Review: Ahzumjot & Lance Butters – Die Welle

„Auch für mich sind Festivals wie Klassentreffen, denn meine Klasse bestand auch nur aus Deppen“ (Lance Butters)

Zwei Typen, gut befreundet, sitzen zusammen mit 50 anderen im Großraumbüro. Acht Stunden am Tag, fünf Tage die Woche. Die zwei wollen einfach nur gute Arbeit abliefern, was Neues und Eigenständiges machen. Ihre Kollegen jedoch liefern nur Standard ab. Es fehlt ihnen an Kreativität und Willen. Und das Schlimmste ist, dass der Chef die Pille dann auch noch schluckt. Er ist zufrieden mit der Arbeit des Büros. Nach der Arbeit dann treffen sich die zwei Typen noch auf ein Bier und einen Joint, um sich mal richtig über die Kollegen auszukotzen. An dieser Stelle beginnt „Die Welle“.

Lance Butters und Ahzumjot sind vorsichtig formuliert not amused. In diesem Sommer sagte letzterer, der deutschen Musik fehle es an Identität, und Lance war noch nie bekannt dafür, ein Freund der Szene zu sein. So ziehen die beiden nun zusammen die Schwerter, um Deutschrap einen Kopf kürzer zu machen. Die Feindbilder werden schnell klar: mittelmäßige Rapper, Rapper, die Amis imitieren, Rapper, die Franzosen imitieren, alte Rapper, die lieber ihren Garten pflegen sollten, anstatt zu rappen, sich für den Markt verändernde Rapper und Rapper, die auf den Trapzug aufspringen.

Mit der harschen Kritik an der Szene setzten die beiden jedoch gleichzeitig die Messlatte für sich selbst entsprechend hoch. Wer ein großes Maul hat, muss schließlich dann auch liefern. Beginnen wir bei den Produktionen, die alle von Ahzumjot stammen. Dieser bleibt nicht beim Sound von „16QT02: Tag Drei“ stehen. Die Instrumentals sind zwar weiterhin reduziert, jedoch noch akzentuierter und vielseitiger. Das ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack, aber genau das wollen die beiden auch schließlich: sich abheben vom Mittelmaß.

Lance, den man eigentlich nur auf Bennett Ons Produktionen kennt, funktioniert mit dem für ihn neuen Sound optimal. Sein Kaugummi-Flow und die abschätzigen Sprüche kommen auf den ausgedünnten Instrumentals absolut on point. Die Stimmfarben der beiden Rapper funktionieren ebenfalls hervorragend miteinandern. Und obwohl Ahzumjots Flow deutlich variantenreicher daherkommt, stiehlt er seinem Partner nicht die Show. Viel mehr ergänzen sich die beiden hervorragend.

Der einzige Kritikpunkt ist die thematische Einseitigkeit. Es wird pausenlos gegen die Rapszene gefeuert und das leider nicht ganz so kreativ, wie es zum Beispiel ein Audio88 und Yassin machen. In den Songs arbeiten Lance und Ahzumjot sich an den allgemeinen Strömungen ab und verzichten bis auf eine Ausnahme auf Namedropping. Trotz der Laufzeit zeigt das Thema leichte Abnutzungserscheinungen. Da kommt „Die Welle“ das EP-Format zugute.

Allerdings ist der Titeltrack, der den Schlusspunkt bildet, so heftig, dass die thematische Schleife kaum negativ auffällt. Auf Albumlänge wäre es vielleicht zum Problem geworden. Doch „Die Welle“ ist eine EP – und zwar eine verdammt starke. Inhaltlich und musikalisch stringent. Mit zwei Rappern im Angriffsmodus, die Rapdeutschland gekonnt herausfordern.

Der Abend, an dem sich die zwei Typen getroffen haben, um über ihre Kollegen herzuziehen, ist lang geworden. Es gab viel zu bereden. Am nächsten Morgen sitzen sie aber wieder zwischen all den anderen. Ob sie auf die Ansagen der beiden Querulanten reagieren, ist eher zweifelhaft. Aber das war wahrscheinlich auch gar nicht das Ziel. Es ging darum sich abzugrenzen, sich gegen „Die Welle“ zu stemmen. Und Ahzumjot und Lance Butters machen auf der EP ihren Job als Fels in der Brandung nicht nur ordentlich, sondern richtig gut.