Interview mit Azet und Zuna (KMNGang)

Azet und Zuna von der KMNGang aus Dresden werden deutschen Straßenrap anno 2016 entscheidend mitbestimmen. Hits wie „Hol mir dein Cousin“ mit Nimo oder „Für die Familie“ wurden bereits millionenmal geklickt. Zu recht: Ungefilterte Lyrics treffen auf ein edles, gut ausproduziertes Soundbild. Überspitzt gesagt ist der Sound der Jungs aus Johannstadt eine Kreuzung aus Bushido und Future. Wir sprachen mit den Zuna und Azet über die anstehende „Fastlife„-EP, Songwriting und ihre Heimatstadt Dresden.

 

Zuna, du musstest dich schon öfters mit dem Vorwurf auseinandersetzen, französischen Rap zu kopieren. Was sagst du dazu?

Zuna: Was soll ich dir dazu sagen? Jeder sucht sich seinen Grund, um etwas zu kritisieren. Wenn du meine Musik nicht magst, dann hör sie dir halt nicht an. Ich komme doch nicht zu dir und sage dir: „Hör‘ dir meine Songs an!“. Ich zwinge dich doch nicht, dir die Mühe zu machen, unter mein Video irgendein Kommentar zu schreiben. Ganz ehrlich: Wo ich die ersten beleidigenden Kommentare unter meinem ersten Video gesehen habe, wollte ich direkt die IP-Adressen der Leute raussuchen und hinfahren (lacht). Aber Azet, Nash und sein Bruder haben mich ausgelacht.

Azet: Das mit dem biten verstehe ich eh nicht. Wir müssen uns doch gar nichts vormachen: Die Amerikaner waren diejenigen, die mit allem angefangen haben. Ob jetzt die Franzosen die Amerikaner nachmachen und wir die Franzosen… Leute, die Ahnung von Musik haben, wissen, dass unsere Musik nochmal auf einem sehr eigenen Film ist. Wir setzen uns zum Beispiel extrem mit der deutschen Sprache auseinander. Wir finden es wichtig, gute, inspirierende Wörter zu verwenden. Wir machen das mit unserem Stil und das auf Deutsch.

Die „Richtung Paradies“ EP klingt meiner Meinung nach deutlich stimmiger und ausproduzierter als „Planet Zuna“. Was hast du anders gemacht?

Zuna: Wir haben Rap zwar schon immer ernstgenommen, aber hatten auch immer andere Sachen im Kopf. „Planet Zuna“ war einfach sehr zusammengewürfelt. Da entstand mal hier ein Track, mal da ein Part, dann wieder hier eine Hook. Danach wollte ich mich hinsetzen und etwas Neues machen. Mit mehr Struktur, damit ein Soundbild entsteht. Das habe ich meiner Meinung nach hinbekommen.

Wie lange hast du dafür gebraucht?

Zuna: Zwei Wochen. Ich hatte Zeit und Beats, habe mich hingesetzt und geschrieben, das war’s. Du wirst halt auch immer besser in deinem Arbeitsprozess. Von Release zu Release, von Song zu Song. Ich sehe das bei uns, wie wir uns gerade in allem steigern. Was die Produktion angeht, was das Schreiben angeht, es wird gerade alles rund. Du musst eben Sachen wie „Planet Zuna“, „Richtung Paradies“ oder auch „Fastlife“ raushauen, um dich weiterzuentwickeln. Keiner kommt sofort mit einem perfektem Album oder einer perfekten EP um die Ecke.

Die „Fastlife“-EP verbindet meiner Meinung nach moderne Trap-Elemente mit klassischem Streetrap-Flair. Hast du deinen Sound damit gefunden, Azet?

Azet: Ja, auf jeden Fall. Das geht schon bei den Beats los, die unter anderem M3 produziert hat. Leute kommen zu mir und sagen: „Wie kannst du solche Beats wählen, die würde ich niemals picken“, aber ich feiere die übertrieben. Ich bin auf jeden Fall ein großer Straßenrap-Fanatiker, deswegen würde ich auch das unterschreiben, was du gerade gesagt hast. Das ist ein moderner Sound, Straßenrap auf einem neuen Level.

Zuna: Ich habe früher auch viel Straßenrap gehört, aber wir versuchen daraus nicht nur Rap- sondern auch Musik zu machen.

Wo ist da der Unterschied für dich?

Zuna: Es gibt klassische Varianten, wie man einen Song aufteilt: Sechzehner, Hook, Sechzehner. Da rappst du die Parts, rappst dann in der Hook ein wenig lauter und rappst dann wieder einen Sechzehner (lacht). Wir gehen die Sache aber nicht so logisch an. Wir machen das so, wie wir es feiern und wie wir glauben, dass es beim Konsumenten am besten ankommt. Wir schreiben einen Song, bei dem die ersten vier Zeilen gerappt- und die nächsten vier gesungen werden, ganz unterschiedlich.

Ich finde, dass das vor allem bei „Für die Familie“ sehr deutlich wird.

Zuna: Ja, so ein Schema gab es einfach noch nicht.

Azet: Ich habe früher ehrlich gesagt auch immer nach so einem normalen Schema geschrieben. Zuna hat dann mit Melodien angefangen und dann dachte ich mir: „Ey, dicka was machst du da? Wie jetzt, Melodien und so?“. Ich fand das auch übertrieben geil, aber meinte im ersten Moment zu ihm: „Ey, das ist doch der Part, dass kannst du doch nicht machen“ (lacht).

Zuna: Auf „Planet Zuna“ hört man, dass wir da gerade angefangen haben, Melodien in die Songs zu integrieren. Daraus wurde dann der KMN-Sound.

Azet: Du kannst dir auch nicht vorstellen, was wir im Studio teilweise für Sachen ausprobieren. Zuna hat letztens zum Beispiel auf einem Dancehall-Beat etwas aufgenommen. Gerade wenn man von der Straße kommt und einen leicht anderen Weg gegangen ist, als die „normalen Menschen“, denkt man im ersten Moment, dass das peinlich ist, wenn man im Studio anfängt zu singen. Aber wir haben einen Top-Produzenten, der das unglaublich geil abmischt und mastert. Wir scheißen dann auch drauf, was andere sagen. Wenn zum Beispiel Zuna sagen würde, dass er etwas an einem Song nicht cool findet, würde ich mir das zwei oder dreimal überlegen, weil seine Meinung mir wichtig ist.

Eure Videos überzeugen durch Ästhetik und eine hochwertige Produktion. Wer ist bei euch für die Visuals verantwortlich?

Azet: Das passiert alles intern. Die Videos entstehen in den Köpfen von fünf, sechs Leuten. Wir gucken selber extrem viele Videos und wollen da einfach das Beste rausholen, was die Farben, den Style und die Kamerafahrten angeht. Da machen wir uns wirklich bis ins Detail extrem viele Gedanken, damit jede Sekunde, jede Minute stimmt.

Zuna: Bei uns ist es so, dass wir die Kulisse besichtigen und die Fahrten mit der Kamera dann bereits davor durchgehen, damit das alles reibungslos abläuft und es auf dem Bildschirm dann auch genauso aussieht, wie wir uns das vorgestellt haben.

Azet: Wir sitzen auch alle am Schnitt, nachdem wir den Dreh abgeschlossen haben. Wir begleiten das alles also von Anfang bis Ende. Wir überlassen da nichts dem Zufall.

Azet, du hattest vor einigen Jahren schon ein Album in der Pipeline. Kannst du erzählen, wieso dieses nicht erschienen ist?

Azet: Das Album hieß „Marlboro“ und war tatsächlich fertig. Ich wollte jedoch immer hundertprozentig zufrieden mit der Musik sein, die ich veröffentliche. Ich habe dieses Album zwischen Tür und Angel aufgenommen, bin von der Straße kurz ins Studio zum aufnehmen und dann wieder zurück auf die Straße. Das Mixing und das Master haben mir auch nicht wirklich gefallen. Ich hatte auch keine Zeit, mich dahinter zu klemmen, weil ich einfach mit anderen Dingen beschäftigt war. Irgendwann habe ich dann gesagt: „Scheiß drauf, ich habe gar keinen Bock das rauszubringen“. Im Nachhinein sagen alle meine Jungs, dass das ein Fehler war, weil das für 2010 schon ein gutes Album war. Bei „Fastlife“ war es einfach ein anderer Prozess. Ich war, sagen wir mal, wieder da und die Jungs meinten zu mir: „Du musst jetzt ein Album oder eine EP machen“. Wir haben dann einen Abgabetermin festgelegt, den ich bis zwei Wochen vor Schluss ausgereizt habe. Du musst dir vorstellen, dass „Planet Zuna“ und „Richtung Paradies“ schon draußen waren, während man von mir noch gar nichts gehört hat. Deswegen wusste ich, dass ich etwas abliefern musste, dass die Jungs zumindest feiern. Sonst hätte ich einpacken können (lacht). Ich war dann zwei Wochen am Stück von sechs oder sieben Uhr morgens bis abends im Studio und habe das Ding fertig gemacht.

Du kommst aus dem Kosovo, Zuna ist aus dem Libanon geflohen. Inwiefern erlebt ihr den Hass von Pegida oder anderer fremdenfeindlicher Mitbürger in Dresden am eigenen Leib?

Azet: Als die (Pegida – Anm. d. Verf.) um die 28.000 waren, war die Lage schon kritisch. Wir haben kleine Geschwister, denen haben wir teilweise gesagt, dass sie nicht rausgehen dürfen. Wir haben ja selber miterlebt, dass es zu Eskalationen kommen kann. Viele von den Leuten, die dort teilnehmen, sind während den Demos ja auch betrunken. Durch gegenseitiges Pushen, vor allem wenn die eine Gruppe an Ausländern sehen, kann da schnell etwas passieren.

Zuna: Das ist sogar oft vorgefallen. Im Dezember letzten Jahres, wo es angefangen hat richtig groß zu werden, war echt Non-Stop Spannung in der Luft. Das hat man in der ganzen Stadt gemerkt. Man wusste halt nicht, wann es wirklich mal eskaliert.

Azet: An sich hat sich das aber schon geändert in Dresden.

Zum positiven?

Azet: Ja, schon. Die meisten Leute glauben das nicht, aber früher war es viel schlimmer. Das fing an in der Schule, wo man sich unerwünscht gefühlt hat. Damals haben die dir das auch richtig gezeigt. Da gab es Leute, die mit „Heil Hitler“ in die Schule gekommen sind. Mittlerweile hat sich das aber geändert. Viele dieser Leute gehen auch auf Pegida-Demos und chillen danach mit Jungs wie uns.

Was doch eigentlich total widersprüchlich ist?

Azet: Total!

Zuna: Dieses Pegida-Ding ist mittlerweile einfach eine Veranstaltung geworden. Das ist nicht mehr so, dass die Leute da gezielt demonstrieren oder etwas durchsetzen wollen. Das ist mittlerweile fast nur noch Rumsauferei.

Azet: Viele der Besucher wissen doch gar nicht, was sie da machen, oder wo die gerade hingehen. Wenn Freunde in der Stadt unterwegs sind, denken die sich teilweise: „Komm, wir gehen zur Pegida“.

Zuna: Wie bei einer Shisha Bar oder bei einer Open Air Veranstaltung.

Azet: Das klingt komisch, aber wir kommen ja aus der Stadt. Gerade die jüngere Generation, die 20 bis 30 Jährigen, haben gar keinen Plan. Die gehen dann einfach saufen auf einer Veranstaltung, die nach außen hin gegen Muslime protestiert. Die haben keine Ahnung, Mann.