Jeder Rapfan hat Lines, die ihm auch beim tausendsten Mal noch eine Gänsehaut garantieren. Unser Format „Zwischen den Zeilen“ nimmt genau solche Zeilen unter die Lupe. Ganz persönlich erklärt Robin Schmidt in der ersten Ausgabe, warum das bei ihm ein Part aus Samy Deluxe‘ „Poesie Album“ ist.
„Hallo Deutschland, kennt ihr mich noch?
Kennt ihr das noch? Echten HipHop!
In ’nem Land, wo man sogar mit ’nem Hit floppt
Wo der Soul keine Seele hat, der Rock nich‘ rockt
Wo bei Funk oft der Funke nicht überspringt
Und der Reggae leider nach Schlagerliedern klingt
Und der Rap so ’ne schlechte Reputation hat
Wer kann dieses Gefühl von damals wiederbringen?“
Dieses Gefühl von damals kann eigentlich nur einer wiederbringen: Hamburgs Finest Samy Deluxe. Der Wickeda MC bewegt sich 2011 mit seinem Album „Schwarz Weiss“ in einem Spagat zwischen der Verteidigung seiner wohl unbestrittenen Rap-Skills und der Weiterentwicklung zu einem anspruchsvollen Liedermacher.
Für sein zwei Jahre zuvor erschienenes Album „Dis wo ich herkomm’“ musste er einiges an Kritik einstecken. Mehr melodischer Singsang, weniger Tempo und Technik in seinen Raps, so die Meinung vieler damals.
Gewohnt schelmisch
Zwei Jahre später leitet er den Song „Poesie Album“ gewohnt schelmisch ein: „Hallo Deutschland, kennt ihr mich noch? / Kennt ihr das noch? Echten HipHop!“. Mit der Zeile „In nem Land, wo man sogar mit nem Hit floppt“ kritisiert er augenzwinkernd die Deutschrap-Hörerschaft, die bei der Bewertung, was denn nun ein Hit sei, offenbar andere Maßstäbe anlegt als Sam Semilia.
Mit den folgenden Zeilen über die verschiedenen Stile und Genres urbaner Musik beschreibt Samy Deluxe den damalige Status Quo einer ganzen Szene. Nach etlichen fetten Jahren erlebt deutscher Hip Hop Zahlen- und Imagemäßig eine Zäsur („Und der Rap so ne schlechte Reputation hat“). Musikalische Vielfalt ist zu dieser Zeit ohnehin ein Fremdwort.
So klang für Samy „der Reggae leider nach Schlagerliedern“ – kleiner Seitenhieb an Jan Delay? Egal. Keine fünf Jahre später sollte ein weiterer Hamburger namens Bonez MC und ein gewisser RAF Camora dafür sorgen, dass Reggae unter „Palmen aus Plastik“ und in deutschen Charts mehr als salonfähig wird.
Doch nochmal zurück zum Big Baus of the Nauf und seinem Poesiealbum. Samy beweist damit, dass er sein Handwerk keineswegs verlernt hat. Auf dem gesamten Track zeigt er sich reimhungrig wie eh und je, detailverliebt in die Technik und eloquent wie große Schriftsteller. Mit denen vergleicht er sich dann auch mal des Öfteren.
Das Beste kommt zum Schluss
Bis heute bleibt mir der Song vor allem aufgrund des letzten originellen Reims in Erinnerung:
„Und das war’s von mei’m Poesie Album
Und darauf reimt sich grobe Viehhaltung.“
Echten HipHop kann eben nur einer wiederbringen.