Snaga & Pillath – II

Ich kann mir nicht helfen. Ich mag diesen Pillath. Bei dem könnte man sich auch vorstellen, dass er eine Trinkhalle besitzt in Gelsenkirchen Buer und dass man so nache Schicht sacht: "Komma. Lass ma bei Olli gehen, da isset lustich.“ Und dann steht man so bei Olli, trinkt Bier, dazwischen noch ein zwei Schnäpseken und plötzlich ist es schon wieder Zehn und man muss nach Hause, wo die Olle wartet, die wieder Zeter und Mordio schreien wird, aber dann erzählt Olli doch noch eine Schote und dann iset auch egal und dann trinkt man doch noch schnell eins und so geht es weiter, den ganzen Abend. Ruhrpott to da fullest. 
Olli ist gesund, lacht gern und haut Dir mit der Faust auf die Schulter. Ein ganzer Mann. Ein toller Hecht. Ein echter Schalker. Ein richtiger Prachtkerl. 

Bei Snaga ist das nicht ganz so. Snaga ist dann eher so der stillere Typ, der leicht angesäuert am Tresen sitzt, aber hey, er ist halt der beste Kumpel von Olli und schon ok. Wenn man ihn erstmal kennen gelernt hat, ist er der korrekteste Typ der Welt. Außerdem rappt er technisch besser, während Olli halt die besseren Sprüche hat. So ist das Leben.

Mit anderen Worten. Das Album von Snaga und Pillath ist wie ein Abend in der Kneipe. Lustig. Politisch unkorrekt. Zwischendurch auch mal sentimental. Hin und wieder wird es ein bisschen anstrengend und am Schluss gibt’s Schlägerei. Mit einem Wort: Bombe!

Sieht man mal über den Bombast hinweg, der hier und da noch an alte Dipset Zeiten erinnern will, inklusive dem "Tschiaa“ gleich zu Beginn des Albums, haben Snaga und Pillath hier ein Representeralbum vorgelegt, das so richtig auf die Zwölf geht.
Während sich das bei Pillath immer noch ein bisschen nach Augenzwinkern anhört, kommt mir das ganze von Snaga eine Spur zu aggressiv und verkrampft rüber. Wo Pillath mit absurden Fantasien wie "Ja – ich hab den Anstand einer Sau/ ich komm im Handstand nackt aus dem Wandschrank Deiner Frau/ […] Jetzt mal ehrlich – ich bin hammer wa?/ Big Pillath besucht mehr Hausfraun als Herr Kaiser von der Hamburg Mannheimer“ aufwartet, klingt es bei Snaga tendenziell so: "Sag good bye bitch, jetzt geht es rund/ ich piss der Szene nicht mehr ans Bein, sondern direkt in den Mund / schreit zur Mitte, Zur Titte zum Sack zack zack/ komm und spitte, ich ficke Dich Bastard platt.“ Das ist dann wiederum ein bisschen zu platt und schade, denn Snaga ist durchaus in der Lage, mit ein paar Federstrichen ganze Kurzfilme zu skizzieren. Großartig seine paar hingeworfenen Zeilen in "Kill Kill Kill“, wo es heißt: "Schellt an, kommt hoch – dritter Stock/ bringt Chips bringt Präser, bringt bisschen Ott/ kurz die Wurst gedippt, dann zurück an Block/ Sorry kann nich zurückrufen: Guthaben yok!
"Kill Kill Kill“ hat übrigens auch noch eine sehr geile hypnotische Hook und bester Spruch von Kollege Pillath hier: "Und mein Leben ist mehr als nur so lala/ Mein Sack freut sich und er singt: Oh my lord, kumbaya!

Mit "Ruhrgebiet“, einer Bearbeitung des gleichnamigen Songs von Wolfgang "Wolle“ Petry, könnte S & P tatsächlich so etwas wie die Hymne einer Region gelungen sein und noch ein bisschen mehr. Das ist Arbeiterstolz. Das ist Tradition. Das ist das, was die SPD nicht mehr kann, oder wovon sie träumt, wenn sie nostalgisch wird.

Kein Plan, ob die Väter von Snags und Big P tatsächlich als Kumpel unten im Schacht waren, aber diese Erinnerung hochzuhalten und eine gewisse Haltung damit zu verkörpern, ist nicht verkehrt, auch wenn von Seelen aus Stahl und Herzen aus Gold geredet wird.
Ein Song für alle, die tatsächlich zur Nachtschicht auf Maloche müssen, die ackern gehen, "die Firma retten“ und nicht zuletzt auch ein Lied für die Vielvölkergemeinschaft im Pott, zusammengeschweißt aus Arbeit, Feiern und Fußball, denn "auch ohne viel Geld, wir haben Stolz/ scheiß auf Nationalität, das hier ist mein Volk.“ 

Mit insgesamt 14 Tracks ist "II" auf jeden Fall genau richtig lang, denn mehr von diesen unfassbar schweren Stampfer-Beats mit Schwingschleifersound würden aufs Gemüt drücken. Die Produktionen von Joshmixu, Beatgees, Fab Rider, Shuko, X-Plosive und anderen sind durch die Bank mächtig und schwergewichtig. Passt auf jeden Fall. Zu den Stimmen, zur Ansage, zum Auftreten und zum Aussehen sowieso. 110 Kilo Ruhrpott. Hömma, da gibet nichts zu hinterfragen!

Trotz dieser Schwere ist das Album sehr kurzweilig, was auch an der Mischung aus Songs wie "Asozialen-Lifestyle II“ und dem verzweifelten "Hol Mich Raus“ liegt. Kneipenstyle eben. Alles da. Alles versammelt. Das ganze Leben. Die ganze Welt zwischen Bier und Kippen und Du bist live dabei. Das ist schon ziemlich super.  Ich muss jetzt los.

Aber einen habe ich noch, bevor ich gehe: "Meine Schlampenweiber kennen meine Art/ ich behandel sie wie Dreck, trotzdem rennen sie mir nach/ und sie schreien: Bitte steck mir deinen Pimmel in den Arsch/ denn ich ficke, wie ich kacke, etwas länger als normal.

Nuff said.