Review: Takt32 – ID

Takt32 – Gang oder Individuum?

Nachdem das Album „Gang“ ein etwas langatmiges, aber dennoch solides Debüt darstellte, war die Frage, ob sich Takt32 weiterentwickeln kann, sein Niveau hält oder gar dahinter zurückfällt. Schon bevor erste Albumsongs releast wurden, veröffentlichte Takt32 den Track „Vor dem Album“ in dem er ankündigte, einmal mehr gegen das Establishment zu schießen, seine Gang stolz zu machen und dabei auf Kategorien zu scheißen. Zusätzlich erschien ein Album-Trailer, der zwar nur 65 Sekunden lang ist, aber eine philosophisch-poetische Beschreibung liefert, worin die Weiterentwicklung Takts bestehen soll. Nach der großen Hommage an seine Entourage auf seinem letzten Album war die Erkenntnis: „Die Antwort auf die Frage wer ich bin, ist unendlich und doch schreit sie nach einer Reaktion.“

Jumpa – der Mann hinter Takt32

Um nun zu „ID“ zu kommen: Die Beats wurden fast komplett alleine von Jumpa produziert, mit Ausnahme von „Glück“ und „Laber nicht“, bei denen Nikki3k bzw. Nico Chiara ihre Hände mit im Spiel hatten. Es ist größtenteils ein düsterer Straßensound, den Jumpa da verfolgt, mit viel Inspiration aus dem Süden der USA. Bei den Hooks wurde stellenweise mit den momentan sehr beliebten Autotunes-Effekten gearbeitet. Jedoch bleiben sie unaufdringlich und steuern dem Gesamtarrangement etwas bei, statt es, wie so oft, total zu überschatten. Außerdem sind die Hooks wesentlich poppiger als auf dem Vorgänger, vertragen sich aber weiterhin gut mit dem aggressiven Rap-Stil Takts und Jumpas dunklen Synthie-Beats. Gäste auf dem Album sind neben FX und Liquit Walker auch Chima Ede und Lü Rique.

Takt32 – ein kluger Junge von der Straße

Vor allem in Songs wie „110“ und „Was wäre“, aber auch „100 Bilder“ kritisiert Takt soziale Missstände und mischt allgemeine gesellschaftskritische Argumente mit den eigenen Erfahrungen. Gentrifizierung, rassistische Übergriffe und Polizeigewalt sind bevorzugte Angriffspunkte. Seine klugen und radikalen Positionen verpackt er in lange, straighte Reimketten:

„Zu idealistisch – ich weiß
jeder kämpft weiterhin mit sich allein
jeder dreht weiter, wie Hamster sein Kreis
fressen die Lüge vom Fleiß“
(„100 Bilder“)

oder:

„(…) was wär‘, hätte ich damals nicht geackert bis zum umfall’n?
Hätte ich dann Michael noch gesehen vor seinem Unfall?
Hätte Respekt vor den Bullen
Hätte ich nicht gesehen, wie sie uns vor meinen Augen umknall’n“ („Was wäre“)

Aber auch die Musikindustrie bekommt ihr Fett weg:

„Was wäre Musik, nicht nur scheiß Industrie/ Keine Preispolitik, sondern einfach Musik?“ („Was wäre“)

Die klassischen Geschichten über das Leben auf der Straße sind aber Hauptbestandteil des Albums. „Dis wo ich herkomme“ ist beispielsweise eine Huldigung Berlins, seiner dreckigen Straßen und dem nicht immer einfachen Leben im Block. Das Pendant zu Samy Deluxe‘ einschlägig bekanntem Song mit fast gleichem Titel also, bloß nicht so anbiedernd. Denn Takt guckt ganz genau hinter die Fassade der deutschen Einheit, die eben nicht so funktioniert, wie sie es sich gern auf ihre Fahnen schreibt.

Der stärkste Song ist jedoch „Hungrig“, den Takt gemeinsam mit FX und Liquit Walker bestreitet. Beide Gäste liefern gut ab und die Hook ist catchy as hell. Die drei sind das ausgehungerte Rudel, das in den Startlöchern steht, um die Beute zu jagen – und diesen Hunger spürt man in jeder Zeile:

„Mehr Angst vor meinem Leben, als dem Tod zu begegnen
Ich zerreiß‘ ihre Verträge, ich will viel mehr
Hör das Knurren in meinem Magen, ah, bis hier her
auf der Jagd schon seit Jahren“ (Takt32)

Wo bleibt die Personality?

Auf die Frage, wer er ist und die sich selbst zugesprochene Unendlichkeit, liefert Takt32 leider nicht viel mehr Antworten als bereits auf Gang. Philosophisch natürlich interessant, die eigene Person nicht als eine abgeschlossene Einheit zu fassen, sondern sich als Vielheit zu begreifen. Auf dem Album ist allerdings das „Viele“ eher die politische Lage und seine Gang. Kein Seelenstriptease. Keine persönlichen Abgründe. Keine Antworten. Schade, denn wäre der ein oder andere persönlicherer Track auf dem Album, beispielsweise ein Storyteller, hätte das Album noch ein bisschen mehr Tiefe bekommen. Takt32 liefert gemeinsam mit Jumpa auf „ID“ ein großartigen Street-Sound mit eingängigen Hooks und wachen Raps – und bleibt einer der Wenigen, der deutschen Straßenrap mit versierten politischen Aussagen verbinden kann. Deshalb bleibt das Album bombe, das eine perfekte Länge hat und sagt was gesagt werden muss.