K.I.Z. und die Revolution – geht’s auch ’ne Nummer kleiner? (Kommentar)

Die neue K.I.Z.-Single „Boom Boom Boom“ ließ lange genug auf sich warten, um die Erwartungen in die Höhe schießen zu lassen. Inzwischen ist sie bekanntlich da – und sorgt bereits für eine interessante Diskussion. So bezieht sich mein geschätzter Vorgänger Staiger in einer Kolumne auf noisey auf einen Artikel aus der Tageszeitung Die Welt, in dem versucht wurde, die Ästhetik des Videos sowie den Inhalt der Texte zu entschlüsseln.

Das Ergebnis, zu dem der Welt-Autor dabei kommt, ist vorsichtig ausgedrückt ein anderes als das, zu dem Staiger kommt. Der sieht das Video nämlich offenbar als Vorbote des „kommenden Aufstandes“ – in Anspielung auf den gleichnamigen Text des sogenannten Unsichtbaren Kommitees. Äh, okay. Geht’s auch ’ne Nummer kleiner, frage ich mich da? Gut, K.I.Z. haben ihre bislang schärfste Waffe, die Ironie, weitestgehend beiseite gelegt. Zumindest in diesem Song – die die Promophase des zugehörigen Albums „Hurra die Welt geht unter“ begleitetenden Videos ironisieren die antikapitalistischen Kampfansagen nämlich durchaus weiterhin. Für die Revolution wird’s trotzdem nicht ganz reichen, fürchte ich.

Bei „Boom Boom Boom“ aber ist tatsächlich nur die (grässliche) Hook ironisch (von den ebenfalls grässlichen Vengaboys entliehen). Der Text dagegen verzichtet auf dieses Stilmittel komplett – aus meiner Sicht ein herber Verlust. Denn wo einem bei älteren K.I.Z.-Songs noch das Lachen im Halse stecken blieb, wo Widersprüche, Missstände und Absurditäten gerade durch krasse Überzeichnung, Verzerrung und Brechung anschaulich wurden, wo der Wahnsinn durch Wahnsinn umschrieben wurde, da ist nun plötzlich stumpf Trumpf: Die Bild-Zeitung verblödet die Leute und demokratische Wahlen sind nur dazu da, die Herrschaft des Kapitals zu übertünchen. Echt jetzt? So einfach und simpel? Hier gut, da böse?

Einzig die geniale Line von Tarek: „Denkt ihr die Flüchtlinge sind in Partyboote gestiegen/ Mit dem großen Traum im Park mit Drogen zu dealen?“ lässt die unbestreitbaren Qualitäten der drei Berliner kurz aufblitzen. Ansonsten ist das leider ziemlich direkt und frontal. Waren K.I.Z.-Songs früher klassische Trojanische Pferde stehen sie nun in voller Rüstung vor den Toren Babylons. Ein Problem daran ist, dass dadurch viel vom Überraschungsmoment verloren geht, das die Band stets auszeichnete. Ein anderes ist, dass solche eher platt formulierten politischen Aussagen meist nur denjenigen überzeugen, der ohnehin schon derselben Meinung war. Alle anderen schalten automatisch ab – oder versuchen, das Ganze ästhetisch umzudeuten, wie der Kollege von der Welt.

Die Revolution aber löst man mit Songs wie „Boom Boom Boom“ eher nicht aus – auch wenn ich Staigers festen Glauben daran durchaus bewundere. Ich habe keine Ahnung, was K.I.Z. uns auf „Hurra die Welt geht unter“ noch so um die Ohren hauen werden, aber ich hoffe, dass die etwas oberflächliche Kapitalismuskritik von „Boom Boom Boom“ noch nicht alles war.  Ein bisschen mehr Substanz als bei den Reden auf der Revolutionären 1. Mai-Demo sollte doch wohl drin sein. Ich glaube fest daran.