Warum ich Live-Battles so liebe (Kolumne)

Die Frage, warum ich Live-Battles so liebe, lässt sich eigentlich ganz einfach beantworten: Weil sie für mich die Königsdisziplin in Sachen Rap darstellen. Wer immer noch denkt, ein über Monate hinweg ausgearbeiteter Disstrack von Rapper XY gegen Rapper YZ sei das höchste der Gefühle in Sachen Diss-und Battlekultur in unserem Land, der sollte jetzt aufmerksam weiterlesen. Dem ist nämlich nicht so.

Wer schon mal selbst bei einem Live-Battle dabei war, der spürt die Unterschiede sehr deutlich. Die Luft auf der Bühne, bzw. zwischen den Kontrahenten, ist zum Schneiden dick. Ihre Blicke allein reichen aus, um sich gegenseitig zu töten und beide MCs müssen auf dem höchsten Level der Konzentration ihren Gegner mit Bars zerfetzen. Und das ohne lang zu überlegen, Freestyle, aus dem Bauch heraus. Wer hier dann auf den Beat nicht klar kommt, oder sich von irgendwelchen Faktoren um ihn herum verunsichern lässt, hat halt verkackt. Die Crowd liefert eine direkte Reaktion zu dem auf der Bühne zur Schau gestellten.

Anders als bei den so genannten Freestyles in irgendwelchen Youtube-Videos. „Rapper XY kickt einen Freestyle in die Handykamera“ – is‘ klar. Und davor hat er den Text stundenlang auswendig gelernt und das Handyvideo musste trotzdem mehrmals aufgenommen werden. Das entspricht nicht meiner Definition von Freestyle. Klar, auch bei Live-Battles gibts es sogenannte Written-Battles. Hier können sich die Protagonisten – bei manchen Formaten sogar bis zu acht Wochen – Zeit nehmen, um alles Battle-Relevante über ihren Gegner rauszufinden.

Meistens sind diese Battles dann Acapella, was aus meiner Sicht einen zusätzlichen Reiz darstellt. Ohne die Unterstützung eines Beats muss der MC hier, nur mit Hilfe seines Flows überzeugen. Wer sowas auf einem hohen Niveau präsentieren will, darf eben nicht den Kopf voll mit Aspekten der Promotion oder der besten Vermarktung seiner Reime haben, nein, er muss sich auf das wesentliche Konzentrieren: seinen Rap. Stimme, Atmung, Timing – all das zählt und kann nicht gefaket werden.

Und ganz ehrlich, Disstracks mit Atmosphäre, finden heutzutage kaum noch statt. BushidosLeben und Tod des Kenneth Glöckler„, oder die Kays Antwort „Tag des jüngsten Gerichtes“ bilden hier zwar eine Ausnahme, aber wenn Farid Bang, der sehr wohl ein Battle-Rapper ist, auf seinem neuen Album Namendropping betreibt und dieses mit, zugegeben an manchen Stellen sehr amüsanten, Punchlines untermalt, dann schafft das trotzdem nicht die Atmosphäre einer persönlichen Fehde und es fehlt meistens der persönliche Bezug (Das Ding mit Flizzy mal ausgenommen). Stattdessen wird einfach nur inflationär beleidigt – aus dem sicheren Ort, der Gesangskabine – und somit auch die Wirkung der eigenen Aussagen gemindert. Daraus resultiert dann für mich letztlich die Frage, bzw. die damit verbundene Vermutung: „Traut sich derjenige, das dem anderen auch ins Gesicht zu sagen?„. Live-Battle-MCs trauen es sich jedenfalls.

Deshalb stelle ich mit Freude fest, dass das allgemeine Interesse an Live-Battle Veranstaltungen aus Deutschland  in den letzten Jahren immer mehr zunimmt. Formate wie Rap am Mittwoch oder Don’t Let The Label Label You sind mittlerweile feste Bestandteile der HipHop-Kultur unseres Landes geworden. Laas Unltd. nutzte dies, um nach Jahren der Häme sich wieder seine Glaubwürdigkeit als MC zurück zu erobern. Im Battle gegen Drob Dynamic stellte er unter Beweis, dass er immer noch einer der komplettesten MCs ist, die wir in Deutschland haben. Welche Tragweite ein Live-Battle für einen Artist haben kann, zeigt sich unter anderem auch darin, dass z.B. PA Sports bereits mehrmals zu einem Battle bei Rap am Mittwoch herausgefordert wurde, diese Einladungen aber bisher ausgeschlagen hat, weil er aufgrund seiner Bekanntheit bei einer Niederlage zuviel zu verlieren hätte. Die Szene weiß also genau, welchen Stellenwert ein Live-Battle haben kann. Wenn der neue Track vom kommenden Album nicht rockt, hat das nicht die Auswirkung, wie eine Blamage auf der Bühne.

Und hier sind wir bei dem Punkt, den ich mir für die Zukunft wünschen würde: Kommt auf die Bühne, stellt euch dem 1 on 1. Da zeigt sich, wer Eier hat – und wer nicht. Große Töne spucken kann jeder, einen Disstrack aufnehmen und ihn von gefühlt 100 Leuten nachträglich bearbeiten zu lassen mag zwar im Endprodukt bisweilen geil sein, Popkorn-Kino für Deutschrap-Hörer, aber es ist eben nicht die hohe Kunst des Battles.