Megaloh – Endlich Unendlich (Album)

Eigentlich wollte Megaloh dem Rapbusiness mit seiner abschließenden „Monster„-EP schon 2010 den Rücken zukehren. Jetzt aber, zweieinhalb Jahre und einen Nesola-Deal später, meldet er sich mit „Endlich Unendlich“ zurück am Set. Aber dennoch scheint sich der alte Megaloh mit seiner „Monster„-EP ein Stück weit verabschiedet zu haben. Sowohl inhaltlich wie soundtechnich fährt die neue Platte eine völlig andere Schiene. Kein harter Battlerap, der zerstören will, kein Koks und keine Hoes mehr.

Ab jetzt werden eher gut gemeinte Arschtritte verteilt, die nicht verletzen und demütigen, sondern Hoffnung geben und antreiben sollen. Megaloh klingt gereift und erwachsen. Der Bass in seiner Stimme harmoniert dabei gut mit den melodischen und mit Instrumenten angereicherten Instrumentalen. „Endlich Unendlich“ ist bei weitem das persönlichste und friedlichste Album, das Megaloh bisher rausgehauen hat.

Der Labelwechsel zu Max Herres Musiklabel Nesola scheint vordergründig der Hauptgrund für die Neuausrichtung Megalohs zu sein. Hört man jedoch genauer hin, stellt man sehr schnell fest, dass die Veränderung im Klang- und Gesamtbild viel zu stimmig sind, als dass sie einfach nur von Max aufoktruiert sein könnten. Zumal es größtenteils seine langjährigen Partner DJ Ghanaian Stallion, DJ Skare und Farhot sind, die für den Sound auf „Endlich Unendlich“ verantwortlich sind. Natürlich hat aber auch Kahedi, das Produktionsteam um Max Herre, dem Album seinen klanglichen Stempel aufgedrückt.

Das ist nicht immer positiv. Der Gesang und die stellenweise etwas überladenen Beats sind teilweise etwas zu viel des Guten. Megaloh zeigt sich offen für alle möglichen musikalischen Richtungen, gelegentlich auch etwas zu offen. Manchmal klingt es, als hätte er ein ganzes Orchester, eine Reggea-, Rock- oder Funkband samt Backgroundsängerinnen beim einrappen hinter seinem Rücken gehabt. Das ufert an manchen Stellen ein wenig zu sehr aus. Auf der anderen Seite gibt es so viele Details und Schnörkel zu entdecken.

Nach dem ersten Hören könnte meinen, das sich Megaloh inhaltlich komplett verändert hat, aber das stimmt nicht ganz. Was sich geändert hat, ist die Perspektive und die Einstellung, die Welt, über die er rappt, bleibt die gleiche, Megas Welt eben. Was dabei entsteht, ist irgendwo immer noch Battlerap, allerdings ohne die bisherige Schärfe, Arroganz und Härte.

In „Yogibär“ etwa legt er durchaus eine Battle-Attitüde an den Tag, auch wenn der Beat reggaelastig daherkommt. Mit dem Joint in der einen und der Reimpistole in der anderen Hand, kommt er reingesteppt und stiftet zur friedlichen grünen Revolution an. Rap als Waffe gegen das Negative und gegen Ungerechtigkeit. Allerdings fragt man sich an dieser Stelle, ob es den abgelutschten Kalauer von wegen „Wayne interessiert’s?“ wirklich gebraucht hätte.

Mit „Programmier dich neu“ bringt Megaloh das Grundthema des Albums, nämlich Neustart, Neubesinnung und Neuorientierung, ziemlich präzise auf den Punkt. Hier verschmelzen die Aussage und der Sound, welcher den Inhalt selbst noch mal mit lautmalerischen Mitteln nachzeichnet.

Lösch die Disc, schalte ab/ lass kurz ruhen, drück auf Start/ log dich ein, wähl den Pfad/ progra-programier dich neu„.

Und solche postiven Tracks dominieren auf der Platte. Megaloh gibt sich gereift und weiß, dass das Leben mehr zu bieten hat als „Sex, Alk, Kippen und noch mehr Alk„. Dieser Sinneswandel mag dem fortgeschrittenen Alter des Rappers oder seiner neuen Rolle als Ziehvater der Kinder seiner Freundin geschuldet sein. Wie auch immer, auf jeden Fall nimmt man ihm seine Einstellung zu jeder Sekunde voll ab.

Eines der Highlights ist mit Sicherheit „Glaub dran“, das den steinigen Weg zur inneren Zufriedenheit beschreibt, der Versuch, die unterschiedlichen Seiten und Gegensätze in sich selbst zu vereinen.

Nehme meinen Platz/danach nehm ich mir die Gema-Kohlen/gebe dir mein Leben/früher gab ich dir fürn Zehner Drogen/ heute hab ich eine Lady die schon Kinder hat/seh mein altes Leben, doch seh nicht mehr, was für einen Sinn das macht/ erwach jetzt in der Nacht, um zu jobben, finde Kraft/tu das was nötig ist, damit es uns einen Gewinn verschafft

Das ist authentisch und mit der lyrischen Souveränität, die man von Mega gewohnt ist, verpackt.

In „Vaterfigur“, einem der berührendsten Tracks, beschreibt er was es heißt, als fremde Person in eine Familie zu kommen mit dem Vorhaben, direkt dort zu bleiben. Gedankengänge, die Megaloh so treffend beschreibt, dass sie auch für Nichtbetroffene nachvollziehbar sind.

„In deinen Augen“ schließt sich daran thematisch an. Dieses mal nimmt Meagloh aber eine andere Perspektive ein. Wie ordnet eine verletzliche Kinderseele seine Umwelt ein? Ohnehin eine von Megalohs unbestreitbaren Stärken: Perspektivwechsel und Gedankenexperimente.

Ich seh das aus deinem Blick, das Vertrauen spricht/ und ich hüte es, wie einen Schatz, ich missbrauch es nicht/dich glücklich zu sehen, mehr brauch ich nicht/weil die Tür zu meinem Herzen in deinen Augen ist

Es gibt aber auch ein, zwei Songs, in denen der Rapper wieder mehr nach dem Jungen aus dem Block klingt. Der alte Megaloh ist logischerweise noch irgendwo in ihm – can take the boy out the hood usw.. Auf Schimpfwörter und Beleidigungen wartet man allerdings vergeblich. Eher beschreibt er, wie schwer es für ihn ist, die kontroversen im Leben zu verstehen und in sich zu vereinen. Megaloh kennt die Straße eben, mit all ihren guten und schlechten Seiten.

Mit „Neue Schritte“ wird es härter, zumindest bis zur Hook, die allerdings auch ohne Gesang gut ausgekommen wäre. Statt BoomBap-Sounds bestimmt hier düsterer Synthiesound die Szenerie. Jetzt werden andere Saiten aufgezogen. Gemeinsam mit Samy Deluxe wird auf den Tisch gehauen und Klartext gesprochen, eine hingerotzte Leichtigkeit, die man durchaus als willkommene Abwechslung wahrnimmt. Auch „Entgegen der Norm“ schlägt in dieselbe Kerbe. Hier wird schonungslos angeprangert, was in Politik und Gesellschaft so alles schief läuft – Stichwort ist die perspektivlose Jugend.

Drogen/ Waffen/ Hasch/ Hartz4/ BTM/ Schufa/ Inkasso/ Knast“ beschreibt er die Rolltreppe abwärts treffend und knapp, mit keiner Silbe zu viel.

Alles Tatasachen, die Mega keinesfalls hinter einer etwaigen rosa Brille aus den Augen verloren hat. So schafft es Megaloh, eine ausgereifte, melodische, sehr gut gerappte Autobiographie abzugegben. Ein Soloalbum mit schlüssigem Konzept, das mit viel Herz und professioneller Unterstützung umgesetzt wurde. Dabei legt Megaloh sich selbst die Latte ziemlich hoch. Bereits im Opener „Dr. Cooper (Ich weiss)“ wird die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft geschlagen. Mit einem schönen Gruß in die Golden Ära der 90s huldigt er den alten Helden des Deutschrap, den guten, alten Stieber Twins. „Ich weiß, dass was ich weiß, das weiß ich: Rap ohne Weitsicht, uhhh, ich weiß nicht“ So hält er das Alte in Ehren und macht sich auf zu neuen Gefilden. Glaubwürdig, grundsympathisch und vor allem: Gut.