Die Wienerin Eli Preiss sorgt mit ihrem von R’n’B geprägten Sound für frischen Wind in der Deutschrap-Szene – wobei sie sich dieser gar nicht zugehörig fühlt. Zu viel Macker-Gehabe und zu wenig Selbstreflexion kreidet sie dem Mainstream an, ohne dabei eine unangenehme Anti-Haltung einzunehmen. Tatsächlich schrieb sie ihre Texte bis vor Kurzem noch auf Englisch, da sie die deutsche Sprache nicht für geeignet hielt, um den Vibe zu kreieren, der ihr vorschwebte. Diese Einstellung hat sich mittlerweile geändert, auch aufgrund diverser Umstände, die sich auch pandemiebedingt erklären lassen. Wie genau dieser Sinneswandel ablief, ob es sie Mut gekostet hat und wieso der Wandel Zeit brauchte, hat uns Eli im Interview in Berlin verraten. In einem Café in Friedrichshain haben wir außerdem über ihre Heimatstadt Wien, ihre musikalische Inspiration und das frische Mindset einer neuen Generation an Künstlern gesprochen.
Viele Künstler aus Wien treibt es früher oder später nach Berlin. Wieso ist das so? Wien ist doch auch schön.
Wien ist auf jeden Fall meine Lieblingsstadt und das wird sie auch immer bleiben. Berlin hat aber einfach viel mehr Leute und ist viel größer, da gibt es mehr Möglichkeiten. Mittlerweile ändert sich das aber, weil die Leute in Wien mehr deutsche Musik hören und allgemein langsam dafür bereit sind. Aber hier ist es halt noch mal anders. Ich merke das auch an meinen Zuhörerschaft, die kommt zum großen Teil aus Deutschland.
Die Menschen in Wien hören keine deutsche Musik?
Das kam mir schon so vor. In meiner Bubble war es lange Zeit so, dass man sowas einfach nicht gehört hat. Gefühlt gab es nur den klassischen Deutschrap. Das ändert sich aber gerade, es wird mehr gesungen und es geht mehr in die R’n’B-Richtung. Daher wird es langsam auch für Leute interessant, die eigentlich lieber Musik auf Englisch hören.
Du hast vor nicht allzu langer Zeit angefangen, Musik auf Deutsch zu machen, nachdem du zu Beginn deine Texte auf Englisch geschrieben hast. Wie ist es zum Switch gekommen?
Es gab mehrere Gründe, das war wie eine Inception. Leute haben mir immer wieder gesagt, dass es echt crazy wäre, wenn ich meine Musik auch auf Deutsch hinbekommen würde. Gleichzeitig habe ich mir selber auch die Frage gestellt – vor allem als Corona kam. Ich wusste, dass ich wahrscheinlich länger nicht in ein englischsprachigen Land ziehen werde. Die Musik auf Englisch kam hier auch nicht so richtig an. Ich war immer nur Voract von Trap-Rappern, da hat mein R’n’B auf Englisch nicht wirklich gepasst.
Bei englisch- oder deutschsprachigen Trap-Rappern?
Bei beiden. Für meine Art von Musik gab es keine richtige Szene. Ich war immer Preact und es wurde immer versucht, mich irgendwo einzuschieben. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass mein Wortschatz auf Englisch nicht zu 100 Prozent ausgereicht hat, weil ich keine Muttersprachlerin bin. Ich hatte aber Angst, dass die Melodie und das Gefühl auf Deutsch verloren gehen. Ich glaube, dass ich das ganz gut gelöst habe. Eigentlich habe ich nur zum Spaß angefangen, auf Deutsch zu singen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich bei meinem ersten deutschen Song „Noch Down”, den ich mit Tschickgott gemacht habe, ein bisschen betrunken war. Zuerst habe ich das gar nicht ernst genommen. Diesen Song habe ich dann aber die ganze Zeit auf Dauerschleife gehört und gemerkt, dass mir das voll taugt. Es fühlt sich irgendwie viel ehrlicher an.
Was war denn vorher dein Problem mit der deutschen Sprache? Warum hast du gedacht, dass das nicht funktioniert würde?
Weil es als Vorbild quasi nur harten Deutschrap gab und in diese Richtung wollte ich nie gehen. Ich wollte meine Gefühle ausdrücken und nicht auf Straße machen, weil ich das einfach nicht bin.
Also war nicht unbedingt die deutsche Sprache das Problem, sondern das, was damit gemacht wurde? Du hattest das Gefühl, dass es das, was du gerne machen wollen würdest, auf Deutsch einfach noch nicht gibt?
Auf jeden Fall. Gleichzeitig dachte ich dann aber, dass das auch ein Pluspunkt für mich sein kann.
Du hattest eben gesagt, dass du eigentlich in ein englischsprachiges Land ziehen wolltest. Wäre das dein Plan gewesen?
Ich habe die Jahre davor in einem Bekleidungsgeschäft gearbeitet und immer Geld gespart, um mir englischsprachige Länder anschauen zu können. New York wäre meine erste Wahl gewesen, ich hätte einen Monat lang dort sein sollen. Nach einer Woche kam dann die E-Mail von Austrian Airlines, dass alle ausgeflogen werden müssen.
Wegen Corona?
Genau. Mein Plan ist dadurch voll in die Hose gegangen. Irgendwie musste ich mein ganzes Leben umdenken, weil ich eigentlich ganz andere Pläne gehabt hätte.
Meinst du, dass du ohne Corona vielleicht auf Englisch weitergemacht hättest?
Ja, kann ich mir gut vorstellen.
Es ist lustig, wie sich durch Corona für viele Menschen Möglichkeiten ergeben haben. Auch das Mindset von vielen Leuten hat sich verändert.
Ja, voll. Meine psychische Verfassung und wie ich zu mir selbst stehe, hat sich total ins Positive verändert. Eigentlich bin ich ein Mensch, der immer unterwegs ist, ich war die ganze Zeit am hustlen. Am Anfang war es für mich total unangenehm, mit meinen Gedanken alleine zu sein und mehrere Monate mit meiner Familie zusammen zu sein (lacht). Das war schon oft anstrengend. Dann habe ich aber gemerkt, dass ich die ganzen flüchtigen, oberflächlichen Bekanntschaften gar nicht brauche. Ich wollte mich nur noch auf die Sachen konzentrieren, die mich wirklich gut fühlen lassen.
Ich bilde mir auch ein, dass man das in deiner Musik merkt. Du verlässt die Introspektive und sprichst jetzt vor allem davon, dein eigenes Ding machen zu wollen. Hängt das mit der Zeit zusammen?
Irgendwie schon. In der Rapszene ist es oft Teil des Images, dass man sagt, einem sei egal, was andere Leute denken – aber natürlich stimmt das nicht (lacht). Ich spreche aus Erfahrung wenn ich sage, dass jeder darüber nachdenkt. Natürlich hatte ich voll Angst, also ich von Englisch auf Deutsch gewechselt habe. Ich habe mir voll den Kopf gemacht, ob ich ein neues Künstlerprofil erstellen soll oder ob ich erstmal nur heimlich, ohne mein Gesicht zu zeigen Musik mache (lacht). Ich hatte so viele Bedenken, weil ich deutsche Musik, die sich um Gefühle dreht, selber größtenteils corny finde. Dass ich dann den Mut gefasst habe, lag vor allem daran, dass ich mir gedacht habe: Nein Eli, deine Freunde und dein engster Kreis feiern das – und der Rest kann dir egal sein.
Du hast ja schon mit elf Jahren angefangen, Musik aufzunehmen – und warst sogar Teil des Kiddy Contest. Wie kommt es, dass du schon so früh das Ziel vor Augen hattest, Musik machen zu wollen?
Seitdem ich denken kann, will ich Sängerin werden. Und irgendwie hat sich das nie geändert. Früher hätte ich mir aber nie zugetraut, dass ich mal meine eigenen Songs schreiben würde. Meine Mom hat mich immer dazu ermutigt, eigene Lieder zu machen. Sie hat mich immer daran erinnert, an mich zu glauben. In einem Song, der vielleicht nie rauskommt, sage ich: „Meine Mama malte mir jung ein Bild, von einer Boss Bitch, die keinem außer Zielen nachrennt.” Ich soll mich nicht ablenken lassen und mein Ding machen. In der Hinsicht hat sie mich gut erzogen (lacht).
Musikjournalisten sind häufig gezwungen, Dinge in Schubladen zu stecken. Du wirst sowohl als Sängerin als auch als Rapperin bezeichnet.
Das finde ich so lustig (lacht). Ich hätte nie gedacht, dass ich mal rappe.
Wenn du gezwungen wärst, deine eigene Musik zu charakterisieren, als was würdest du sie dann bezeichnen?
Keine Ahnung. Ich will mich selber nicht in irgendeine Schublade stecken, weil ich noch so viel Musik habe, die viele unterschiedliche Stile anschneidet. Aber wenn man mir eine Pistole auf die Brust hält, würde ich vermutlich am ehesten R’n’B sagen.
Dein Sound hat sich auch nach deinem Switch ins Deutsche nochmal verändert. Wie hast du selbst deine musikalische Entwicklung wahrgenommen?
Ich bin eine Person, die übertrieben schnell lernt und Kritik annimmt. Nach meiner ersten EP „Moodswings” habe ich voll viel Kritik bekommen – vor allem von melik, mit dem ich danach einen Großteil von „F.E.L.T.” produziert habe. Er hat mir einfach ins Gesicht gesagt, dass meine Texte nichts aussagen. Es würde zwar gut klingen und ich hätte es geschafft, einen Sound zu kreieren, der nicht corny sei, aber es sagt nichts über mich als Person aus. Im ersten Moment hat mich das natürlich getroffen. Aber ich bin die erste Person, die sowas annimmt und versucht, das umzusetzen. Natürlich hat es auch irgendwie gestimmt, ich habe mich am Anfang noch schwer getan, mein Innerstes preiszugeben. Ich wollte danach mit „F.E.L.T.” ein Tape kreieren, das zeigt, wie ich denke und wie ich ticke.
Welche Rolle spielen dabei die Producer, mit denen du zusammengearbeitet hast?
Ich liebe Musik machen, weil es Energien verbindet. Für mich ist das wie eine Symbiose der Gedanken und Emotionen zweier Menschen. Ich könnte nie im Leben einfach irgendeinen Beat picken und meinen Shit darüber machen. Ich will die Energie der Person fühlen und spüren, was sie sich dabei gedacht hat. Der Beat ist ja auch ein Kunstwerk für sich und es ist mir wichtig, zusammen daran zu arbeiten und aufeinander einzugehen. Ohne mich wäre der Song nichts und ohne den Producer auch nicht. Es ist mir extrem wichtig, mit wem ich arbeite.
Also sitzt ihr zusammen im Studio und du gibst von Anfang an Input?
Wir machen das komplett zusammen. Das ist wie gesagt wie eine Symbiose. Ich habe einen Vorschlag, er hat einen Vorschlag und dann geht das hin und her, bis etwas entsteht, was beide komplett fühlen.
„F.E.L.T.” hat sich noch sehr amerikanisch angefühlt, die neuen Singles schon fast eher britisch. Mich haben die neuen Tracks vor allem an IAMDDB erinnert. Kannst du formulieren, wer deine Inspirationen sind?
IAMDDB, Abra, Snoh Aalegra oder auch Billie Eilish haben mich mega inspiriert. In meiner Playlist sind viele female Artists wie Nicki Minaj, BIA und Meghan Thee Stallion. Immer, wenn ich etwas Neues entdecke, gibt mir das voll viel. Rap von der männlichen Seite existiert schon so lange, dass Frauen einfach aufgrund der Thematik einen frischen Wind reinbringen. Es kann nicht weiterhin um dieselben Themen gehen, weil das nicht die Dinge sind, die sie erleben. Dann spricht man eben nicht mehr über Bitches, Money, Weed, sondern hat andere Gedanken. Und das finde ich irgendwie schön.
Hast du das Gefühl, dass du eine Alternative anbieten willst für die Leute, die da auch keinen Bock mehr darauf haben?
Ich will vor allem mir selbst eine Alternative bieten. Ich habe gemerkt, dass die Musik und die Themen, die ich mir gern reinziehe, nicht von so vielen Leuten gemacht werden. Die basic Themen überwiegen noch immer. Die sind ja auch voll ok, ich feier auch vieles davon und weiß die Kultur dahinter zu schätzen. Aber ich will trotzdem was Neues machen. Ich habe keinen Bock, irgendwem nachzuplappern – vor allem, wenn das gar nicht mein Lifestyle ist.
Du arbeitest schon länger mit dem Producer pengg zusammen, vor Kurzem hast du einen Track mit Beslik Meister veröffentlicht. Wie ist der Kontakt zu den Boloboys zustande gekommen?
Eigentlich über Bibiza. pengg und er haben sich mit denen in Wien connectet und zusammen in ihrem Keller dort aufgenommen. Bibiza und ich wollten schon immer eine Art Kollektiv in Wien gründen. Dass wir die Boloboys kennengelernt haben, hat uns nochmal die Augen geöffnet, wie viel Sinn es macht, zusammenzuarbeiten und nicht gegeneinander. In Wien war das viele Jahre nicht der Fall, man hat sich untereinander eher als Konkurrenz gesehen. Wir hatten keinen Bock auf diesen Vibe. Irgendwann haben wir beschlossen, uns offiziell zu verbünden und haben Swift Circle gegründet. Die Bolo-Swift-Connection besteht seitdem, wir sind alle mega gut miteinander befreundet. Dieser Austausch ist voll wichtig, wir pushen uns gegenseitig.
Hast du eine Theorie, warum vor allem die neue Generation dieses Mindset hat?
Dazu habe ich zwei Theorien. Einerseits hat das auf jeden Fall mit Social Media und dessen Wandel zu tun. Eine Zeit lang waren Social-Media-Plattformen wie Askfm im Rennen, auf denen man sich gehatet hat. Du wurdest dafür gefeiert, dass du andere Leute fertig gemacht hast. Mittlerweile muss man aufpassen, was man sagt. Man kommt nicht mehr so leicht damit durch, ein ignorantes Arschloch zu sein (lacht). Zweitens glaube ich, dass Corona auch ein Faktor war. Die Leute waren gezwungen, für sich zu sein. Als man sich wieder connecten konnte, hatte niemand mehr Bock, alleine zu sein.
Du bist mittlerweile bei Mom I Made It gesignt. Wie ist es dazu gekommen?
Max von Mom I Made It hat damals bei seinen Can You Dig It Veranstaltungen in Wien immer Leute gebucht, bevor sie durch die Decke gegangen sind. Das hat mir das Gefühl gegeben, dass er weiß, was er tut – dass er ein Gespür dafür hat. Er hört auch selber mega gute Musik, das war mir auch wichtig. Das Menschliche spielt für mich eine große Rolle. Ich bekomme von denen die Sicherheit, weiterhin eine unabhängige Künstlerin sein zu können. Obwohl ich Unterstützung bekomme, habe ich volle künstlerische und Entscheidungsfreiheit. Das ist ein schönes Gefühl. Davor hätte ich nie gedacht, dass ich mal bei einem Label sein werde. Die haben teilweise den Ruf, dass sie dich einfangen und du dann auf einmal nicht mehr machen kannst, was du willst. Ich spüre bei Mom I Made It einfach das gegenseitige Vertrauen.
Wie geht’s jetzt weiter für dich? Was sind die nächsten Schritte?
Nach meiner EP „Wie Ich Bleib” möchte ich noch mehr gesellschaftliche Themen und Dinge, die mir wichtig sind, ansprechen. Ich glaube, ich habe einen wirklich eleganten Weg gefunden, das zu machen und freue mich schon sehr auf die Reaktionen.
Dann gilt es jetzt eigentlich nur noch, den Bogen zum Anfang zu schließen. Weißt du schon, wann du, so wie alle anderen auch, nach Berlin ziehst?
(lacht) Momentan bin ich quasi ungebunden. Ich kann so viel in Berlin chillen wie ich möchte, fühle mich aber trotzdem in Wien zu Hause und will da auf jeden Fall bleiben. Ich will Wien weiterhin representen, ich liebe auch den Wiener Grant. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt.