Review: Afrob – Mutterschiff

Als Rapurgestein ist es nicht leicht, sich in der Szene stetig zu beweisen. Entweder hängengebliebener Scheiß oder Mitläufer der jungen Generation. Afrob hat es jedoch mit seinem neuen Werk „Mutterschiff“ geschafft, sich weiterzuentwickeln, ohne dabei auf seine altbewährten Skills zu verzichten. „Mutterschiff“ ist keinesfalls ein Album, auf dem Afrob krampfhaft seinen alten Film fährt, um auf Nummer sicher zu gehen. Im Gegenteil: Auf dem kompletten Album liefert er mehr Vielfalt in den Sounds und seinen Flows als je zuvor.

Mit bretterndem Beat, bösen Synthies und passender Hook beginnt Afrob mit „Ich bin dieser“ die Reise auf dem „Mutterschiff“. Textlich haut er gleich mal eine fette Ansage raus und erinnert seine Zuhörer kurz daran, dass er seit Tag eins dabei ist und einen großen Beitrag im Rap geleistet hat: „Ich half Rap aus dem Brutkasten / Ich gab ihm die Flasche / Hinterließ dabei riesige Fußstapfen“.

Nach dem brachialen Anfang folgt erstmal einige Sekunden Ruhe. In „Alles Nehm Ich Mit“ lässt Afrob es ruhiger angehen. Der engelsgleiche Gesang zu Beginn des Songs lässt einen fast in einen tranceartigen Zustand verfallen, doch Afrob steppt zum richtigen Zeitpunkt mit einem smoothen Beat ans Mic. Dort verarbeitet er persönliche Erfahrungen wie das Aufwachsen mit seiner alleinerziehenden Mama, Probleme der Vergangenheit und die letztendliche Selbstfindung, die ihm durch die Musik gelang.

Pünktlich zum Herbstanfang bekommt der Hörer dann noch eine Ladung sommerliche Stimmung auf „Einfach Machen“. Trommeln und Trompeten geben dem Sound eine gewisse Leichtigkeit, die durch Gentlemans Attitüde und den Autotune-Effekt auf Afrobs Gesangapart unterstrichen wird. Produziert wurde der fröhliche Sound von Rik Marvel, der neben Abaz, Phono und Brainfood & The Mentalist das gesamte Album mit Sounds bestückte.

Das allein unterstreicht schon die Vielfältigkeit des Albums. Auf „Herz und Seele“ zelebrieren Afrob und Samy Deluxe dann ihre jahrelange Verbundenheit ein weiteres Mal musikalisch und liefern den klassischen ASD-Sound – nicht nur durch den typischen Sirenensound, der immer mal wieder dazwischengetrötet wird. Der an Reggaeton angelehnte Sound begleitet die gut miteinander harmonierenden Parts der ASD-Kollaborateure perfekt – eingespieltes Team, klar.

Mit „Das Muss Es Sein“ nimmt das Album dann nach dem Trap-Sound von „One Man Show“ eine klare Wende, was den Sound angeht. Autotune-Effekte scheinen es dem Urgestein unüberhörbar angetan zu haben. Jeder darauf folgende Song, wie „Weit Weg“, „Interlude“, „Irgendwann“ und „Oh Gott“ enthält eine Autotune-Sequenz, allerdings steht der Effekt nie im Vordergrund eines Songs, sondern wird lediglich zwischendurch eingeschoben.

Features wie Samy Deluxe oder Gentleman wiederum lassen den Zeitgeist der Vergangenheit aufleben und ergänzen sich perfekt mit dem modernen Sound sowie dem unüberhörbaren Einfluss des aktuellen US-Rap-Geschehens. Mit bestehenden Musikstilen zu experimentieren und sich mit ihnen durch Features oder einzelne Soundelemente zu vereinen, scheute Afrob noch nie. Auch diesmal bediente er sich an Jazz- und Soulelementen und klingt dadurch letztlich noch abgefahrener als zuvor.

Textlich gesehen erweckt es den Eindruck, dass Afrob sich selbst gefunden hat. Seine Texte wirken sehr reflektiert – genug zu erzählen hat er zudem ja sowieso immer. Mit „Mutterschiff“ setzt er den Aushang für das Weiterschreiten in der Szene ohne an dem Alten festzuhalten und zu vergessen über den Tellerrand hinauszusehen.

„Mutterschiff“ hat insgesamt einen guten Bums und bietet eine große Bandbreite von Rap, weil es viele Subgenres mit einbezieht. Seine Leidenschaft und die Freude an der Musik kann man in jedem einzelnen Song heraushören, keiner davon wirkt gelangweilt oder wie Füllmaterial. Die Produzenten von „Mutterschiff“ haben sich gut aufeinander abgestimmt und somit sind insgesamt sehr zugängliche und ästhetische Sounds entstanden. Und jetzt ab aufs Raumschiff.