Kool Savas – Was hat S.A.V. da vor? (Juice EP)

Ehrlich gesagt habe ich mich ein bisschen gedrückt vor der Besprechung dieser EP. Diese kindische Orakel-Bello-Bellonier-Scheiße geht mir sowieso auf die Nerven oder dieses "Was hat S.A.V. da vor?" – Na was wird er schon vorhaben? Baut er vielleicht eine Kita? Macht er eine Privatschule auf? Wird er etwa Altenpfleger? – Nein! Er macht Musik! – Überrraaaahaschung!
Eine weitere Abhandlung darüber, warum S.A.V. den besten Flow der Welt besitzt, der beste Rapper Deutschlands ist, alle anderen einpacken können und warum der King wieder mal back ist, wollte ich mir einfach nicht geben. Noch mehr Rap über Raps, Rap über Rap-Technik oder Rap über die Rap-Reimstruktur… ich hätte es einfach nicht ertragen.

Dann dachte ich, scheiß drauf. Er ist der wichtigste MC Deutschlands und vor allem war die Aktion, die EP als JUICE-Beilage zu veröffentlichen anscheinend ein echter Volltreffer. Laut Angaben des Verlegers konnte die Auflage verdoppelt und was natürlich noch wichtiger ist, auch abverkauft werden. Offensichtlich musste man sogar nachliefern, was im harten Zeitschriftengewerbe tatsächlich eine Seltenheit ist. Herzlichen Glückwunsch!

Zwar bedeuten  solche Aktionen natürlich nicht die generelle Rettung des Musikmarkts, aber für etablierte und bekannte Künstler, stellen sie eine interessante und lukrative Alternative zum herkömmlichen Plattengeschäft dar. Funktioniert im Endeffekt nur mit großen Namen und spielt ein bisschen in der Liga, wenn Lenny Kravitz seine Songs über Absolut Vodka rausbringt.

Nun aber zur EP, von der ich positiv überrascht wurde. Zwar beginnt Savas den Reigen mit genau der Thematik, vor der ich mich gefürchtet habe, und der Feststellung, dass er früher zu Jigga aufgeschaut habe jetzt aber nur noch zu ihm rüberschaue. Das könnte man schon irgendwie unangenehm finden, weil es neben der überragenden Raptechnik, die beide besitzen, dann doch noch ein zwei Dinge gibt, die einen Jay-Z von einem S.A.V. unterscheiden. Nichtsdestotrotz ist der Song aber gelungen, was nicht zuletzt an der melodiösen Hookline "Was hat S.A.V. da vor?“ liegt, die sich extrem gut mit dem harten "ich kill, wenn ich komm – kill, kill, wenn ich komm“ bricht. Wenn ihr’s hört, werdet ihr merken, was ich meine.

Track zwei "Butterflys“ überrascht, weil es sich um einen reinen Themensong handelt. Zwar schwebt da im Hintergrund ein bisschen der Geist von Eminem’s Stan herum, aber die Geschichte von dem Mädchen, das sich in eine überstaigerte Fan-Phantasie-Realität hineinstaigert, wird in eindrucksvollen Bildern erzählt. Das ist Nachvollziehbar, beängstigend und beklemmend und es wird klar, dass der angebetete Star eigentlich nur Fehler machen kann. Die einzige Möglichkeit aus so einer Obsessionsfalle herauszukommen ist, dass man sich selbst entzaubert, das Mädchen mit auf Tour nimmt und ihr zeigt, dass man auch nur ein Mensch mit all seinen Schwächen ist. Aber selbst dann wäre sie wahrscheinlich verknallt in einen und würde einem die Reifen zerstechen, vor Liebeskummer. Es gibt keine Rettung.
Hook ist schwach und irgendwie fehlt die dritte Strophe, aber nehmen wir das mal positiv: Man will eben auch wissen wie es weiter und zu Ende geht. Vielleicht gibt’s ja eine Fortsetzung.

Track drei ist ein Styler und auf jeden Fall der beste Song auf der EP. Savas baut den gesamten Song auf den Worten schwarz und weiß auf und was da an Assoziationen geliefert wird, an kurzen Sprachbildern, knüpft an alte Zeiten an. Das ist Savas in Hochform. Da rotzt er ein, zwei Sätze hin, manchmal sogar nur Halbsätze und man hat trotzdem einen ganzen Kurzfilm im Kopf.
Vom Berry und der Mukke, die beide black sind, über "schwarzer Tunnel, weißes Licht, Jungs, die schwarze Kleidung tragen/ tränenreicher Abschied von Dir, schwarzer Sarg und Leichenwagen“ bis zu zu "weißen Tauben/ und Du hörst die Toten mit Dir sprechen, wie durchs weiße Rauschen“. Das ist wirklich gut, sehr gut sogar. Großartig.

"Futurama der Remix“ ist ein erstklassiger Posserapsong und besonders Curse erinnert mich mit seinem geraden Part an so Sachen wie "Harte Zeiten“ von La Familia.
Mit Ceza aus der Türkei, Greis aus der Schweiz, Havoc, Kaz Money und Azad, bekommt das ganze auch so einen internationalen Flavour und alle MCs versuchen zu representen und zu scheinen, was den Track zu einem richtig, schönen, satten Rap Ding macht. Das ist schön. Das ist interessant zum Hören. Das macht Spaß.    

"Charisma" dagegen schwächelt ein bisschen ab und ist meiner Meinung nach der unspektakulärste Song auf dem Tonträger. Und das obwohl AMAR hier mit seinem Part nachdrücklich bestätigt, dass er das jahrelange Vertrauen seines ehemaligen Chefs nicht umsonst besitzt. Mit Zeilen wie "überdurchschnittlich talentierter Überkrieger/ Armageddon, lies die Bücher, Bruder es wurd überliefert – ich hab keinen Überkiefer und kein Überkreuz/ gib kein Fick in meinem Viertel werden Arme überkreuzt/ für ein X Junge – abwarten, masturbieren, Tee trinken/ Armageddon Rhymekiller, maskulin wie im Steh’n Pinkeln“… stellt er nachdrücklich unter Beweis, dass man ihn nicht vollständig abschreiben sollte und dass mit ihm auch weiterhin zu rechnen ist.
Trotz allem kommt der Song nicht so richtig aus dem Quark, was aber auch nicht weiter tragisch ist, schließlich gibt es ja vier andere gute bis sehr gute Tracks, was bei insgesamt fünf ja jetzt nicht die schlechteste Ausbeute ist.

Also. Wenn das bevorstehende John Bello Album die selbe Erfolgsquote hat und auch nur annähernd eine ebenso interessante Themenvielfalt und Abwechslung beinhaltet, dann könnte es tatsächlich noch mal was werden mit dem Klassiker.
Einfach mal machen. Nicht immer so verbissen sein, vor allem nicht verbittert werden und ab und zu mal lachen, dann wird das was.

Gute Musik ist es auf jeden Fall. So oder so, aber das reicht halt nicht immer, um zu begeistern. Deshalb: Weiter so!