Deutschrap-Comebacks, auf die wir warten: Doppelkopf

Wenn ich von einem langen Tag auf Arbeit nachhause komme und meinen Entspannungsritualen fröne, reise ich in meinen Gedanken gern in die Welt Tapirlanien. Was das ist, wissen heute nur noch diejenigen, die Ende der Neunziger Doppelkopfs „halluzinogenen Traumtanz-Comic-Rap“ verfolgten. Erinnert sich daran noch jemand? Wahrscheinlich wenige.

Doppelkopf, das waren Falk (MC – nein, nicht der aus dem Schacht), Teaz (Beats&DJ) und Bubbles (Beats) – und fast bis heute bleibt ihre Kunst unerreicht, in Tracks „Bilder in dein Ohr wie zuvor nie gesehen“ entstehen zu lassen. Musische Traumreisen sozusagen. Falk schrieb so bildlich, dass seine Worte vor dem inneren Auge Gestalt annehmen konnten. Die Beats von Teaz und Bubbles zeichneten sich durch einen düstere Grundatmosphäre aus, die vor allem unfassbar dicht, eigen und unkopierbar war. Die Crew gründete sich 1996 in Hamburg im Dunstkreis damals führender Artists wie Samy Deluxe, den Beginnern, 5 Sterne-Deluxe oder den frühen Deichkind. Ein Kind der Bewegung um die Mongo-Clikke, bzw. Eimsbush Entertainment also. Aber trotzdem im Auftreten und Soundbild komplett autonom diesen Crews gegenüber. Man hatte mit Hong Kong ein eigenes Label am Start und nahm alles in einem Container auf, der einem Homie gehörte. Selfmade, Baby.

Auf ihrem leider einzigen Album „Von Abseits“ lieferten die Hamburger Storytelling-Rap auf höchstem Niveau. Gut, zu der Zeit war das nichts unbedingt neues. Gangster-Rap gab es damals noch nicht wirklich, auch Battle-Rap war noch ein eher im Untergrund bedientes Segment. Storytelling-Rap war damals also das, was heute Straßenrap darstellt. Mainstream. Aber die Art und Weise wie die Hamburger ihre Storys an den Mann brachten, unterschied sich doch sehr deutlich von dem Rest der damaligen Szene. Während die Kollegen von Fettes Brot sich daran aufhingen, ob jetzt ja oder nein, bzw. „Jein“ die ideale Antwort auf die im Track gestellten Fragen wäre, oder 5 Sterne Deluxe sich „Auf der Jagd nach Doktor Hossa“ befanden, flogen Doppelkopf auf den Mond, liesen sich in Tapirlanien von Mörder-Monster Muscheln verfolgen bis sie letztlich dem Zeitgeist gegenüberstanden, der ihnen eine goldene Zukunft versprach. Aber nur, wenn sie in der Lage sind, den Mann im Mond zu besiegen. Sehr zum Leidwesen Schlendrians natürlich, der als „Supah Star„-Träumer Doppelkopfs (komplexere) Interpretation von „Einmal Star und Zurück“ der Massiven Töne darstellte. Übrigens gibt es diesen Track auch als „Chan Chan„-Version, ein Remix des Buena Vista Social Club Klassikers.

Das Ganze klingt jetzt ziemlich nach wirrer Geschichtserzählung, die nur von Leuten verstanden werden kann, die sich mit bewusstseinserweiternden Substanzen nicht nur theoretisch befassen. Im Grunde war es auch so. Die Mucke war nicht für jeden gedacht. Trotzdem versuchte man durch sehr deutliche Metaphern und Vergleichen den Text zugängig für alle zu machen, die bereit waren, sich darauf einzulassen. Und es wurde einem nicht nur Unsinn geboten. Stehts war in den Texten aus der Feder Falks jede Menge Message inbegriffen. Die Geschichte des Katers Fritz, der sich aufmacht mit dem Amulett der Weisen den Schurken Shir-Khan zu besiegen, zeigt ein durchaus anschauliches Bild darüber, dass die „Balance“ zwischen Gut und Böse elementar für das Gleichgewicht zu sein scheint. Ying und Yang, nennen das die Asiaten.

Zugegeben, für die Musik Doppelkopfs braucht man eine sehr formbare Fantasie. An vielen Stellen hören sich die Tracks an, wie sich ein Werk von Kafka lesen lässt. Der Inhalt im Detail sehr verspielt und bei oberflächlichem Hören schwer zu erfassen, aber genau das schätzte ich so an Doppelkopf. Rap für denkende Menschen, die gerne bei Musik beginnen in ihren Gedanken abzuschweifen und neue Orte zu entdecken. Einen Ort wie Tapirlanien zum Beispiel. Verdammt, wie geil doch ein Comeback wäre.