N-Wort-Debatte: Schwartz (Hirntot) über das F-Wort

Die N-Wort-Debatte geht in die nächste Runde: Nachdem gestern Dollar John in einem offenen Brief erklärt hatte, warum er im Gegensatz zu früher heute bewusst auf die Verwendung des rassistischen Begriffs verzichtet, schildert heute Schwartz von Hirntot seine grundsätzlichen Bedenken zum Sprachgebrauch in einem Gastkommentar.

Sprechen wir jetzt ernsthaft darüber, welche Begriffe man im Deutschrap anno 2017 benutzen darf? Sprechen wir ernsthaft darüber, WER welche Begriffe verwenden darf? Ja? Okay, da bin ich gerne dabei.

Aber nein, ich spreche nicht über das N-Wort. Ein Wort, das offenbar soviel Sprengstoff beinhaltet, dass alleine es auszuschreiben schon eine Grenzüberschreitung darstellt. Vermutlich hat Quentin Tarantino das Wort deshalb auch so exzessiv in „Pulp Fiction“ verwendet, und es jeden zu jedem und über jeden sagen lassen.

Nein, ich spreche vielmehr vom F-Wort, das das weibliche Geschlechtsteil und auch gerne mal die Frau als Ganzes umschreibt, vom K-Wort, unter dem man früher körperlich Behinderte subsumierte, oder vom S-Wort, mit dem man Homosexuelle bezeichnet.
Denn am augenfälligsten bei dieser Debatte ist zunächst, dass Künstler, die kein Problem haben in ihren Texten Frauen als „Fotzen“, Schwule als „Schwuchteln“ oder motorisch eher ungeschickte Menschen als „Krüppel“ zu bezeichnen, auf einmal mahnend bis drohend den Zeigefinger heben, weil ein weißer Rapper „Nigger“ gesagt hat.

Der weitestgehende Konsens, dass man als Weißbrot diesen Begriff nicht benutzen darf, wurde mit Füßen getreten, und alle sind in heller Aufregung. Man wisse doch, was dieses Wort bedeutet! Wer es benutzt hat! Dass es benutzt wurde, um Menschen mit dunkler Hautfarbe zu diskriminieren!

Ja, natürlich weiß „man“ das. Ich denke, das wissen alle. So wie auch jeder weiß, dass „Fotze“, „Schwuchtel“ und „Krüppel“ immer schon als massive Abwertungen gegenüber Frauen, Schwulen und körperlich Behinderten benutzt wurden, und weshalb man diese Worte im täglichen Miteinander auch eher selten verwendet. All diese Worte sind gerade auf Grund ihrer Geschichte und sonstigen Verwendung derart „kontrovers“ und explosiv, und werden auch genau deshalb so inflationär in Rap-Texten verwendet.

Rap ist eine der direktesten, unmittelbarsten (oder zumindest: Unmittelbarkeit simulierenden) Kunstformen überhaupt. Straight outta Hypothalamus und ohne übergeordneten moralischen Filter. Deswegen will auch kein Rap-Hörer Texte à la „Das Mädchen hatte keine Lust auf Sex, also sagte ich ihr, ich will mit dir nicht weiter hängen“ hören, sondern „Die Fotze wollte nicht ficken, also sagte ich ihr ‚Verpiss dich‘“.

Aber das sind eben die Texte selbst. Kein männlicher Rapper, der in seinen Texten von „Fotzen“ redet, würde auf der Straße eine Frau mit „Hey Fotze“ begrüßen. Ebenso wenig, wie DCVDNS einen dunkelhäutigen Menschen mit „Hey Nigger“ begrüßen würde. Was in Rap-Texten passiert und wie man mit seinen Mitmenschen redet sind zwei verschiedene paar Schuhe, und intuitiv weiß das jeder, bei dem die Erziehung nicht vollends versagt hat. Müsste man denn ansonsten nicht konsequent sein, und den Rap künftig komplett von solchen kontroversen Begriffen bereinigen? Oder es dahingehend determinieren, dass man als heterosexueller männlicher Rapper z.B. weder Frauen „Fotze“ noch Homosexuelle „Schwuchtel“ nennen darf? Will das irgendjemand ernsthaft?

Klar: in einer perfekten Welt würde man solche Begriffe nicht benutzen. Es würde sie nämlich nicht geben, und man würde sie folglich nicht kennen. Wollen wir jetzt dieser Utopie anheim fallen?

Jeder Rapper soll innerhalb seiner Kunst die Worte benutzen dürfen, die er benötigt. Wenn er kontroverse Begriffe benutzt, sollte er sich dessen bewusst sein, aber das war‘s auch. Ich meine, war es denn nicht nervig genug, das in den letzten 10 Jahren den engstirnigen Spießern der BPjM erklären zu müssen?