SXTN – Asozialisierungsprogramm [Review]

Sexismus in Rapsongs ist absolut gängig. Auch wenn man im Rap nicht jedes Wort auf die Goldwage legen sollte, gibt es schon einige Passagen, die Frauen nicht nur reduzieren, sondern bewusst erniedrigen und entwürdigen. Manche regen sich auf, manche führen Emanzipationsdebatten und manchen ist es scheißegal  – ich bin mit meiner Einstellung irgendwo zwischen alledem, die Aufregung wechselt, je nach Stimmung (wie das bei Frauen angeblich eben so ist).

Was hat das mit Juju und Nura von SXTN zu tun? Einiges. Die beiden  Berlinerinnen haben sich zusammen getan und ein Video von einer unfassbar wilden Party mit Badeschaum, Randale und halb- bis ganz nackten Weibern gedreht, alles veröffentlicht und machen damit – ja, was machen sie eigentlich genau? Generell machen sie nicht anderes als das, was Bass Sultan Hengzt, Frauenarzt oder Orgi auch machen. Rap gefüllt mit Schimpfwörtern und einer „Fick dich“-Attitüde. Nur mit dem kleinen feinen Unterschied, dass sie eben Frauen sind. Das scheint für viele immer noch eine kleine Sensation zu sein, wieso SXTN womöglich deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommen haben als ihnen zusteht.

Dabei ist eigentlich nicht viel dahinter. Natürlich bleibt die Assoziation vom feministischen Aufstand nicht aus, wenn zwei Mädchen genauso rappen wie ihre bärtigen Kollegen. Also war mein anfänglicher Gedanke: „Gute Idee, sich mit einer Prise Ironie über die Themen zu stellen, über die man sich als Frau aufregt und der Reduzierung mit Humor zu begegnen.“ Interessant rübergebracht würde ich das feiern. Darum habe ich wirklich interessiert „Deine Mutter“ und vor ein paar Tagen auch das ganze Werk gehört. Aber schnell wurde mir klar: Juju und Nura scheinen sich weder darüber aufzuregen, was im Rapgame manchmal passiert – ganz im Gegenteil, sie unterschreiben mit ihrer Attitüde im Grunde die Klischees, die ihre männlichen Kollegen im Game so verbreiten – noch präsentieren sie etwas wirklich Interessantes oder Neues. „Entfesselt, laut und unverschämt“ , schreibt die FAZ über die beiden. Gut, das mag älteren Redakteuren, die versuchen, die achso wilde Partyjugend zu verstehen, eigentlich aber nur ihre verdammte Ruhe wollen, vielleicht so vorkommen. Ich aber finde: Absoluter Standard.

Dabei muss man die Latte nicht mal so arg hoch legen. Zwei Frauen, die einfach machen, was sie wollen, ohne Tabus –  das könnte auch schon was hergeben. Könnte auch als entspanntes Statement für Gleichberechtigung durchgehen. Muss es aber nicht. Machen, worauf man Bock hat, reicht im Prinzip auch schon – wenn die Musik wenigstens knallen würde. Wenn SXTN aber einen Part von King Orgasmus One nehmen und ihn einfach nur textgetreu nachrappen, ist das weder ein Statement noch provokant noch interessant. Da kann man natürlich jede Menge reininterpretieren, jeder was er will. Und genauso beliebig, wie das jetzt klingt, ist es auch.

Ansonsten geht es weniger um Sex als um normale Alltagsszenarien, z.B. kein Geld zu haben, broke zu sein oder besoffen im Kiez unterwegs zu sein. Hipster dissen, sich einen reinlöten und allgemein ein bisschen rumpöbeln – das ist grob zusammengefasst das „Asozialisierungsprogramm“ der beiden – nichts sonderlich Spektakuläres, ganz ordentlich gerappt, ganz gute Beats, aber nichts besonders aufregendes. Trotz der unzähligen F-Wörter, die man in knapp 30 Minuten zu hören bekommt, schockt das zu keiner Zeit. Leider.