Danger Dan – Interview und Exclusive-Track

Danger Dan hat sich getraut und feiert sein Coming Out als Rapper. Nicht dass der Aachener MC zuvor nicht gerappt hätte. Als Teil des bundesweiten Rap-Kollektivs Anti-Alles-Aktion ist Danger Dan kein unbeschriebenes Blatt. Doch erst jetzt hat der 25-jährige Musiker, der u.a. als Pianist von Sebastian Sturms Reggaeband Jin Jin sein Brot verdient, sich dazu durchgerungen auch solo in Erscheinung zu treten und seine Debüt-EP "Coming Out" als kostenlosen Download anzubieten. Es folgen fünf Fragen an und Antworten von Danger Dan, der sich darüber hinaus nicht zu schade war, rap.de mit "Defibrillator“ einen exklusiven Track zur Verfügung zu stellen.  
    rap.de: Mit Deiner EP verkündest Du Dein Coming Out als Rapper. Dabei hast Du doch gerade erst mit den Gangsta-Rappern von Caught In The Crack ordentlich abgeräumt. Wieso also "Coming Out“?
Danger Dan: Mit Caught In The Crack hab ich gar nichts zu tun. (Lacht) Aber ich habe schon von denen gehört, das ist eine spannende Sache. Ich halte die für eine gute Rap-Crew mit einem super Konzept. Außerdem habe ich die, glaube ich, durchschaut. Aber ich bin jetzt schon öfter auf diese angebliche Verbindung angesprochen worden, doch ich muss leider sagen, dass ich mit Caught In The Crack nichts zu tun habe.
rap.de: Im Gegensatz zur Anti-Alles-Aktion, der Du offiziell angehörst. Was ist das für ein Zusammenschluss?

Danger Dan: Darüber diskutieren wir auch immer gern. In unserem Portrait auf unserer Website steht, wir sind ein Zusammenschluss von befreundeten Untergrund-Rap-Stars und kucken mal, was wir uns gegenseitig zu bieten haben oder wie wir uns supporten können. Und das stimmt auch. Wir sind lauter verschiedene Leute, kommen fast alle aus anderen Städten und machen alle unterschiedliche Sachen. Aber es gibt schon einen gewissen gemeinsamen Nenner, vor allem inhaltlich. Aber am Besten hören sich die Leute das mal an und finden selbst heraus, was das ist. Wir sind uns da nämlich auch nicht immer einig. Fest steht aber: Wir sind die einzige unpeinliche Rap-Crew, die es gibt.
rap.de: Alles, so rappst du im Intro, was du bis jetzt an deutschem Rap gefunden hast, ging links rein und rechts raus wie Fischer im Bundestag. Wieso?
Danger Dan: Das war einfach ne gute Punchline. Andererseits ist es schon so, dass ich zwar immer mal wieder Hip-Hop höre, aber wirklich langlebig ist das eigentlich nie. Es gibt immer wieder Alben, die ich gerne höre, aber meistens gehen die wirklich links rein, rechts raus und dann hör ich das nächste. Eigentlich hör ich sowieso nur Rap von mir (grinst).
rap.de: Auf Joschka Fischer scheinst Du jedenfalls nicht gut zu sprechen zu sein.
Danger Dan: Nee. Also für jemanden, der es bis in den Bundestag geschafft hat, war er mir zwar noch einer der Sympathischsten, aber im Endeffekt – nein.
rap.de: Insbesondere die zweite Hälfte Deiner EP fällt sehr ernsthaft aus. "Gesiebte Luft“ handelt vom Knast. Du sagst aber nicht nur, dass der Knast hart ist, wie man es auch von anderen Rappern kennt, sondern stellst darüber hinaus das gesamte Vollzugsystem in Frage. Dein Rap schließt mit den Worten "Knast ist nicht, wenn ein Mensch in einer Zelle sitzt / Knast ist, wenn die Angst im Kopf Deine Zelle ist.“ Im Internet wurde dieser Satz viel diskutiert.
Danger Dan: Wenn die Leute das wörtlich nehmen wollen, dann können sie sich ruhig uneinig sein. Aber es wäre dumm zu glauben, der Knast wäre ein Gebäude, in dem man drinsitzt, um "besser“ zu werden. Knast ist meiner Meinung nach ein Teil eines Repressionssystem, der tatsächlich nicht bei den Leuten funktioniert, die drin sitzen, sondern bei den Leuten, die nicht drin sitzen, bei den Leuten, die Angst haben, reinzukommen. Es ist ja statistisch erwiesen, dass Leute, die im Gefängnis waren, dadurch nicht besser werden. Im Gegenteil! Da drinnen kannst du eigentlich nichts lernen, außer…du hängst da halt nur mit Verbrechern rum. Ich hab Leute im Knast besucht. Ich bin da rein und habe mal nachgefühlt. Das ist ein richtiger Scheißladen. Die  Leute, die da rumrappen: "Knast, cool, ich war im Knast!“, die waren entweder nicht wirklich drin oder haben es nicht verstanden. Im Knast lösen sich im Grunde alle Strukturen auf. Man kann auch nicht mehr sagen: Hier haben wir die Schließer und da die Gefangenen. Da gibt es eigentlich nur noch Scheiße, und da stecken alle unter einer Decke! Und darum geht es mir eigentlich. Besonders wichtig ist mir, den Knast nicht als Gebäude zu kritisieren, in dem man sich besinnen oder lernen soll, etwas zu erkennen, sondern vielmehr als Teil eines Bestrafungssystems, der so meiner Meinung nach nicht funktionieren kann.
rap.de: Du hast eben von Bekannten gesprochen, die Du im Knast besucht hast. Der Song ist aber auch deinem Bruder gewidmet, der bis vor kurzem inhaftiert gewesen ist. Anstatt mit dieser traurigen Tatsache aber nun hausieren zu gehen, hast Du das in einem kurzen Satz abgewickelt.
Danger Dan: Ich glaube, es ist nicht cool, wenn sich Leute damit brüsten, im Knast gewesen zu sein, wie es das im Zusammenhang mit diesem Männlichkeitswahn, z.B. im Hip-Hop, eben gibt. Aber ich denke, es ist gut, ein Mensch zu sein oder Menschen zu kennen, deren Rechtsbewusstsein vielleicht ein stückweit größer ist als Gesetzbücher. Menschen, die für sich  entscheiden können, was Recht und was Unrecht ist und die unter Umständen den Mut mitbringen, hier und da auch mal über Gesetze hinauszuschießen, sie zu brechen. Ja, im Knast sind viele Verbrecher, da sind viele Arschlöcher, und ich würde sagen, überwiegend Arschlöcher und Verbrecher. Aber man kann da auch landen, obwohl man eigentlich gute Absichten hatte oder…ein guter Mensch ist (lacht). In diesem Sinne: Lasst euch alle nicht erwischen! Der Knast ist scheiße! Der ist echt scheiße.
rap.de: Der Song "Sommerlüge" ist eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus und der Shoa am Beispiel von Überlebenden bzw. Nachkommen von Überlebenden des Holocaust. Dein Kollege Koljah wies mich darauf hin, dass Du damit offenbar der erste deutschsprachige Rapper bist. Da wurde mir klar, wie bezeichnend es ist, dass erst nach rund 25 Jahren Hip-Hop in Deutschland der erste Rap-Song erscheint, der sich explizit mit der Shoa, für die sich die Deutschen zu verantworten haben, auseinandersetzt – und mir das auch erst dann auffällt. Was hat Dich dazu veranlasst hat, diesen Song zu machen?
Danger Dan
: Ich glaube, die wichtige Frage, die Du auch schon beantwortet hast, ist eher, warum gab es in fast 20 Jahren deutschsprachigen Rap noch keinen anderen Song zu dem Thema. Doch um deine Frage zu beantworten: Einmal, weil es richtig ist. Ich meine, das ist noch nicht so lange her! Das ist gerade mal 60 Jahre her, und ja, irgendwie setze ich mich damit auseinander. Ich habe überall immer wieder Möglichkeiten dazu oder werde immer wieder damit konfrontiert. Ich arbeite z.B. pädagogisch mit Kindern und unter denen ist "Jude“ ein geläufiges Schimpfwort, neben allen anderen Schimpfwörtern. Die wissen zwar gar nicht, was sie da eigentlich sagen und man kann ihnen ja auch schwerlich Antisemitismus vorwerfen, da sie den selbst nicht verstehen würden. Das sind eben noch Kinder, aber Kinder, die große Scheiße bauen können unter Umständen.
rap.de: Und auch groß werden irgendwann.
Danger Dan: Und groß werden, ja, klar. Als ich den Song geschrieben habe, war ich übrigens richtig sauer und zwar auf die Lehrerin meines Bruders, die mir erzählte, bei Juden könne man von einer "Rasse“ sprechen! Später platzte das alles aus mir raus. Aber wirklich geplant, habe ich das nicht. Ich habe länger drüber nachgedacht, warum ich den Song geschrieben habe. Aber genau kann ich es nicht beantworten. Ich glaub, weil es einfach richtig ist. Das wird auch bestimmt nicht mein letztes Wort zu dem Thema sein. Eine Auseinandersetzung wird nach wie vor passieren.


Interview: Philipp Killmann, Fotos: Demian Taschenmacher