Retrogott mit Song und ausführlichem Statement zur N-Wort-Debatte

Die N-Wort-Debatte – für viele ärgerlich und unnötig, für viele andere aber dringend notwendig. Gestern hatten wir einen Kommentar von Schwartz (Hirntot) veröffentlicht, in dem dieser im Namen der Kunstfreiheit dafür plädiert hatte, jeder dürfe alles rappen.

Bereits vor einigen Tagen indes hat der gute Retrogott ein sehr ausführliches und differenziertes Statement abgegeben. In diesem geht er sehr genau auf die ganze Debatte und den Auslöser –DCVDNS‚ Video „Der erste tighte Wei$$e“ ein. Obendrein hat er auch einen Song mit Sonne Ra veröffentlicht, der sich dem Thema widmet.

In seinem Posting holt der Retrogott weit aus. Er stellt zunächst einmal fest, dass das N-Wort „von Rassisten zu rassistischen Zwecken in die Welt gesetzt wurde. Dieser Kontext ist nicht vom Himmel gefallen, sondern tief im europäischen und amerikanischen Imperialismus verwurzelt.“

Und weiter: „Er ist ein vom kollektiven Gedächtnis gern ausgeklammerter und dennoch fester Bestandteil der Entstehungsgeschichte unserer sogenannten westlichen Zivilisation, deren Aufstieg im Zuge von Kolonialismus und Sklaverei, also ungeheuerlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, stattfand.“

Im Anschluss beklagt er, dass immer mehr Rapfans der Bezug zu den kulturellen Wurzeln von Rap und HipHop fehle. Zu denen zählt er auch „Rosa Parks, Malcolm X, Angela Davis, Martin Luther King, die Black Panthers, James Brown, Gil Scott Heron, Rodney King oder wenigstens an Public Enemy“.

Dann geht er konkret auf die Debatte ein. Er stellt sich auf die Seite Sylabil Spills, der DCVDNS in einem Post kritisiert und dafür jede Menge negative Kommentare bekommen hatte.

„Auch ich bin der Überzeugung, dass Weiße per se das N-Wort nicht gebrauchen sollten, weder aus Überzeugung, noch unter dem Deckmantel der Ironie oder als Zitat oder als phonetische Übung.“

Gleichzeitig stellt er klar, dass es nicht um Sprechverbote geht – ein Vorwurf, den ansonsten übrigens sehr gerne Leute auf dem Umfeld von AfD oder Pegida bringen, wenn man sie darauf hinweist, dass ihre Meinungsäußerungen menschenverachtend sind.

„Das heißt nicht, dass ich Menschen den Mund verbieten will. Wir führen hier eine
moralische Debatte und auf diesem Feld können wir nur darüber reden, was wir sollten oder unterlassen sollten. Da der Bereich dessen, was wir sollen, aber nicht müssen, einen unvorstellbar großen Teil der menschlichen Existenz umfasst, sind diese Diskussionen wichtig, in ihrem Resultat aber nie zwingend, sie haben keine normative Kraft.“

Schließlich geht Retrogott auch noch auf den Rest von DCVDNS‚ Video ein. Nicht allein die Verwendung des N-Worts stört ihn daran, sondern auch andere Aspekte des Texts und des Videos.

„Mir wird jedoch auch im weiteren Verlauf des Lieds äußerst unwohl und zwar gleichermaßen auf akustischer wie auch auf visueller Ebene. Der frustrierte, von Minderwertigkeitskomplexen geplagte und sich einer nicht weißen Mehrheit gegenüber unterlegen fühlende Rapper kommt zu einem Plattenvertrag bei einem Major Label. Zu seinem großen Triumph posiert eine nicht weiße Frau lasziv im Video und wird zu einem exotisierten Schmuckstück degradiert, auf gleicher Ebene wie ein teurer Sportflitzer, der dann aber doch bitte wieder weiß sein muss. Textlich findet dieser Triumph unter anderem seine Entsprechung in den „Groupies[…], die sich vor ’nem Jahr noch auf die schwarzen Männer stürzten“.“

Hier kannst du den ganzen Post von Retrogott lesen: