Weibliche Perspektiven pushen: Eine Antwort auf forms Kommentar zu Sexismus

„Rape Culture“ – das lässt sich nicht leugnen – ist seit jeher Teil der HipHop-Kultur. Der Politrapper form spricht deshalb in einem ausführlichen Artikel über die Vergewaltigungsfantasien deutscher Rapper und den Sexismus der Szene.

Dabei zeigt er klare Kante: Gewalttätige Sexualfantasien haben in Rap Texten nichts zu suchen. Mehr Mut und entschlossenes Handeln sind von Nöten um gegen Vergewaltiger und deren Freunde – die es, seiner Meinung nach, zuhauf im deutschen Rap gibt – vorzugehen. Verwunderlich findet er das sexistische Klima nicht, immerhin seien fast ausschließlich Männer in den hohen Positionen der szeneinternen Labels und Vertriebe (und in den großen Majorlabels sowieso). Kritische Stimmen seien in den größeren HipHop-Medien Fehlanzeige. Trotzdem ist er, auch wenn er sich so aufspielt, keinesfalls der Erste, der Sexismus als Problem im Deutschrap anspricht.

Denn form übersieht, in klassisch männlicher Manier, die Arbeit und Problematisierung, die vor allem von Frauen seit Jahren in und für diese Szene gemacht wird. Zehn Minuten Recherche reichen aus, um zum Thema Sexismus kluge Positionen auf einschlägigen HipHop Medien zu finden (übrigens fast alle von Frauen).

Solche Positionen in einem sowieso schon extrem langen Kommentar hinten runter fallen zu lassen ist für alle Rap-Journalist*innen (es gibt uns, wir haben vielleicht nicht alle sonderlich viel Einfluss – da hat form total Recht) ein Schlag ins Gesicht. Schließlich sind wir es, die sich an vorderster Front mit unqualifizierten Kommentaren, zweideutigen Angeboten und fehlender Anerkennung rumschlagen müssen. Nichtsdestotrotz zeigen Fälle, wie Helen Fares,  die bei HipHop.de aufhörte aufgrund von frauenverachtendem Verhalten, dass form den Nagel auf den Kopf trifft.

Frauen in der Szene gehören gepusht

Männer rechtfertigen ihr Verhalten untereinander oft so (es ist keinesfalls zu pauschalisieren – so wie immer, wenn über Frauen und Männer gesprochen wird): Reine Männercliquen seien oft „gröber“, es gäbe „derbere Späße“ und insgesamt müsse man sich unter Männern nicht so krass „benehmen“ (hier geht es um frauenverachtendes Verhalten). Während in gemischten Cliquen oder sobald Frauen dazu kämen, sich alle „zusammenreißen“ würden.

Bands erzählen von solchen Situationen, wenn sie auf Tour sind. Ihr Hygiene- und Sozialverhalten verändert sich, sofern Frauen mit dabei sind. Logo. Witze und bescheuerte Kommentare lassen sich natürlich nicht so einfach bringen, wenn die Person gegenüber davon getroffen wird. Schon gar nicht, wenn sie es nicht unkommentiert lässt. Passiert zwar trotzdem, aber wahrscheinlich seltener.

So ist das auch im Rap. Rap ist in großen Teilen immer noch eine Salami-Party. Viele Männer und wenige Frauen. Gäbe es mehr Frauen, würde sich das Verhalten um einiges verändern. Dieser Schritt ist unumgänglich. Es müssen mehr Frauen in Führungspositionen bei Labels, Vertrieben und auch in den HipHop-Medien (immerhin, das Splash! Mag und mzee.com haben mittlerweile eine Chefredakteurin).

Aber natürlich müssen Frauen auch ermutigt werden, sich Dinge nicht mehr gefallen zu lassen. Am Besten können das Frauen untereinander. (Wer lässt sich schon gerne von einem Mann erklären, wie man sich gegen ihn durchsetzt?)

Jedoch bedeutet das nicht, dass Männer ihren Teil nicht dazu beitragen können: Frauen ernst nehmen und sich ihre Arbeit/Musik richtig anschauen, sie pushen und auf der Party nicht die Praktikantin angraben, sind schon mal die ersten Tipps, neben klassischen Regeln wie „Nein heißt Nein“.

Rap wird vielfältiger

Natürlich sind die großen Namen des Rap-Games Männer und Macker, aber es gibt gerade auch unter Künstlern ein Umdenken. SXTN, Eunique oder Ace Tee sind nur ein paar Namen weiblicher MCs, die mit genug Selbstbewusstsein auftreten und sich nichts gefallen lassen. Männliche Kollegen wie Goldroger, Megaloh oder Disarstar positionieren sich gegen Sexismus und denken Frauen mit. Außerhalb der deutschen Szene hat gerade Loyle Carner mit einer konsequenten Aktion von sich reden gemacht: Er ließ ein Zuschauer aus dem Saal schmeißen, weil er sich dem weiblichen Support gegenüber sexistisch verhalten hat. So geht das!

Sound- und Style technisch fächert sich Deutschrap mehr und mehr auf. Dementsprechend gibt es auch immer mehr Platz für Menschen, die keine Lust auf Vergewaltigungslines und Männerbündelei haben. Das sind im übrigen nicht „nur“ Frauen, Homosexuelle oder Transmenschen, sondern auch Männer, die nicht immer alles nach vorgelebten Mustern leben können oder wollen.

Fette Probleme bleiben

Und trotzdem hat form mit jeder einzelnen Zeile über die teilweise sehr ekelhafte deutsche Rap Szene und die dazugehörige Sprache recht: Sie ist ein Problem und das lässt sich nur lösen, wenn mehr und mehr Frauen, aber auch Männer, dem ganzen trotzen! Denn abgesehen davon, dass es frauenverachtend ist, gibt es Menschen ein vollkommen falsches Bild von Sexualität.

Frauen müssen nicht zu allem, was ihnen Männer vorschlagen, „Ja und Amen“ sagen. Sie dürfen anziehen was sie wollen, beim Sex zögern oder leise oder auch laut Nein sagen – Männer (auch kleine Jungs) müssen das sofort akzeptieren. Egal wie ärgerlich das für die eigene Lust ist oder dass irgendein aufgeblasener Rapper in seinen Songs etwas anderes erzählt hat.

Anzügliche Kommentare sind in den wenigsten Fällen Komplimente und meist einfach degradierend, genau wie Kommentare über die Figur.  Frauen müssen natürlich tun und lassen, worauf sie Bock haben, kein Mann hat ihnen da rein zu reden. Ganz zu schweigen davon, dass jeder Mensch seinen eigenen Zugang zur Sexualität hat, gilt eins trotzdem immer: Nichteinvernehmlicher Sex ist eine Vergewaltigung. Das ist scheiße und nicht cool.

Hier ein paar Texte zum Thema:

Broadly: Visa Vie über Deutschrap und Sexismus
Splash! Mag: Lisa Ludwig über ihre Probleme als Rap-Journalistin
rap.de: Vergewaltigungslines und Rap über Sex
rap.de: Sexismus im Deutschrap? Ein Kommentar zu Helen Fares, Visa Vie & Jule Wasabi
Splash! Mag: Loyle Carner wirft einen sexistischen Fan raus
Juice: Deutschrap hat ein Sexismusproblem