Curse – Freiheit

Ich muss sagen, dass ich dieses Album überdurchschnittlich oft gehört habe, bevor ich angefangen habe, es zu rezensieren. Die Frage, die sich mir gestellt hat, ist die folgende: können vier überragende Lieder einen gesamten Tonträger dazu berechtigen, nahezu die volle Punktzahl einer Werteskala zu erhalten? Ich habe mich für "Ja" entschieden.

"Freiheit" ist das fünfte Album von Curse, dem oftmals als besserwisserischen Ex-Freundinnen-Rapper, der eigentlich hauptberuflich Tee trinkt, verschrienen Mindener und eins muss direkt zu Anfang gesagt werden: es ist wundervoll. Musikalisch wie inhaltlich. Man wartet als Musikredaktions-Mitarbeiter immer darauf, endlich mal wieder wirklich berührt zu werden in diesem Alltagsgeschäft, in dem man viel hört und noch mehr ebenso schnell wieder vergisst.  Hier ist es nun geschehen.

Schon der zweite Track "Freiheit", mit Unterstützung von Marius Müller-Westernhagen, dessen Hit auch Vorbild und Grundlage für diese erste Singleauskopplung war, kann als durchaus atmosphärisch bezeichnet werden. Insgesamt fällt bei sämtlichen Titeln auf, dass sich Curse im Gegensatz zum Vorgänger "Sinnflut" deutlich aus dem Hip Hop-Kontext gelöst hat. Nicht nur, dass bei der normalen Version des Albums kein einziges Rapfeature vertreten ist, rein gefühlsmäßig kommt es einem vor, als beständen vier Fünftel der Hooks aus Gesangsparts. Vielleicht führt das auch dazu, dass große Teile von "Freiheit" zwar ebenfalls gut, trotzdem aber schlichtweg entbehrlich sind.

Es ist nicht so, dass einem keine große inhaltliche Bandbreite geboten wird. Egal ob ironische Selbstbeweihräucherung bei "Gold" oder das bedrückende "Lila", in dem die Geschichte eines Mädchens erzählt wird, deren Leben zunehmend aus dem Ruder läuft und für sie schließlich in der geschlossenen Anstalt endet – Curse hat etwas zu sagen und dabei hört man ihm auch gerne zu. Trotzdem muss ich persönlich zugeben, dass ich seit dem ersten Durchhören auf "Baby" mit der wunderbaren Nneka, dem Silbermond-Feature "Bis Zum Schluss", "Ich Kann nicht Mehr" samt Clueso und "Wenn Ich Die Welt Aus Dir Erschaffen Könnte" hängengeblieben bin.

Letzteres hat einen sich zum Schluss hin immer mehr aufbauenden und steigernden Klangteppich, ähnlich wie "Und Was Ist Jetzt?" und eigentlich ist es ein richtig typischer Curse-Track. Immer haarscharf an der abgrundtiefen Schwülstigkeit vorbei, der Frau als solcher huldigend und ja, man kann genau das hassen. Weil ich aber ein Curse-Fan bin und nicht zuletzt auch eine Frau, finde ich das super. Allgemein ist dieses Album sehr harmonisch, sehr fließend, sehr "weich". Das ist zum einen schön, großartig und alles auf einem textlich wie
melodisch hohem Niveau. Wenn man aber ganz ehrlich ist, wünscht man sich manchmal, dass Michael Kurth einfach mal ausrastet und schreit, denn niemand kann anderen Menschen alles verzeihen und rückblickend nüchtern bis traurig analysieren.

Man muss es wirklich mögen. Man muss Curse an sich mögen, man muss melodiöse und grenzüberschreitende Rapmusik mögen, man muss Gesangshooks mögen. Aber dann, liebste Leser, ist "Freiheit" ein großartiges Stück Musik, gerne auch für den melancholischen Abend mit Wein oder Sekt. Und wer jetzt ankommt und behauptet, das sei alles kein Hip Hop, sondern Pop, dem sei die Zeile "Rap war immer schon tiefste Emotion und der Rest sind Lügen" ans Herz gelegt. Das sagte der Mindener vor einigen Jahren höchstselbst und zumindest in diesem Punkt darf ihm Recht gegeben werden.