Audio88 & Yassin – Halleluja [Review]

Ob „Halleluja“ nun EP oder Album ist, spielt keine Rolle – denn abseits irgendwelcher Alman-Kategorisierungen handelt es sich bei den acht Anspielstationen nicht nur um ein (Spoiler: verdammt gutes) Release, sondern vor allem auch um einen Verhaltenskodex. Einen Knigge, der dir hilft, kein Spast zu sein. Sollte jemand etwa seinen Döner in der U-Bahn verputzen, die Tastentöne seines Handys laut gestellt haben oder auf der linken Seite der Rolltreppe stehen, so wird er in der Hölle schmoren. Dieses Konzept wird aber nicht so stur durchgezogen, wie es Titel und Artwork vermuten lassen – biblische Bezüge finden sich hier und da, aber eher als loses Motiv. Als grober Deckel funktioniert die Predigerrolle hervorragend.

Statt theologischer Referenzen ziehen sich – sogar für Audio88 & Yassin Verhältnisse – sehr viele Rap-und Selbsteferenzen und Querverweise durch „Halleluja“. Von Haftbefehl bist Wu-Tang Clan wird alles zitiert, was nicht bei drei auf den Bäumen oder, schlimmer, wack ist. Das fügt sich ganz hervorragend in den Kontext, denn Seitenhiebe sowie wirklich fundierte und präzise formulierte Kritik am Rapgeschehen – oder einfach gut gemeinte Ratschläge, wie die beiden Herren selbst es nennen – finden sich immer wieder. Zwar fußen lediglich „Asia Box“ und „Beat Konducta Brandenburg“ inhaltlich auf dieser Kritik, aber kaum ein Song kommt vollständig ohne aus. Auf „Halleluja“ werden besonders 08/15-Plastikbeat-Produzenten aufs Korn genommen. Zeilen wie „Eure Beats klingen wie Hausaufgaben von der SAE“ oder „Schreib 16er auf Textblätter, als wär’s ein Formular“ garantieren eine hohe Treffsicherheit.

Neben dem bereits Monate im Voraus veröffentlichten „Schellen“, in dem sich die beiden auf beißend zynische Art in ekelhafte Deppen hineinversetzen, stellen die zwei Solotracks der Protagonisten die Highlights dar. Yassins gnadenlose Abrechnung mit sich selbst kommt ehrlich und schamlos daher wie bisher kaum ein deutscher Rapsong. Die kritische Selbstreflektion, die ihn als „Jammerlappen“ entlarvt, lässt einen unweigerlich auch sich selbst hinterfragen. Audio88s Solonummer „Weshalb ich Menschen nicht mag“ hingegen richtet sich nicht gegen sich selbst, sondern gegen falschen Stolz und blinden Patriotismus. Die hasserfüllte die Delivery, der durchweg zitierfähige, skizzenhafte Text, der in einem kraftvollen „Relativieren ist niemals eine Meinung!“ gipfelt und der wuchtige Beat, der einen mit seinem boshaft umherschlängelnden Synthie, der düsteren Bassline und den mächtigen, raumfüllenden Drums regelrecht überrollt, erschaffen ein derart atmosphärisches und stimmiges Bild, dass sogar das darauf folgende „Schellen“ fast schon harmlos wirkt.

Neben MecsTreem, aus dessen Maschinen erwähntes Beat-Ungetüm stammt, zeichnen KevBeats, Yannic, Torky Tork, Fid Mella, Dexter, Farhot und Yassin selbst für die Instrumentalisierung verantwortlich. Cuts gibt es außerdem von Breaque, der auch als DJ des Duos fungiert, auf die Ohren. Eine griffige Zusammenfassung des Sounds ist kaum möglich – während erwähntes „Warum ich Menschen nicht mag“ einem die Nackenhaare aufstellt eröffnet der Titelsong „Halleluja“ mit Christen-Rock-Klassiker „Jesus is just alright“ Vocals und munter umherflirrenden Gitarren, Orgeln und 8Bit-Sounds. „K.R.A.U.M.H.“ hingegen erzeugt mit seinem verspulten Low-BpM Instrumental eine behäbige Tristesse, während „Beat Konducta Brandenburg“ eher einem minimalistischen Ambiente als einem Beat gleicht – ein Umstand, der sich hervorragend mit dem Text verträgt.

Was sich aber doch zusammenfassend sagen lässt: „Halleluja“ ist hervorragend und mit viel Liebe zum Detail produziert. Trotz der sehr verschieden klingenden Beats hat man nicht das Gefühl, eine willkürliche Compilation, sondern ein von vorne bis hinten durchdachtes Gesamtwerk zu hören. Das liegt zum einen am Spannungsbogen, dessen immer zorniger werdende Klimax alles voran treibt, zum anderen daran, dass jedes Instrumental auf die jeweiligen Lyrics zugeschnittenist, so dass es sich meistens nicht nur um einen atmosphärisch passenden Sound handelt, sondern Text und Musik eine Einheit bilden. Die Textlastigkeit von „Halleluja“ gewinnt so an Charme und Leichtigkeit, was sich zwar sehr von der sperrigen, kantigen LoFi-Kost vergangener Tage abhebt, das Hörerlebnis aber auch weit zugänglicher gestaltet als es noch bei den Herrengedecken der Fall war.