Kool Savas – Wissen, Flow, Talent

rap.de: Was hat es eigentlich mit dem Gedicht von deinem Vater auf sich, das du bei "Nichts bleibt" verwendet hast?

Kool Savas: Das hat mein Dad für mich geschrieben, als er in der Türkei im Knast saß, aus politischen Gründen. Das Gedicht basiert auf einer Metapher, da geht es darum, Widerstand zu leisten. Er sagt, wenn du ein kleiner Fisch bist im Fluss – der Fluss stellt das Leben dar – dann ist es auch mal hart, gegen die Strömung zu schwimmen mit deinen Flossen. Du hast das Gefühl, du kommst nicht voran. Aber wenn du dich wie ein Frosch hinter einem Stein versteckst und nur darauf wartest, dass alles an dir vorbeizieht, dann bist du kein Fisch mehr, also kein Mensch mehr, oder kein wertvoller Mensch, sondern ein fischgesichtiges Wesen mit der Seele eines Frosches. Das finde ich sehr schön. Er musste das ja alles so umschreiben, weil die Briefe, die rausgingen, ja kontrolliert wurden. Ich mochte das Ding schon immer. Dieses Bild ist mir immer im Kopf geblieben. Wir mussten es natürlich schon stark kürzen, da hat er schon ein bisschen rumgeheult und meinte, noch mehr kann er da nicht rausschneiden, sonst ist der Sinn weg. Aber wir mussten es ja in sechzehn Takte kriegen, damit es ein anhörbarer Song wird. Mir ist das schon viel wert, ich hatte meine Großeltern schon auf den letzten Alben mit drauf. Ich weiß noch, als ich meine Oma auf mein erstes Album gepackt habe und sie kurz darauf gestorben ist, war das für meinen Vater eine sehr schöne Erinnerung an sie. Das ist einfach nochmal was anderes als ein Foto, die Stimme von einem festzuhalten. Was jetzt natürlich nicht heißen soll, dass mein Vater schon so alt wäre. Aber es ist schon ein schönes Ding, besonders bei diesem Song, der mir auch echt viel bedeutet. 

rap.de: Dein Vater war also ein Widerstandskämpfer. Trägst du das als Rapper weiter?

Kool Savas: In der Musik schon. Das ist ja genau das Ding, das ich in dem Song anspreche, diese Lektion, die ich von ihm gelernt habe. Dass die Dinge, die man tut, nichts wert sind, wenn man nicht daran glaubt. Wenn du nicht hinter dem stehst, was du tust, bist du eh ein Nichts. Deshalb kann ich HipHop auch nicht verkaufen. Natürlich will ich mit Rapmusik Geld machen, ist ja logisch. Natürlich will ich mir einen gewissen Lifestyle leisten können. Aber ich werde nicht Rap, meine Überzeugungen und HipHop verkaufen. Auch meinen Arsch nicht. Auch, wenn das ab und zu heißt, dass man gute Angebote ablehnt. Auch in letzter Zeit – mache Rapper denken, dass sie mit Geld alles kriegen können, dass sie nur fragen müssen und dann kommt man, weil man sich sagt, das ist so eine coole Aktion oder die 30.000 Euro für ein Feature kann ich gut gebrauchen. Das ist eine Menge Geld, aber kein Grund, alles zu verkaufen, wofür ich stehe. In der Hinsicht bin ich schon ein Widerstandskämpfer. Definitiv.

rap.de: Politisch aber eher nicht, oder?

Kool Savas: Nee, ich interessiere mich für Politik und setze mich damit auseinander. Das Problem ist nur, gerade jetzt in diesem Moment könnte es mich in den wahnsinn treiben, wenn ich zuviel darüber nachdächte. Das würde meine Musik und meine derzeitige Mission extrem beeinflussen, und ich könnte über diverse Themen nicht mehr großartig erzählen, wenn mir im Hinterkopf die ganze Zeit bewusst wäre, wieviele Menschen gerade zum Beispiel in Guantanamo gefoltert werden. Da kommst du dir ja lächerlich vor, wenn du sagst: Oh, der neue Turbo ist mein Traumauto. 

rap.de: Davor schützt du dich also ein bisschen?

Kool Savas: Es klingt voll krank, schon während ich es sage, merke ich, wie dumm das klingt. Aber in irgendeiner Form habe ich tatsächlich Angst, mir zuviele Gedanken darüber zu machen. Ich bin eben nicht gerade unsensibel. Da würde mich daher auch lange beschäftigen. Viel beschäftigen. Man kennt das ja, wenn Leute in Dritte-Welt-Länder gehen und dort Hilfe leisten, die finden oft, wenn sie zurückkommen, nicht mehr in diese Welt zurück, weil sie sich sagen, mein Lifestyle ist so krank, so dekadent, ich kann das nicht mit dem vereinbaren, was ich da erlebt und gelernt habe. 

rap.de: Du hast auf deinem Facebook-Account mal ein Video verlinkt, wo irgendwelche Leute dir unterstellen, dass du Freimaurer-Symbole in deinen Videos zeigen würdest. 

Kool Savas: Ey, mir wäre das selber gar nicht aufgefallen. Das Auge, das ist das Nazar Boncugu, ein türkisches Logo, das den bösen Blick von dir fern hält. Dann sind  fast alle Türken Illuminaten, weil sie so ein Auge um den Hals tragen. Ich bin nicht so ein Typ, der über alle Verschwörungstheorien lacht, wie Sir Jai zum Beispiel, der das alles lächerlich findet. Ich kucke mir das auch an, ich finde bloß, irgendwann ist auch gut. Das Problem ist, dass oftmals irgendwelche Idioten kommen und Halbwahrheiten da reinbringen. Besser ist es, wenn einer sich wirklich analytisch damit auseinandersetzt und einem auch genug Freiraum lässt, sich zu entscheiden, Pro und Contra aufzählt. Wenn Beyoncé vor einer Riesenpyramide mit einem Auge darauf singt, will ich nicht ausschließen, dass das etwas bedeuten kann. Muss aber nicht, kann auch einfach nur Verarsche sein. Aber wenn Kool Savas im verfickten "Brainwash"-Video eine Pyramide oder so einen Unsinn hat – sorry, Alter. Wer bin ich, dass irgendwelche Illuminaten daran interessiert sein könnten? Das ist einfach voll albern. Es ist okay, dass sie sich darüber Gedanken machen, ich habe damit auch kein Problem, ich fühle mich da auch nicht angegriffen. Ich habe mich da ja auch ein bisschen drüber lustig gemacht, habe da so eine Aktion gestartet, mein Facebook-Profilbild war dann eine Pyramide und kurz darauf war mein Profil aus. Dann hieß es, der BND sei bei uns eingeritten und alles beschlagnahmt – Unsinn einfach (lacht). Wer kein bisschen Humor hat… Ich verarsche nicht das Thema an sich, sondern Leute, die mich in irgendeiner Form da versuchen, miteinzubinden. 

rap.de: Aber du kannst dir schon vorstellen, dass es Geheimgesellschaften gibt, die im Verborgenen sehr mächtig sind.

Kool Savas: Ich kann mir alles und nichts vorstellen. Ich bin so offen allem gegenüber. Alles kann sein. Wer bin ich, zu sagen, das gibt es nicht. Es gibt dieses Sprichwort, alles, was du dir vorstellen kannst, hat jemand schon gemacht. Es gibt doch alles. Ich schließe keinesfalls aus, dass 9/11 ein Insidejob war und auch nicht, dass es die Illuminaten gibt. 

rap.de: Welche Hoffnungen verknüpfst du mit dem Album?

Kool Savas: Ich hoffe, Deutschrap damit voranzubringen und was Produktives beizutragen. Und dass manche darin etwas für sich finden. Nicht nur Entertainment, sondern auch Kraft daraus schöpfen können. Wie beim Bodybuilding, wo man auch ab und zu einen Song braucht, der einen aufbaut. Und, dass sich endlich ein paar Rapper davon beeinflussen lassen. Dass sie sagen, er flowt, ich will auch flowen. Unabhängig davon wurden meine Hoffnungen mit "Aura" selbst aber schon erfüllt.