Kamyar und Dzeko sind beide 15 Jahre alt und haben sich beim Von der Straße ins Studio-Projekt kennengelernt, das unter der Schirmherrschaft von Eko Fresh steht. Mit „Generation Sarrazin“ greifen die beiden Jungspunde ein Thema auf, dass im Deutschrap bisher selten über ein paar Schlagworte hinaus behandelt wurde. Dabei belassen sie es nicht bei Schlagworten, sondern setzen den teils kruden Thesen des Ex-Finanzsenators ihre eigenen Beobachtungen und Erfahrungen entgegen. Wir präsentieren euch das Video sowie ein Interview mit Kamyar und Dzeko.
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Wie kamt ihr auf das Sarrazin-Thema?
Kamyar: Bei mir auf der Schule haben Leute darüber gesprochen, ich bin dazugestoßen. Ich fand das Thema sehr interessant. Also habe ich mir einen Kopf darüber gemacht, habe mir ein paar Informationen herausgesucht und mich mit Dzeko ausgetauscht. Dann haben wir Ossama (von Gefällt mir Media, die VDSIS managen, Anm. d. Verf.) das Thema vorgestellt, uns hingesetzt und Texte geschrieben.
Welche Quellen habt ihr genutzt?
Kamyar: Das Buch haben wir jetzt nicht gelesen, aber wir haben im Internet nachgeguckt, was er so gesagt hat.
Wie war eure erste Reaktion? Wart ihr sauer?
Dzeko: Natürlich ist man anfangs sauer, wenn man hört, dass er sagt, dass die Moslems dümmer als andere Menschen sind. Da hat man sich drüber geärgert, und dann angefangen, darüber zu schreiben. Es fiel uns auch relativ leicht, über so ein Thema zu schreiben.
Steht Sarrazin in dem Song stellvertretend für ein bestimmtes Gedankengut?
Kamyar: Ja. Man merkt das im Alltag häufiger, dass man blöde Blicke oder blöde Kommentare bekommt. Und zwar von denen, die auch Sarrazins Meinung vertreten.
Dzeko: Der Song richtet sich nicht nur an Sarrazin, sondern auch die Medien, die das auch oft so darstellen.
Ist das eher eine Sichtweise von Älteren? Oder gibt es auch in eurem Bekanntenkreis Leute, die Sarrazin zustimmen?
Kamyar: Wir haben nicht so viel Kontakt zu Älteren, aber es gibt auch Leute in unserem Alter, die sagen, dass Sarrazin recht hat. Wir respektieren ihre Meinung zwar, aber wir müssen ja nicht derselben sein.
Dzeko: Ich denke eher, dass es eine Minderheit ist, die so was ausspricht, aber bestimmt denken auch viele andere so darüber.
Und wieso?
Dzeko: Aus Neid.
Kamyar: Vielleicht auch manchmal aus schlechter Erfahrung. Es sind ja nicht alle Ausländer gleich. Vielleicht hat einer mal ein bisschen Unsinn im Kopf und baut Scheiße, aber das heißt ja nicht, dass alle so wären.
Fühlt ihr euch eigentlich selbst ohne Vorbehalt als Deutsche?
Dzeko: Man merkt halt, dass man immer wieder auf Vorbehalte stößt. In der Gesellschaft wird es den Leuten schon von klein auf beigebracht.
Kamyar: Ich bin zwar nicht hier geboren, aber hier aufgewachsen. Wenn man hier aufgewachsen ist, mit der Sprache und den Menschen, dann ist man auch Deutscher. Man muss keine blauen Augen oder blonden Haare haben.
Viele, deren Eltern nicht aus Deutschland stammen, beziehen sich gerne auf Wurzeln. Ist das eine Trotzreaktion?
Kamyar: Ich sage eigentlich immer, ich bin Deutscher, aber meine Eltern kommen aus dem Iran. Andere sagen dann, du bist kein Deutscher, du kommst aus dem Iran. Auch im Internet hab ich oft negative Reaktionen bekommen, nach dem Motto ‚Du siehst nicht aus wie ein Deutscher‘. Dabei ist nirgends festgelegt, wie ein Deutscher auszusehen hat. Das Problem ist, dass diese Ausländer, sag ich mal, nicht in die Gruppe miteinbezogen werden. Bei ihm in der Schule sitzen in der Cafeteria an einem Tisch die Deutschen und am anderen die Ausländer. Und das wird einfach so hingenommen.
Kann das Video dazu beitragen, solche Muster aufzubrechen?
Kamyar: Ein Erfolg für uns wäre, wenn uns die Gesellschaft ein bisschen mehr als Deutsche akzeptiert. Und nicht immer nachhakt, wo unsere Wurzeln liegen.