Porta One – Umwege [Review]

Porta One hat keinen nine-to-five-Job. Porta One ist auch kein besonders fröhlicher oder gar lebensfroher Zeitgenosse. Mit festen Bindungen hat Porta One es auch nicht so. Stattdessen ext der bekennende Junk lieber eine Flasche Bourbon, schnappt sich einen Beat von Dubios oder Kruk und schreibt einen Text. Der kann dann in zwei Richtungen gehen: Entweder strotzt er vor brachialen Punchlines, die von exzessivem Alkohol- und Drogenkonsum, Misogynie durchsetzt sind, oder er badet in Selbstmitleid. Die Grenzen sind dabei oft fließend.

„Ja, ich bin ein Hartzer, wie die meisten Alki-Penner / Die den ganzen Tag mit ihrem Bier vor Aldi hängen // Ein kaputtes Spiegelbild dieser kranken Welt / Das sich mit klauen und betrügen über Wasser hält“ („Kaputt und nichts gelernt„)

Das klingt jetzt erstmal ziemlich plump und plakativ – ist es ja auch gewissermaßen – Porta One ist aber ein Künstler mit Ecken, Kanten und diversen Alleinstellungsmerkmalen, was „Umwege“ zu weit mehr, als nur einer mittel-tröstlichen Hollywood Hank-Alternative macht. Wenn der Ostdeutsche auf „Was bleibt“ Stichwortartig von einer durchzechten Nacht berichtet, wird die Erzählung durch erfrischende Details und eine ehrliche Vortragsweise lebendig. Die dichten Impressionen lassen vom Kleinen ins Große schließen, ohne dabei großartig weltbewegend zu sein. Zwischen den Zeilen wird Portas Persönlichkeit greifbar, was einen Großteil der Faszination von „Umwege“ ausmacht.

Erzähl mir was von deinen Sorgen und Problemen / Für die du keine Lösung hast und die dich morgen wieder Quälen // Ein‘ guten Rat hab‘ ich für dich wahrscheinlich nicht / Doch du sollst wissen, dass du nicht alleine bist“ („Was bleibt„)

Es scheint, als wäre Porta One zu abgestumpft, um sich einfach hinzusetzen und seine Gefühle niederzuschreiben – das was er durchblicken lässt, geschieht womöglich nicht einmal bewusst. Wenn auf „Atréju“ der Versuch unternommen wird, die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten, dann gleitet es ohnehin stark Richtung Misanthropen-Kitsch ab. Viel befriedigender ist es einfach, wenn der Mensch hinter dem NoHope Musik-Künstler (Der Labelname illustriert ganz hervorragend, was ich mit Misanthropen-Kitsch meine) zwischen den Zeilen durchsickert.

Oder wenn Porta einfach auf die Kacke haut und technisch beeindruckende, gewalttätige Punchlines mit einer Delivery wie ein wütender Ochse raus ballert. An dieser Stelle muss allerdings doch der Hollywood Hank-Vergleich herhalten – wem der selbsternannte Soziopath ein Begriff ist, der erkennt ihn unweigerlich in Portas Reimtechnik wieder. Das sollte man aber nicht falsch verstehen: Das ist nämlich etwas sehr gutes! Portas Reimtechnik ist unvorhersehbar, unverkrampft, blitzsauber, hat aber trotzdem genug Ecken und Kanten, um stets interessant zu bleiben. Viele  Punchlines leben sogar nur von der Reimtechnik – funktionieren so aber ganz hervorragend. Ein Nomenreim jagt den nächsten, die Pattern und Kombos sind abwechslungsreich gestaltet und häufig verkettet, konstruiert wirkt es aber zu keiner Zeit – nur gelegentlich wird ein unnötiges Adjektiv angehängt, um den Reim zu verfeinern.

HipHop ist der Motor, der mich schon morgens antreibt / Ich bin so dope, ich könnte Glatt mit Hollywood verwandt sein //  Ich durchbohre dich mit Punchlines und form‘ aus dir nen Handball /bin ich mit dir fertig hängst du voll auf Morphium in der Anstalt // Ich würd‘ morden für nen ganz kleinen Schluck vorzüglichen Branntwein / Ich brauch den Stoff, weil mein Hirn so geordnet und entspannt bleibt“ („Roh„)

All das funktioniert natürlich um so besser, wenn die Zusammenarbeit mit den Produzenten gut läuft – und das tut sie! Bis auf zwei Ausnahmen wurde das gesamte Album von Dubios und Kruk produziert, wodurch ein stimmiger, zusammenhängender und passender Soundteppich ausgelegt wurde. Der besteht hauptsächlich aus düsteren, treibenden, basslastigen Beatbrettern der Marke Necro oder Stoupe the Enemy of Mankind. Einen großen Wermutstropfen gibt es aber und der liegt in der Instrumentalisierung. Nicht in der Leistung der Beatbastler, sondern im Konzept. Drei von 14 Songs abzüglich Intro und Outro sind Remixes. So weit halb so wild, gegen einen oder von mir aus auch drei Remixes ist nichts einzuwänden, wenn sie dope sind. Auf einem richtigen Album hat das zwar eigentlich nichts zu suchen, aber okay.

Problematisch ist es, wenn die Remixe absolut unstimmig sind – ausgenommen „Kaputt und nichts gelernt„, dem absoluten Highlight von „Umwege„. Grund dafür ist aber, dass Portas Betonungen sehr mit dem jeweiligen Instrumental harmonieren und man auch hört, dass bereits auf die Beats geschrieben wurde. Wenn man das dann mit einem völlig anderen Instrumental spickt, klingt einfach alles falsch. „Grobian„, der im Original mit bedrohlich drückender Bassline und schrägem Pianosample treffend die brutalen Punchlines untermalt, klingt im Remix wirklich von vorne bis hinten verkehrt. Der Beat an sich ist brillant – nebelige Synthieflächen, nervöse Snares und ein verhangene Basspanorama würden einem besinnlicherem Song eine gute Bühne bieten. Der müsste dann aber eben ganz anders geflowt, betont und vorgetragen sein – und von Zeilen a la „Du klappst zusammen wie n Liegestuhl, wenn ich dir Lauch in den Wanst box‘ / Dein Hauptnahrungsmittel sind lauwarme Cumshots“ absehen.

Den Gesamteindruck trüben diese Fremdkörper zwar nicht gravierend, doch die Originalversionen sind nicht nur losgelöst betrachtet einfach besser, sondern hätten „Umwege“ auch weiterhin abgerundet. Wobei das Album dennoch in sich geschlossen und stimmig ist – als solches also funktioniert. Sicherlich ist es nicht Jedermanns Sache und eine schwer verdauliche Angelegenheit – aber NoHope Musik bedienen nunmal eine kleine, eingeschworene Zielgruppe, die von diesem Kosmos aus Misanthropie, Soziopathie und Polytoxikomanie  von fasziniert ist. Ach und natürlich von der geballten Ladung Rapskills, die eigentlich im Vordergrund steht.