Truth Hurts: Donvtello über illegale Streetgigs, Drogenerfahrungen, Gewalt in der Musik & den Untergrund

Bei Truth Hurts geht es ans Eingemachte. Unsere Autorin Zina Luckow begibt sich mit euren Lieblingsrappern an Orte, mit denen sie unbequeme Wahrheiten verbinden. In einem Deep Talk kann es dann auch mal unangenehm werden, für die Politik, das Bildungssystem oder auch das nahe Umfeld. Es geht dabei aber weniger um Abrechnungen, sondern um Lebensrealitäten, die auch manchmal wehtun… 

Diesmal geht es wortwörtlich in den Untergrund. Ich treffe Donvtello auf der Zwischenebene vom U-Bahnhof Hermannplatz. Hier hat er im vorherigen Sommer mit Tightill, im Rahmen ihrer Untergrund-Tour, einen ihrer Streetgigs gespielt. Was sich seitdem entwickelt hat und welcher Realtalk über Drogen und Gewalt in der Musik enthalten ist, die live zu ekstatischen Moshpits einlädt, hat er uns erzählt.

Hey Donvtello, schön dich hier auf der geschichtsträchtigen Zwischenebene zu treffen. Wie ist das, sich den Erfolg vom letzten Sommer zu vergegenwärtigen?

Ist auf jeden Fall schön wieder hier zu sein. Als wir letztes Jahr hier waren, hatte ich noch ein bisschen Bedenken, weil wir ja gar nicht wussten, wie viele Leute kommen. Das wurde ja alles nur kommuniziert über Instagram, über Direct Message haben wir dann die Orte gesagt. Wir konnten halt sehen, wie viele Leute uns geschrieben haben, aber das heißt ja nicht, dass die alle kommen. So viele waren das jetzt auch nicht, zwischen 20 und 60. Ich habe mich immer auf wenig eingestellt, das war dann eine Überraschung. In Berlin waren es dann 200. Da war gut was los. Ich dachte immer: Scheiße, wenn da nur zehn oder 20 Leute sind. Wir haben dann unsere Autos hier geparkt, Anlage runtergeschleppt, dann haben wir alles aufgebaut und angefangen Musik zu spielen. Die ganzen Streetgigs waren ja nicht angemeldet und in Bremen kamen drei Mannschaftswagen mit Bullen in Montur und darum haben wir auch hier gedacht, schnell, bevor es aufgelöst wird. Wir wussten halt nie, kommen die Bullen, kommt die BVG, wird die Anlage abgestellt, können wir zwei Lieder spielen, können wir acht spielen? Wir hatten das immer im Hintergrund, aber hier war chillig, hier ging es zwanzig Minuten. Till (Tightill; Amn. d. Red) hat noch zwei Bonustracks gespielt, ich hatte leider keine dabei.

Wie ging es dann in kurzer Zusammenfassung nach der Untergrund-Tour weiter?

Das war wild. Für mich war die ganze Woche sowieso wild. Ich hatte am Freitag einen Auftritt in Augsburg. Bin dann von Berlin nach Augsburg gefahren und Samstag hatten wir den ersten Streetgig in Bremen. Das heißt, ich bin Samstag früh, noch total Endsuff nach einer Stunde Schlaf, mit dem Zug von Augsburg nach Bremen gefahren. Da waren dann keine Ahnung 500 Leute?! Da war ja Breminale und so, als wir da aus dem Fenster gerappt haben. Dann natürlich auch wieder Endsuff gemacht, Montag gekomat, Dienstag sind wir dann von Bremen nach Hamburg zu dem Streetgig gefahren. Da waren auch ungefähr so 150 Leute, die Location war etwas größer, deswegen sah es bisschen weniger aus. Dann sind wir am nächsten Tag von Hamburg nach Berlin zum Streetgig gefahren und einen Tag später war dann direkt splash! Da hatte ich dann eine Solo-Show bei der Backyard-Bühne und einen Tag später hatten wir noch einen Auftritt in diesem Platzhirsch von Jägermeister und Tightill hatte noch Erotik Toy Records Konzert, wo ich auch gefeatured habe. Ja, dann war die Woche vorbei und die ganzen Streetgigs. Das war im Juli. Mitte Juli kam ja unser Tape und dann ging es erst weiter im September, wo wir unsere Tour hatten. 

Du und Tightill haben in „Paranoia“ ein realitätstreues Szenario geschaffen, wie man verklatscht mit der U8 durch Berlin fährt und sich nach durchzechten Tagen und Nächten gar nicht mal so geil fühlt. Geht’s dir manchmal noch genauso?

Genau, Till saß in der U8 und ich in der U1. Oh ja, doch sehr oft. Aber eigentlich auch nur nach dem Feiern, aber sonst ist eigentlich alles cool. Aber je nach dem was man konsumiert hat, kriegt man dann schon mal einen Ekligen oder irgendwelche Paranoias.

Also sind Lines wie „Bruder brauch eine Pause vom Amphetamin“ Realtalk?

Das war auch Realtalk, ich hatte einen Kumpel, der hat sehr viel Amphetamin gezogen. Der war dann irgendwann sechs Tage drauf, da konnte ich den schon nicht mehr angucken, das ging gar nicht und da habe ich auch gesagt: „Dikka, du brauchst mal eine Pause!“ (Donvtello zückt eine Eistee-Dose aus dem Ärmel und bietet mir den ersten Schluck an).

Du bist doch auch voll Sprüher-mäßig unterwegs gewesen, ist ja hier im U-Bahnhof deine natürliche Umgebung.

Ne, gar nicht. Das wurde falsch kommuniziert (lacht). Ich habe 15 Jahre lang gebreakt, war B-Boy, also Breakdancer und 2006 Norddeutscher Beatboxmeister und habe halt gerappt und Beats gebaut. Ich habe zwar mal versucht anzufangen, aber gemerkt so Zeichnen und Malen ist nicht so mein Ding. Meine ganzen Jungs malen, aber ich bin leider gar nicht dabei.

Was meinst du, wie die Lebensrealität eurer Hörerschaft aussieht, die Lines feiern, wie: „Mama bitte kannst du mir nicht heute ’n Fuffi leihen. Ich such‘ auch grad Arbeit. Aber die brauchen grade keinen“?

Also als Till das geschrieben hat, habe ich zu ihm gesagt: „Dikka, das ist so real.“ Ich weiß ja nicht, wer sich alles ab und zu mal Geld bei Muttern leiht. Aber ich finde das im Kontrast dazu, dass jeder sagt, ich habe so viel Para und kauf mir dies und das, im Umkehrschluss mega real und gehe davon aus, dass 70% unserer Hörer das auf jeden Fall selbst kennen. 

„Gewalt“ ist auch ein krass sensibles Stück, haben du und Tightill bewusst einen Gegenpart zur im Rap oftmals übertriebenen Zurschaustellung von Männlichkeit, Geld, Luxus usw. dargestellt? 

Das war nicht geplant. Wir haben erst diesen Gewaltteil gemacht. Till hat den aufgenommen und meinte: „Mach‘ da auch mal einen drauf.“ Dann habe ich das gemacht und am Ende lief der Beat halt auch so aus mit der Melodie und wird so ruhig, ganz anders als der erste Teil. Dann kam ich auf die Idee, lass doch so eine Umkehrseite machen, dass es erst um Gewalt geht, aber denn hey, alles cool, muss nicht immer mit Gewalt sein. War spontan, aber ja, hat ja immer alles eine Gegenseite: schwarz – weiß, Liebe – Hass.

Es wird sich immer darauf bezogen, dass du im Memphis-Sound deinen Ursprung hast. Neben bestimmten Stilmitteln, Samples usw., geht es inhaltlich viel um Depressionen, Drogenkonsum, dessen Folgen, Gewalt und Wahnvorstellungen. Inwieweit haben diese Themen dein Leben geprägt?

Eigentlich komplett. Also je nach dem was für einen Song ich mache. Aber ich versuche schon nur darüber zu rappen, was ich erlebt habe oder Freunde von mir, die mir das auch erzählt haben. Es macht es ja auch leichter das zu schreiben, du musst dir nichts ausdenken, sondern schreibst darüber, was du kennst oder erlebst hast. Ja, alle diese Themen, habe ich auch selber durch und von daher ist es gutes Futter für die Texte. Also mal mehr und mal weniger, momentan läuft alles ganz gut auf jeden Fall. 

Manchmal könnte man auf Rap-Konzerten das Gefühl haben, es geht nur um das Ausleben von Bewegungsdrang, Energie und Aggressionen. Dein Soloalbum „Sunset Playa Tape (Late Nite Junts)“ aus dem letzten Jahr, ist ein krasser Gegensatz zu den Live-Performances. Spielst du davon was live, also würdest du darauf auch rappen?

Das sind ja nur Beats. Ich baue ja in verschiedene Richtungen, aber ich höre auch so den chilligen Sound, zum Smoken, zum Chillen, was man im Hintergrund hören kann. Zum Beispiel SILK MOB, die neue Crew, die ich mit Lex Lugner, Opti Mane, Fid Mella und Jamin aus Österreich habe, das ist komplett ruhiger Sound, was im kompletten Kontrast zu dem steht, was wir sonst machen, Turnup, schnell rappen, rumspringen und so.

Wir hatten im November den ersten kleinen Auftritt bei der 25-Jahr-Feier von Motor Songs. Als wir das Album vorgestellt haben, war das für mich ein sehr krasser Kontrast, sich halt zurückzunehmen, nicht rumzuschreien und das auf einer smoothen und musikalischen Ebene gut zu machen. Ja, war eine geile Erfahrung, sich auch mal zurückzunehmen und das alles ein bisschen ruhiger angehen zu lassen. Das Album kommt am 27. März und die erste Single wurde jetzt gedroppt. Opti und ich, wir kennen uns ja schon seit 2005. Die Musik, die wir jetzt machen, die wollten wir eigentlich schon immer machen, hatten aber nie die Produzenten, die diesen Sound gemacht haben. Abgesehen vom Sunset Playa Tape, wie gesagt, ich mache ja auch chillige Beats. Ob ich selber auf meine Beats rappen würde? Mache ich ab und zu, aber manchmal finde ich Beats mega geil, wenn ich darauf rappen würde oder irgendjemand anderes, würde ich oder der das voll kaputt machen. Ich höre mir dann lieber das Instrumental an, anstatt darauf zu rappen. 

Du hast ganz schön reingehauen mit drei Alben letztes Jahr, neben „Ratzen & Rennen“ mit Tightill und dem Soloprojekt noch „44808 Exordium“ mit Opti Mane und Babylon Mayne. Soll es in der Geschwindigkeit 2020 weitergehen?

Ja ja, also jetzt kommt nächsten Monat das SILK MOB Album. Danach geht es eigentlich direkt weiter mit einer EP, die ich mit AlphaMob und MoSA gemacht habe, da sind sechs Tracks drauf glaube ich, vielleicht Intro und Outro noch, dann kommen wir auf sieben, acht Nummern. Dann haben wir noch Exordium 2, das ist ein Sampler-Projekt mit den Dortmundern, Opti und den 44 Hustlers, da sind auch 16 Tracks drauf, da kam auch letztes Jahr der erste Teil und dieses Jahr der zweite, auch schon fertig alles. Neben einer EP mit Tamas, die Mitte des Jahres erscheint, habe ich noch ein anderes Beattape, da habe ich alle befreundeten Produzenten drauf. Jeder hat einen Beat abgebeben, also auch ein Gruppenprojekt und dann versuche ich dieses Jahr auf jeden Fall nochmal ein Soloalbum zu machen, aber eigentlich alles schon so gut wie fertig.

Ich habe euch letztes Jahr auf dem splash! gesehen, ihr strahlt ja eine ungeheure Energie aus. Ist das so, weil ihr Homeboys seid oder die gleichen Ideen verfolgt und denselben Sound habt? 

Alles zusammen würde ich sagen. Till kenne ich (überlegt) erst seit 2014, na gut sind jetzt auch schon wieder sechs Jahre. Aber meistens, wenn wir irgendwo auftreten, ist es ein Zusammenspiel von: Man ist befreundet, wir feiern denselben Sound und wir freuen uns auf der Bühne zu sein. Die Energie springt von einem zum anderen und das hyped alle nach oben und ist dann ein Feuerwerk, was explodiert. Ich finde das auch viel geiler, als wenn ich alleine auf der Bühne stehe, wenn ich die Leute mit auf der Stage habe, bringt das eine geilere Dynamik, Power und mehr Energie. Wenn ich sehe, dass meine Leute Spaß haben, habe ich natürlich auch mehr Spaß. Auch wenn neue Leute dazukommen, man lernt sich kennen, man feiert zusammen, man will Musik machen, das ist glaube ich das Wichtigste. 

Was hat zu dem Hype geführt?

Ich glaube, seitdem es „Trap“ gibt (lacht). 

Wieso sagst du das mit so einem Unterton?

Ich mag es eigentlich auch gar nicht Trap nennen, aber ist halt so ein allgemeiner Begriff. 

Meiner Meinung nach, hat es da so einen Umschwung gegeben, dass alle und jeder Musik machen kann. Vorher war das so sehr harter Gangster-Straßen-Rap und auch in den USA hat sich gezeigt: Es kommt jetzt mehr auf die Skills drauf an, was für einen Vibe du rüberbringst und was für Musik du machst, weniger: Bist du groß – klein, dick – dünn, schwach – stark. Es geht einfach um Musik und es ist alles ein wenig offener geworden.

Bist du stolz darauf, was der Untergrund gerade für eine Reichweite hat und wie stehst du zum Mainstream?

Ja total, wir machen ja schon Mucke seit 2005 und wurden knapp neun Jahre gar nicht beachtet, wobei wir echt sehr viel geilen Scheiß gemacht haben. Ich freue mich, dass wir jetzt hier ein Interview führen und hier und da erwähnt werden, das feier ich sehr. Ich beobachte das aber auch noch ein bisschen skeptisch, wir machen das ja schon seit mittlerweile 15 Jahren. Wir freuen uns, aber ich habe einen kleinen skeptischen Blick auf die ganze Sache. Dass der Untergrund mehr gepusht wird, das freut mich auf jeden Fall und ich finde nichts Verwerfliches daran, wenn jemand Mainstream wird. Es kommt darauf an, was man schon gemacht hat und unter welchen Aspekten man Mainstream wird. Zum Beispiel bei den 102 Boyz, die sind verdient da, wo sie jetzt sind und ich habe auch nicht das Gefühl, dass sie kein Untergrund mehr sind, die machen einfach ihr Ding. Ich mache jetzt auch nicht gezielt andere Mucke, um erfolgreicher zu werden. Man kann aber auch nicht aus Rücksichtnahme für die Fans weiterhin die Musik machen, die man schon immer gemacht hat. Musik ist ja auch ein Prozess, jedes Album und jedes Mixtape ist für mich ein Lebensabschnitt, wie so eine Reise und man muss ja auch von irgendetwas leben.