No Bullshit: Warum ich Hanybal so sympathisch finde

Hanybal muss man niemandem mehr vorstellen. Kaum ein Monat vergeht, ohne dass der symphytische Frankfurter im Gespräch ist. Mal weil er erzählt, dass er mit Chris Brown Stress hatte, wie er P.Diddy Frankfurt-Verbot erteilt hat oder von Süßigkeiten und Hippie-Kraut schwärmt. Dabei sind Hanybals Aussagen nicht nur unterhaltsam, sondern neben all dem Müll, den viele seiner Kollegen verbreiten, eine erfrischende und oft erstaunlich kluge Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse. Glaubst du nicht? Ich erklär dir, warum:

Gesellschaftliche Analyse von der Straße

Wenn Hany über Politik spricht, fügt er in Interviews oft hinzu, dass er zwar Themen anspricht, sich aber nicht als politischer Rapper sieht. Schade eigentlich, denn Hany hat wirklich einige sehr kluge Positionen, bei denen er konträr zu dem common-sense der Rap-Szene steht.

Hany über Verschwörungstheorien

In der zweiten Hotbox-Folge, die Marvin Game gemeinsam mit dem Frankfurter gedreht hat, geht es neben dem Indizierungs-Antrag der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) auch um die Theorie, dass die Welt eine Scheibe sei und es Kontinente geben könnte, von denen man nicht wisse. Die obskure flat-earth-theory ist leider relativ weit verbreitet – insbesondere in Kifferkreisen. Hany, selbst passionierter Kiffer, argumentiert freundlich und mit viel Humor dagegen:

… Ein guter Freund von mir, gä, Hebdo, der fährt immer wenn er in Marokko im Urlaub ist mit Jetskis und er hat auf alles geschworen und ich glaube ihm wenn er auf alles schwört. Er fährt mit dem Jetski immer so weit rum. Er fährt überall rum – üüüüberalll. Ahhh Bruder, da wo der hinfährt kann kein anderer hinfahren mit Jetski. Keine Ahnung wie er das schafft und der hätte es gemerkt, wenn es irgendein anderen Kontinent gegeben hätte (…) allein deswegen glaub ich nicht dran.

Zuvor witzelte Hany, dass er nicht glaube, dass Erdbewohner hinsichtlich ihres Wohnorts verarscht werden, aber eventuell Springfield unter einer Kuppel liege – eventuell.

Hany über Rassismus

„Die Situation ist schon immer beschissen für uns Schwarzköpfe. Das ist kein Thema, das nur in die aktuelle Zeit passt oder ein neues Phänomen ist. Was soll ich sagen: Kranke Welt.“

Hanybal nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, sich gegen Rassismus zu positionieren. Nicht unbedingt hinter Transparenten und vor Schulklassen – eher auf seine eigene Art. „Wenn er das sieht, der Spasti, Sarrazin – Kriegt in Frankfurt nur das hier“Hanybal zeigt im Video zu „Außer Kontrolle“ nach dem Part den Mittelfinger in die Kamera. Sich so offen und unaufdringlich gegen Rassismus zu stellen, scheint für Hanybal  eine logische Konsequenz der Frankfurter Straßen zu sein.

Hany über Frauen

„… sowas wie ‚Guck ‚mal was die Kurzes anhat, das hat sie doch provoziert‘ geht gar nicht. Es gibt natürlich Frauen, die das möchten. Aber nur weil eine Frau sexy angezogen ist und feiert oder was auch immer macht, da gibt es keine Berechtigung, die anzufassen oder sonst was. Wer sowas macht ist einfach ein kleiner Huänsohn.“

Auch wenn die Worte, die Hany wählt, nicht direkt die eines Feministen sind, klärt er doch ein paar Grundregeln im Umgang mit Frauen. Sie sind eigenständige Menschen, deren Entscheidungen zu berücksichtigen sind, und deshalb hat kein Mann das Recht, eine Frau ungefragt anzufassen.

In der Deutschrap-Szene hat sich das noch nicht bis zu jedem rumgesprochen. Umso schöner, dass Hany da klare Grenzen hat. Interessant ist auch, dass Hany seit Tag eins die sehr liebevolle Anrede „Schatzi“ verwendet – oft in gegenderter Version.

Hany über Kapitalismus 

„Ach egal, was gibt der Markt her? Die kapitalistischen Hunde /Machen im Grunde – Menschen zu Kunden // Das System – funktioniert nur für die Reichen / Moderne Sklaverei – Weil die Löhne gerad‘ so reichen“

Das Leben am Existenzminimum ist in so manchen sozial schwachen Vierteln in Deutschland ein Problem. Auch in den Straßen in Heddernheim/Nordweststadt, in denen Hanybal aufgewachsen ist, ist das so. Der Sozialbau vereint all die, die eine Bezuschussung vom Staat brauchen. Viele arbeiten im Niedriglohnsektor – in den Urlaub fahren ist selten oder gar nicht möglich. Andere haben ihren Job verloren und ihnen fehlt schlicht die Perspektive. Drogen sind da ein Nebenverdienst, den man schwarz nebenher machen kann. Hanybal sieht das Problem im System. Auch wenn er es knapp formuliert, verfällt er nicht in die so beliebte verkürzte Kapitalismuskritik.

Hany – ein ganz normaler junge von der Straße?

Hanybal heißt mit bürgerlichem Namen Sascha-Ramy Nour, ist mittlerweile 33 Jahre alt und rappt schon seit 2007. Bevor Haftbefehl ihn unter seine Fittiche nahm, war Hanybal gemeinsam mit seinem Rap-Kollegen Solo unter dem Namen 439 bei Azads Label Bozz Music unter Vertrag. 439 arbeiteten an dem Mixtape „439mm“, das durch nicht ganz geklärte Umstände im Netz landete. Danach verlor Hany die Motivation, weiter an seiner Musik-Karriere zu feilen und hörte auf zu rappen. Warum er trotzdem Rapper wurde? Das Leben schreibt wohl die besten Geschichten. Haftbefehl, der den Straßenrapper noch aus seiner Zeit von 439 kannte, wollte ihn auf seinem Label und reaktivierte den Heddernheimer. Von selbst hätte er wohl nicht mehr angefangen zu rappen.

Statt ihm Desinteresse oder gar Faulheit vorzuwerfen, muss aber doch gesagt werden: Er ist Realist. Die Erfahrungen aus seinem Umfeld sind wohl selten mit Erfolg gepriesen. Auf Frustration folgt oft desillusionierte Lustlosigkeit.  Wie viele Musiker können wirklich von ihrer Musik leben? Die neoliberale Idee: Wer hart arbeitet, wird auch belohnt. Der Poesiespruch: Träume nicht dein Leben, sondern Lebe deinen Traum. Die Ideologie: Vom Tellerwäscher zum Millionär. Sie gelten lange nicht für alle und sind Teil eines Glaubens an Chancengleichheit und die Erfüllung seines Lebens durch einen Beruf. Hanys fast schon genervte Antwort, die er mittlerweile in vielen Interviews gegeben hat, bleibt trotzig einsilbig. „Hattest du einen Plan was du machen wolltest? -Nö!“ Kinder der Mittelschicht haben da höhere Erfolgschancen, ihre Ziele zu erreichen – Kids von der Straße eher nicht. Also warum große Träume, wenn die Enttäuschung bedeutet tief zu fallen.

Vielleicht ist Hanybal genau deshalb weder belehrend noch argumentiert er mit erhobenem Zeigefinger – stattdessen ist er aber mit einer guten Intuition ausgestattet und schafft es, aus seiner eigenen Geschichte und seinen Erfahrungen kluge Rückschlüsse zu ziehen. Natürlich gibt es auch bei ihm gelegentlich Ausfälle, wie zum Beispiel seine Vermutung bei laut.de, in der er behauptete, Clinton hätte Trump und die Wahl gekauft. Niemand ist perfekt. Anders als bei vielen seiner Kollegen aber überwiegen bei ihm einfach die klugen, durchdachten und reifen Ansichten. Dafür an dieser Stelle einfach mal: Props.