Nazar – Fakker

Für die österreichische Rechtspartei FPÖ ist er ein islamistischer „Hassprediger“, für den ihm freundlicher gesinnten Ösi-Politiker Peka Baxant ist er ein authentisches Vorbild für die Jugend und manchem deutschen Rapfan wurde er lange Zeit pauschalierend als der „österreichische Bushido“ vorgestellt. Für ihn selber ist er, laut Albumtitel, erstmal einfach nur der „Fakker“.

Wie Nazar auf dem Song „Fakkerlifestyle“ richtig erahnt, würden wir nun gerne wissen was ein „Fakker is‘, Fakker is‘ Fakker is‘, eyy“? Und das ist gar keine so leichte Frage. Ist ein Fakker jetzt der mit so einfachen wie ergreifenden Zeilen auf melancholische Beats erzählende persönliche Nazar (Amethyst“, Volim te“) oder der schnell ins abgedroschene abdriftende Rapper mit den irgendwie nie so wirklich lässigen Sprüchen („Fakkerlifestyle“, F.O.T.U“)?

Was wir zweifelsohne über den Fakker sagen können, ist, dass er verdammt gut produziert wird. Vor allem anderen sollte das hier in aller Ausführlichkeit gelobt werden: Produzieren heißt hier weit mehr als möglichst simple Drums auf möglichst massentaugliche Samples zu programmieren und das dann zu loopen – soviel übrigens zum Thema „österreichischer Bushido“.
An dieser Stelle sollte jeder Hörer davor gewarnt werden, nach der letzten Hook vorschnell zum nächsten Track zu skippen. Denn die Ausleitung des Weltabgesangssongs „Keinen Bock“, die wunderbare Verschmelzung der Synthie-Tonleiter mit orientalischem Gesangssample am Ende von Amethyst“ oder die einminütige E-Gitarren-Interlude am Schluss von Volim te“ gehören nicht weniger zu den Highlights des Albums als so manche Hook. Und wo wir gerade auf letztgenannten Song zu sprechen kommen: Es ist viel zu schwer, dich perfekt zu beschreiben/ denn versuch mal „perfekt“ zu beschreiben“ – ans perfekte Schreiben kommt der gute Nazar zumindest an dieer Stelle verdammt nah ran.

Das kann man leider nicht über jeden der 17 Songs sagen. Denn auch wenn sich Nazar stets Mühe gibt, mit viel Stimmpower und auch abwechlungsreichen Flows zu bestechen, aber all dies kann nicht über die meist viel zu platten Texte der zahlreichen Representertracks hinwegtäuschen. Bevor jetzt der Kommentar-Driveby gestartet wird: Ich bin kein spaßbefreiter Straßenrapfeind der sich nur mit den „weichgespülten“ Songs abgeben will, auch ich hab meinen Spaß an guten Street-Entertainement à la Haftbefehl. Aber gerade in der Kollabo mit dem Offenbacher werden Nazars Schwächen am deutlichsten: Ihm fehlen einfach die lässig-lockeren Sprüche, die ignoranten Backpfeifen, die Baba Haft oder auch Entertainement-Rapper wie der an anderer Stelle  gefeaturerte Farid Bang mit ignoranter Leichtigkeit verteilen.

Auf F.O.T.U.“ rätseln wir eher darüber, was wir denn tatsächlich machen würden, wenn uns jemand auf der Straße den Begriff „Baklava-Gestalt“ entgegenschleudern würde oder ob wir uns überhaupt beleidigt fühlen würden. Beim ebenso typischen wie grandiosen Haftbefehl-Part hingegen ist alles klar: Was Faustkampf? Die Kugel ist im Lauf, mann. Lauf, mann!“ Noch Fragen?
Achja, wir wollten ja erfahren was ein Fakker is‘, Fakker is‘, Fakker is‘ eyy“. Offenkundig keine Baklavagestalt, denk ich mal. Auf jeden Fall auch ein Iraner der trotz Stolz auf seine Heimat die gegeben Verhältnisse kritisch sieht, wie aus dem Song Amethyst“ ersichtlich wird: „Sag mir, wer wird kommen um unsere Heimat zu retten?“. Soviel übrigens auch zum Thema islamistischer Hassprediger.

Einen Kurzüberblick über das sonstige bunte Treiben Nazars bekommt der Hörer in „Farben des Lebens“, der vor allen Dingen wegen RAF’s Gesangsshots zu den Highlights der Scheibe gehört. Zum Thema RAF Camora / RAF 3.0 muss man aber weniger schmeichelhaft hinzufügen: Nicht jeder Track verwandelt sich nur wegen RAF’s Stimme im Refrain gleich in „Jeder Tag“. Wenn diese wie in Farben des Lebens“ innovativ und auf außergewöhnliche Weise verarbeitet wird oder eine durchdachte Hook wie in Krankes Ego“ verfeinert, ist ja alles cool. Wenn die Gesangseinlagen aber nur zum ziellosen Rumgeträllere verkommen (Gib mir nicht die Schuld“, „Fakkerlifestyle“) kann man sich das bitte sparen.

Im Interview mit rap.de sprach Nazar von „Representerkunst“. Kunst findet sich aber gerade in diesen Songs am wenigsten und nach dem fünften halbgaren, coolgemeinten Spruch der Sparte Baklava-Gestalt“ möchte ich auch gar nicht mehr wissen Was ein Fakker is‘, Fakker is‘, Fakker is‘ eyy“. Da interessiert mich dann doch eher der persönliche Nazar, wie er sich in den grandios produzierten Tracks wie Volim te“, Amethyst“ oder „Keinen Bock“ präsentiert.