum, die misogynen und gewaltverherrlichenden Aussagen vieler Rapper zu verteidigen. Die Kritik am Inhalt vieler Straßenrap-Texte hat fraglos eine Menge Wahrheitsgehalt. Es stören lediglich die Verallgemeinerungen und undifferenzierten Aussagen, die seitens vieler Medien über Straßenrap getroffen werden.
Nicht nur Conscious Rap ist politisch
Denn Straßenrap ist politisch, wenn auch nicht immer auf den ersten Blick. Haftbefehl ist ein Rapper, der in einigen seiner Texte reelle Misstände anprangert, in anderen wiederum aber die antisemitische „Rothschild-Theorie“ propagiert. All das muss fraglos differenziert betrachtet und kritisiert werden.
Auch wenn die Message vieler Straßenrap-Tracks nicht immer beim ersten Hören politisch wirkt, stellt er – gerade wegen der anderen gesellschaftlichen Herkunft und Stellung vieler Straßenrapper – eine wichtige und gesellschaftlich relevante Perspektive dar, die der Lebensrealität einer bürgerlichen Familie offensichtlich nicht sonderlich nahe ist.
Von Grund auf enttäuscht.
In vielen Straßenrap-Tracks sind mehr oder weniger offensichtliche Inhalte eingebaut. Rapper üben Gesellschaftskritik, bloß nehmen Feuilleton und Bildungsbürgertum jene nicht sonderlich ernst, wenn sie nicht in akademischer Sprache formuliert ist.
Klar, ab und zu finden auch Straßenrapper ihre lobende Erwähnung, besonders wenn sie trotz der Street-Attitude einen gewissen Intellekt und Bildungsgrad ausstrahlen, der auch für die wohlgenährten Kulturredakteure greifbar und nachvollziehbar ist – OG Keemo etwa, dessen antirassistischem Manifest „216“ sogar ein BBC-Artikel gewidmet wurde. Aber sobald es wieder gilt, Straßenrap als asoziale, verrohende Drogen-und-Gewalt-Musik darzustellen, ist all das schnell vergessen.
„Kanaken in Deutschland, ich bin nur Sohn meines Vaters. Von Grund auf enttäuscht, fick Vater Staat, ich schieß auf den Adler“ (Depressionen im Ghetto – Haftbefehl)