Money Boy – Crack für’s Volk

Man könnte ein neues Mixtape von Money Boy einfach auch ignorieren. Am Anfang haben wir alle noch über den Witz gelacht, aber mit zunehmender Dauer wurde das Schaffen des Österreichers nerviger und nerviger. Für Rap relevant ist es ohnehin nicht. Man kann sich aber auch wenigstens ein Mal, ein einziges Mal intensiv mit der Musik auseinandersetzen, sie nach den gängigen Maßstäben bewerten und das Kapitel damit abschließen. Wir haben uns in diesem Fall für letzteres entschieden.

Gestern früh kam das gute Stück in der Redaktion an, als Rohling Pre-Release mit einem offensichtlich persönlich vom großen Money Boy geschriebenen Briefchen und Autogrammkarte. Crack für’s Volk“ heißt das neueste Release und wie üblich missbraucht veredelt der gute Flirt Ami-Beats mit seinem eigensinnigen Sprechgesang. Überhaupt bezieht sich sein gesamtes Schaffen fast ausschließlich auf Vorbilder aus den US of A.

Dass Kokain ein übergroßes Ego zur Folge haben kann, ist hinreichend bekannt, doch der gute Money Boy müsste das Zeug schon kiloweise schnupfen, wenn er diese Beleidigung für Ohren wirklich Musik schimpft. Vielleicht ist er auch nur auf einem seiner zahlreichen, auf dem Album beschriebenen, Drogentrips hängengeblieben und lebt seitdem in einer Traumwelt, die eher irgendwo zwischen „Menace II Society“ und „Scarface“ verwurzelt zu sein scheint als in der Wiener Realität. Sicher, das Ganze ist nicht ernst gemeint, aber lustig ist es deshalb noch lange nicht. Erschwerend hinzu kommt, dass Money Boy seit neuestem größtenteils den Takt trifft, was den guten alten Trash-Faktor erheblich nach unten schraubt.  Und viel mehr als Trash-Faktor war da halt nicht.

Back im Geschäft“ nennt sich der Opener der 18 Stück starken Ohrentortur. „Komm und lass uns jetzt das Koks entladen/ hab ich gerade Koks gesagt? Ich meinte doch das Obst , Herr Sergant“ und der Boy, Boy, Boy der am Block chillt nimmt uns mit in das erste Kapitel seiner Fantasiewelt, die sich irgendwo zwischen Koks ticken, Mädels abschleppen und Louis Vuitton-Klamotten shoppen ansiedelt. Nicht, dass solche Themen langweilig wären oder nicht auch von mitteleuropäischen Weißbroten beackert werden dürften, aber dann bitte entweder originell und witzig oder glaubwürdig. Beides ist hier nicht der Fall.

Nächste Anspielstation und das Märchenbuch über Drogenhandel bleibt aufgeschlagen: „Yayo„. Money Boy versucht’s mit einer gesungenen Hook, was leider so klingt als würden Katzen auf einem Wellblechdach elendig krepieren. Das akustische Gewaltverbrechen bleibt kein Einzelfall auf dem „Crack für’s Volk„-Mixtape. Schiefe Refrains geben sich hier quasi die Klinke in die Hand. Auch die ständige Verwendung von Anglizismen mag irgendwie halbironisch gemeint sein, geht aber stark auf die Nerven. „Dead in the middle of Little Italy little did we know/ that we riddled some middleman who didn’t do diddily“ übernimmt Money Boy etwa komplett von Big Puns „Deep Cover„. Müsste der arme Punisher das hören, würde er wahrscheinlich so heftig im Grab rotieren, dass er mit seinem Sarg in China rauskommt.

Adios Amigo“ featured Skitekk und ist somit die einzige Zusammenarbeit auf der CD. Skitekk versucht wenigstens, das Ruder rumzureißen und macht den Track durch seinen Part als einziges Lied auf dem Mixtape einigermaßen hörbar, auch wenn bei ihm ebenfalls ein exzessiver Gebrauch von Anglizismen die Suppe ein wenig versalzt. Nächster Fail: „Battle Rap„. Acapella erzählt Money Boy, was er alles flachlegt und wieso er der Beste ist. Normaler Move soweit, aber Money Boys kraftlose Stimme ist leider das akustische Pendant zu Daumenschrauben und das Letzte, was man ohne musikalische Untermalung hören möchte.

Einen weiteren tragischen Höhe- oder besser Tiefpunkt findet „Crack für’s Volk“ in „Gina-Lisa„. Auch hier schießt Flirt wieder einmal mit Kanonen auf Spatzen und mit seinem humorfreien Text über Vergewaltigung und Date-Rapes weit übers Ziel hinaus. „Ich will die Bitch unbedingt auf dem Klo poppen/ also reich ich ihr ein Drink mit K.O.-Tropfen“ ist nur eine der komplett unlustigen Stellen des Tracks. Die Verweise auf die Minderjährigkeit der berappten Bitch kommen auch weder cool noch ignorant, sondern einfach nur eklig rüber. Setzen, fail.

Irgendwann, ein paar lahme Lines und zahnlose Punchlines später, ist es dann endlich vorbei. Wir haben es hinter uns. Das Fazit lautet, man hätte auch einfach 48 Minuten auf eine Raufaser-Wand starren können und seine Zeit damit besser und unterhaltsamer investiert. Das Gesamtpaket aus schalen Sprüchen, einer extrem schlecht abgemischten Stimme, die so klingt, als hätte er durch eine Dose Ravioli eingerappt und der Dreistigkeit, so etwas für irgendwie innovativ oder auch nur erwähnenswert zu halten, löst auch im ansonsten friedlichen Rezensenten blanke Wut aus. Aber sehen wir es positiv: Es gibt mit Sicherheit bessere Verwendungen für diese CD, als sie anzuhören – z. B. als Bierdeckel. Oder als ultimatives Foltermittel in Guantanamo Bay: Wer nach dem Hören von „Crack für’s Volk“ nicht gesteht, ist vermutlich wirklich unschudig…