Warum es nicht klar geht, als Weißer das N-Wort zu droppen [Kommentar]

Ich hatte es bereits in meinem gestrigen Artikel zum Vorfall um DCVDNS kurz angerissen, warum es absolut nicht klar geht, als Weißer einfach so das N-Wort zu benutzen – auch nicht als Zitat oder ähnliches. Ein Blick in die Kommentarspalten zeigt mir aber, dass da noch erheblicher Klärungsbedarf besteht.

Zunächst mal: Das N-Wort ist ein durch und durch rassistisches Schimpfwort. Es stellt schwarze Menschen als Weißen unterlegen, als zur Sklaverei geborene, minderwertige Wesen dar. Jegliche Würde und Autonomie wurde und wird ihnen mit diesem Wort genommen. Aber sind doch nur Worte…? Nun, in diesem Wort stecken 500 Jahre Sklaverei, Kolonialismus, Völkermorde, schlimmste Verbrechen.

Daher ist es sehr verwunderlich, dass es überhaupt Leute gibt, die ernsthaft meinen, die Verwendung dieses Wortes rechtfertigen oder relativieren zu müssen. Jedenfalls, solange diese keine offen bekennenden Rassisten sind, denn die verwenden das Wort selbstverständlich.

Nun ist mir natürlich klar, was speziell im Rapkontext zu diesem Missverständnis geführt hat: Weißer Junge hört Rapmusik von Schwarzen, Schwarze benutzen das N-Wort, weißer Junge rappt die Texte nach – und benutzt ebenfalls das N-Wort.

Ich war mir selber lange nicht bewusst, dass das ein Problem ist. So, wie jemand, der nicht im Rollstuhl sitzt oder kein Kopftuch trägt, nicht weiß, was es bedeutet, sich unter diesen Umständen in der Öffentlichkeit zu bewegen.

Es gab für mich aber diesen einen Schlüsselmoment: Wenn ich betrunken bin, neige ich dazu, Zeilen von meinen Lieblingsrappern nachzurappen, gerne auch laut. Eines Abends saß ich vor einer Kneipe, ein Sommerabend. Es war das Jahr, als „Yeezus“ von Kanye West erschienen war, und ich hatte ständig Zeilen von diesem Album im Kopf. Nach ein paar Bier fühlte ich mich berufen, eine davon laut in die Nacht hinaus zu rappen. Rein zufällig kam auch das N-Wort darin vor.

Ein zufällig vorbei laufender schwarzer Mann schaute mich an. Ich würde nicht sagen wütend. Das auch, aber nicht nur. Sondern auch fassungslos. Ich war mir keiner Schuld bewusst, schaute einfach zurück. Er kam an meinen Tisch. Fragte mich, ruhig, gefasst: „Was hast du da gerade gesagt?“ Ich lachte verlegen, immer noch der Meinung, zu Unrecht kritisiert zu werden. „Na, gar nichts. Ich hab doch nur was nachgerappt“, murmelte ich. Sein Blick machte mich unsicher. Es steckte so viel Enttäuschung, so viel Wut darin.

Und er erklärte es mir. Geduldig. Erklärte mir, dass es für ihn wie ein Schlag ins Gesicht ist, wenn er dieses Wort von einem Weißen hören muss. Erklärte mir, dass es dabei scheißegal ist, ob das nur ein Zitat, nur eine nachgerappte Zeile ist, weil das verdammt noch mal keinen Unterschied macht. Mit diesem Wort wurden Millionen von Menschen entwürdigt, ihrer Menschlichkeit beraubt, versklavt, gefoltert, getötet. Von Weißen.

Mit fielen keine Gegenargumente ein. Es gab einfach keine. Dieser Mann hatte mir eine wichtige Lektion erteilt. Eine Lektion darüber, was es heißt, zu einer privilegierten Klasse zu gehören und gar nicht zu merken, was in anderen Menschen vorgeht. Wie man durch ignorantes Verhalten andere verletzt, ohne Sinn, ohne Grund.

Und seitdem ist mir ein für allemal klar, dass es keineswegs okay ist, als Weißer das N-Wort zu droppen. Es gibt ohnehin Stimmen, die sagen, dass es für niemanden okay sei – aber ganz ehrlich, ein Weißer wie ich hat das nicht für andere zu entscheiden. Dieses Wort richtet sich explizit gegen Schwarze und NUR gegen Schwarze. Also können auch nur Schwarze entscheiden, ob es für sie okay ist oder nicht. Weiße haben auf dieser Welt lange genug entschieden, was sie Nichtweißen so alles zumuten können, Beleidigungen sind da noch fast das harmloseste. Und doch lebt in solchen dämlichen und hässlichen Worten und ihrer unbedachten Verwendung die Schande von unvorstellbaren Verbrechen gegen die Menschlichkeit weiter. Und das muss nicht sein. Das darf nicht sein. Als allerletztes im Rap.

Und um nochmal konkret auf die Verwendung durch DCVDNS einzugehen: Ja, es war eine Anspielung auf Taktlo$$. Schön. Es ändert: absolut gar nichts. Er kann Taktlo$$ privat nennen, wie er möchte, solange dieser damit einverstanden ist. Aber: Sobald die Äußerung öffentlich fällt, ist es ein anderer Kontext. Und somit mindestens grob fahrlässig und unnötig. Ein Rassist ist er damit nicht. Aber ein Ignorant, der es besser wissen könnte.