Deutschrap-Comebacks, auf die wir warten: SD

SD war ein richtig kaputter Typ. Also wirklich so richtig kaputt. Und das war dope. Der Kölner stand für Respektlosigkeit, eine eigensinnige Reimtechnik, spektakuläre Flowpattern und exzessiven Drogenkonsum. Leider nur bis 2008, denn kurz nach Release seines brillanten Debütalbums „21 Gramm“ wurde die vielversprechende Karriere an den Nagel gehängt. Eine EP und ein Album sind die einzigen vollwertigen Tonträger, die er hinterließ.

Aber die sind voll beladen mit der charakteristischen Exzentrik Diddys. Wenn SD auf „Promiwelt“ zu einem schamlos dreisten Rundumschlag gegen die gesamte Prominenz der späten Zweitausendnuller-Jahre ausholt, dann kann der geneigte Hörer das ohne Weiteres darauf zurückführen, dass der bekennende Tabletten-Konsument den ein oder anderen Abend mit tellergroßen Pupillen auf der Couch verbringt und sich von Boulevard-TV berieseln lässt. Diddy war ein absolut authentischer Charakter, der einerseits Züge einer Karikatur aufweist, andererseits absolut schlüssig und glaubwürdig ist. Der Vergleich mit Eminem liegt auf der Hand und ist wohl der einzig treffende.

Doch nicht nur was dahingerotzte Respektlosigkeiten angeht, auch aus seiner zerbrechlichen (oder zerbrochenen) Seite und der unberechenbar angeknacksten Psyche machte der Kölner nie einen Hehl. „Wenn er geht“ ist meiner Meinung nach einer der besten Deutschrap Songs mit suizidalen Tendenzen überhaupt. Wie ehrlich SD seine depressive Ader in Form von losen Gedankenfetzen und Erzählungen darstellt sucht seinesgleichen. Ohne auch nur eine Sekunde ins Kitschige, Peinliche oder Aufgesetzte abzudriften gibt er eine hörbar unstrukturierte Reihe an Impressionen zum Besten, anhand derer sich ein atmosphärisches und glaubwürdiges Bild über die Person hinter SD zusammen weben lässt. Und all das hörbar betroffen und ehrlich gerappt.

SD war textlich flexibel und doch stets unverkennbar. Das mag zum einen am intelligent-flachen Humor liegen, zum anderen an der prägnanten Reimtechnik. Die mag für die heutigen Silbenzähler durchaus abschreckend wirken und ist auf ihre Art durchwachsen. Stift, Zettel und los – nichts konstruiert, keine unnötig langen Reimworte zurecht gelegt und nicht immer ganz sauber. Dennoch oder gerade deshalb genial. Wirre Rhymepattern, die sich oft erst nach acht Zeilen schlüssig auflösen und in atemberaubender Frequenz daher kommen. Die waren natürlich nicht nur fürs Protokoll sondern tragen zum Sound bei und sind zuweilen unvorhersehbar und dadurch verdammt unterhaltsam. Eine wenig elaborierte Wortwahl, dafür ein verdammt flexibler Wortschatz, prägen SDs Rhymes, die dem pausenlosen Flow nur zuträglich waren.

Der ist beeindruckend eigensinnig, aber zu keiner Zeit unstimmig. Wie leichtfüßig der selbsternannte Don zuweilen zwischen den Drums umher tänzelt – stets genau wissend was er tut und nie unkontrolliert – ist schlichtweg einzigartig. Zumindest auf deutsch. Jede gesetzte Pause macht Sinn in ihrer Platzierung, der Mann hat ein Gefühl für druckvolle Flows wie kaum einer. So unstrukturiert das alles sein mag, so dope ist es. Auch über Albumlänge – man mag die mangelnde Struktur kritisieren, aber im Endeffekt ist genau dieses Durchwachsene Album, das „21 Gramm“ darstellt repräsentativ für SD und seine Karriere, die ebenfalls nie so richtig Fuß fasste. Für diesen chaotischen, verklatschten Pöbler, der eines meiner Lieblings Deutschrap-Releases aller Zeiten zu verantworten hat.