Massaka

Rap aus Berlin Kreuzberg. So neu ist das nicht und auch Massaka sind schon seit mehreren Jahren dabei. Immerhin hat rap.de bereits im Jahr 2007 über die düsteren Rapper aus der Hauptstadt berichtet und wie es aussieht, scheint die sonne mittlerweile nicht unbedingt öfter für die beiden Rapper Murdoc und Monstar.
Authentizität wird groß geschrieben im Hause „Königsrasse“ dem dazugehörigen Label, das natürlich mehr ist als nur ein Label – eine Bewegung vielleicht?
Auf jeden Fall vertreten Massaka eine fast schon historische Sichtweise auf das Thema fake MCs, die besser aufpassen sollten, falls diese sich entschließen sollten, einen Abstecher in die Hood der Berliner zu unternehmen.    

rap.de: Ihr seid jetzt Murdoc und Monstar, ursprünglich wurde die Gruppe aber in einer anderen Konstellation gegründet, oder?

Murdoc: Ja. Das war 2005, es war einfach nur das Projekt an sich. Das ganze Konzept "Massaka“.

rap.de: Und wofür stand "Massaka“ damals? Ihr wolltet alles kaputt machen, was?

Monstar: Vernichtung!

Murdoc: Ja, auf diese Art kann man das auch sagen. "Säubern“ kann man das nennen, aber der Name "Massaka“ ist einfach symbolisch gemeint!

rap.de: Von was wolltet Ihr Deutschen Rap "säubern“? Was sollte sich ändern?

Murdoc: Wir wollten einen neuen Stil reinbringen, was wir mittlerweile ja auch geschafft haben. Und dieser Stil heißt "Massaka“, das lässt sich nicht in irgendeine Kategorie stecken, der Stil heißt einfach so. Wir haben ihn so genannt und so ist er auch.

rap.de: Was macht Euren Stil aus?

Monstar: Bei uns war es einfach so, dass Leute, die unsere Musik gehört haben, einfach gesagt haben "Jungs, Eure Mucke ist einfach Massaker!“ und das hat dann einfach gepasst. Anstatt zu sagen, wir heißen "Die Drohmiliz“ oder so was, kam das dann von ganz allein und dadurch auch das Label "Königsrasse“.

rap.de: Wie bist Du damals zu Rap gekommen? Wie hat das bei Dir angefangen?

Murdoc: Bei mir war das so, dass sich viel in mir aufgestaut hatte, das raus musste. Und mein einziges Ventil war die Musik. Ich kannte auch nicht viel aus der Hip Hop Szene. Aber auf die Art fand ich, konnte ich mich am besten äußern.

rap.de: Es gibt ja Leute, die anfangen zu rappen und wahnsinnig viel üben und richtig trainieren, aber bei Dir war das anders.

Murdoc: Genau, direkt aus der Seele. Ich achte nicht auf Doublereime oder Flow. Das kommt einfach von alleine. Alles was ich selber mache, kommt von alleine.
Auch die Leute mit denen ich zusammen gearbeitet habe. Das waren einfach Leute wie ich. Wir kommen von der Straße, wir haben vorher nichts mit der Hip Hop Szene zu tun gehabt, waren auf keinen Konzerten und kannten auch überhaupt keine Rapper. Vielleicht Afrob noch, von früher… Sonst kannte ich ehrlich gesagt überhaupt gar keinen. Bei uns hat es einfach vom Herz aus angefangen. Von der Seele.

rap.de: Hattet ihr Kontakt mit anderen Berliner Rappern?

Murdoc: Nee, wir hatten alleine ein Studio. Ein Jahr später kam dann die Zusammenarbeit mit Woroc zustande. Dadurch bekamen wir dann auch Kontakt zu anderen deutschen Rappern aber das war dann: Man hat sich kennen gelernt, ein Lied zusammen gemacht und das war’s auch.
Frauenarzt war das. Dann noch Kaisa, Serk und Orgi. Mehr aber auch nicht.

rap.de: War Euch das zu fremd, dass da nicht mehr zustande gekommen ist?

Murdoc: Ja, war uns zu fremd! Auf jeden Fall! Das war nicht unser Hip Hop. Nicht unsere Musik. Wie Schwarz und Weiß.  Die kamen aus dem Pornobereich und damit haben wir gar nichts zu tun.

rap.de: Und wie hat es bei Dir mit Rap angefangen, Monstar?

Monstar: Ganz ehrlich, es hat mit Pöbeln angefangen.

rap.de: Das ist ja eine super Voraussetzung! (lacht)

Monstar: Nee nee, eigentlich hat es eher so angefangen, dass wir auch Leute sind, die auf der Straße was zu sagen haben. Anders gesagt, Jugendliche sehen uns und sagen sich: "Ey, wir sind auch so wie die“. Und ganz ehrlich, bevor jetzt andere gekommen wären, die gemeint hätten für Kreuzberg sprechen zu wollen, haben wir uns lieber gesagt, dass wir die Stimme Kreuzbergs sind. Weil es gar nicht gegangen wäre, wenn jetzt irgendwelche anderen Künstler gekommen wären und gesagt hätten "Ich bin Kreuzberger“ und so… Eigentlich hat es so angefangen.

rap.de: Gab es denn vorher niemanden, der für Kreuzberg gesprochen hat?

Monstar: Doch schon, aber das waren halt andere Leute! Und der, der richtig krass war, der ist leider verstorben. Der hat größtenteils Türkisch gerappt. Boby von Islamic Force. Das waren so die Leute, die wir früher gehört und geschätzt haben. Der hat auch ein bisschen Englisch gerappt, aber auf Deutsch gab es gar keinen! Niemanden, bei dem wir hätten sagen können, dass er unser Vorbild ist. Da mussten wir einspringen, bevor es irgendein komischer Vogel tut, oder so.

rap.de: Hast du vorher gern Rap gehört?

Monstar: Hm, weiß ich gar nicht… Wir haben früher gern diesen türkischen Marilyn Manson gehört und Arabesk Musik.
Ich war nie so ein Amirap-Liebhaber. Ich hab dann eher so Breakdance und Freestyle Sachen gehört.
Ich hab ja auch lange auf Türkisch gerappt, aber dann hat Murdoc mich ein, zwei Jahre lang so therapiert, dass ich Deutsch rappen soll…

Murdoc: Na ja, die Leute müssen ja erfahren was Du redest, ne?

Monstar: … Na ja wie gesagt, wir sind echt nicht die Leute die sagen, dass wir EPMD als Vorbilder haben. Unser Einfluss war eher die Gewalt, die wir auf der Straße machen, oder auch erlebt haben… Wie  gesagt: Wir bringen es in unserer Musik genau so rüber, wie es ist. Das hat auch ein bisschen unsere Aggressionen abgeregt.
Wenn ich nicht diese Kabine hätte, wo ich es ins Mic sagen kann, müsste ich es 1000 anderen Leuten in die Fresse sagen und dazu hab ich auch keine Zeit, bei jemandem zu klopfen und zu fragen: "Hey, darf ich Dir etwas erzählen?“.

rap.de: Jetzt wird aber von manchen Leuten, die sich vielleicht auch gar nicht so mit Rap beschäftigen behauptet, dass Musik die aggressiv ist, auch aggressiv macht.

Monstar Ja, ist ja bei Techno auch so, aber… es hat auch was mit den Menschen zu tun. Wie stark oder schwach sie sind.
Wenn sich jemand durch Musik so leiten lässt, dass er jetzt wirklich loszieht und Amok läuft, wie es hier in Deutschland jetzt immer Thema war, dann stimmt einfach mit dem Charakter etwas nicht. Leute, die einen Schaden haben, die hören die Musik und setzen den Glauben dahinter, nach dem Motto "Nee, ich will das jetzt auch machen!“, aber zum Glück gibt es niemanden in unserem Umfeld, der so ist.

rap.de: Wie waren die Reaktionen aus Eurem Umfeld, als ihr ihnen eure Musik gezeigt habt?

Murdoc: Immer sehr gut, die standen immer hinter uns und der ganz Bezirk steht hinter uns. Kreuzberg. Und das war auch ein guter Ansporn für uns, das weiter zu machen. Mittlerweile kennt man uns in ganz Deutschland.

Monstar: Viele in Kreuzberg haben aber auch eine ganz andere Einstellung zum Hip Hop. Das ist für die zwar Musik, aber die haben sich erst mal gefragt: "Was machen die da? Meinen die das ernst? Wollen die ins Fernsehen kommen oder was möchten die erreichen?“ Aber dann haben die auch gemerkt, dass es um den Zusammenhalt geht, dass es eine größere Sache ist. Da haben die uns erst verstanden. Nach einer gewissen Zeit standen die dann richtig drauf. Hat uns selbst auch gewundert…

Murdoc: Aber die Leute, die hier leben, die sind auch ein bisschen anders, das hat sich schon überall verbreitet. Aggressiv, depressiv, alles zusammen, weißt du? Die Musik, die wir machen, die passt wie die Faust aufs Auge. Die Leute von außerhalb haben Geschmack dran gefunden, keine Ahnung warum! (lacht) Vielleicht mögen die es ja, depressiv zu leben. Hier in Kreuzberg ist es echt so, dass sich der größte Dreck Berlins häuft.

Monstar: Mittlerweile sind es schon die Touries! Der Dreck Berlins sind gar nicht mehr wir, es sind die Touries (lacht)! Es ist ja so! Die wollen uns hier rausekeln.

rap.de: Du meintest eben, dass Du nicht verstehst, warum Leute, die nicht aus Kreuzberg sind, Eure Musik auch gut finden. Gab es schon mal so eine Situation wo jemand aus… Nürnberg zum Beispiel geschrieben hat, dass er das voll feiert?

Murdoc: Nö, aus ganz Deutschland kommen Mails oder Kommentare, in denen die Leute schreiben: "Ich liebe euren Lebensstil und ich will auch so werden wie ihr, es ist so langweilig und hier sieht man kaum Leute, kaum Kanaken.“ Von überall kommen solche Sachen. Aber wenn man hier lebt und aufgewachsen ist, dann sagt man sich selbst: "Ok. Wenn ich hier durch bin, dann bin ich weg!

Monstar: Bevor wir da waren, haben sich hier viele Leute auch einsam gefühlt. Das merkt man ja, wenn die schreiben. Die waren richtig glücklich, dass wir gekommen sind, weil sie das einfach authentisch finden. Manchmal bin ich aber auch richtig geschockt, wenn das 12-, 13-Jährige sagen, wo ich sage: "Was weißt du denn von Authentizität?
Es ist auch so, dass viele Ausländer, die nicht in Berlin leben, sehen, dass hier in Kreuzberg die Chemie so ist, dass Kurden und Türken brüderlich zusammenleben. Da finden die dann Gefallen dran, das kennen die so gar nicht.
Oder die Leute aus der Türkei, die sagen ja nicht: "Oh, ihr seid solche Players“ sondern „"Ihr seid wie von hier, von unserer Straße“. Ich denke, das macht uns besonders, weil wir keinem etwas vorspielen und so bleiben wie wir sind, ne?
rap.de: Was sagt ihr denn den Jugendlichen, die herkommen und sagen, sie würden auch gern so leben? Antwortet ihr dann darauf und sagt: "Ey ganz ehrlich, eigentlich ist es gar nicht so cool“?

Monstar: Nee, also wenn von uns jetzt jemand denkt, dass wir Stars sind, nur weil wir ein paar Videos haben, dann holen wir die schon auf den Boden der Tatsachen zurück. Wir prollen da auch nicht rum.

Murdoc: Aber nicht allen wird geantwortet. Weil man sich richtig überlegen muss, was man denen sagt.

Monstar: Nur wenn man weiß, dass es bei ihnen auch etwas bewirkt. Also wenn ich sehe, dass mein gegenüber sowieso kaputt im Kopf ist, also… Ich weiß gar nicht, wie man das nennt… Metrosexuell? (Gelächter) Nennt man das so? Metrosexuell?

rap.de: Aber Metrosexuell ist doch, wenn Männer sehr weibisch sind.

Monstar: Ja, das ist doch schlimm! Manche würden gerne hier leben, aber die wüssten gar nicht, dass die, so wie sie sind und mit ihrem Style, gar nicht hier leben könnten. Weil sie dann den Leuten wie Außerirdische vorkommen, wenn sie hier mit so einem Hahnenkamm ankommen.
Bei uns machen das die Punkers, das ist ihr Style. Weißte? Also ich hab jetzt auch nichts gegen die, aber man merkt beim Schreiben schon, dem kann ich das jetzt was sagen und der  wird sich auch die Lehre rausholen, aber manche sind so… Die nehmen das gar nicht auf. Und dann schreibt man denen auch nicht und antwortet auch nicht.
Viele Leute haben uns hier besucht, aus… Nürnberg, München, Stuttgart, überall, waren die schon mal hier bei uns und die wollten gar nicht mehr weg, meinten dann "Wow, Kreuzberg ist wundervoll“ und "Kreuzberg ist meine Heimat“, weil die gemerkt haben wie Dorfmäßig es hier ist.
Wir sind ja auch keine Leute, hinter denen Flaschen her geschmissen werden und es dann abgeht, und das genießen die dann auch ein bisschen, denke ich. Dieses Heimatgefühl.

rap.de: Na ja, was die vielleicht nicht wissen, ist ja auch, dass man sich das erarbeiten muss. Dass man nicht einfach reinkommen kann und sagen kann: "Hey, ihr seid alle meine Freunde“.

Monstar: Natürlich, deshalb sagen wir den Menschen auch, dass sie so authentisch wie möglich sein müssen! Wahrhaftig leben. Nicht so doppelmoralistisch drauf sein. Also Zuhause so, draußen anders und so weiter.
Das checken die dann meistens. Und respektvoll sein. Weil die Jugendlichen das ja oft nicht checken, "Wieso, aber er ist doch gar nicht mein Bruder, oder mein Onkel.“ Egal! Er ist älter als du, du kannst da doch jetzt nicht einfach so hingehen und ihn beleidigen.
Wir versuchen den Leuten auf jeden Fall korrekte Sachen zu vermitteln und zu zeigen, bevor die auf dumme Gedanken kommen. Wir wollen die Leute in eine Richtung lenken und dass wir die nicht zu Kacksachen anstiften oder aufhetzen. Gibt es ja. Dazu wird Hip Hop ja heutzutage viel benutzt. Bei uns muss der Style und die Musik sprechen. Natürlich auch die Lyrik, aber nicht diese Schauspielerei. Die meisten sind ja auch Entertainer! Also gar keine Künstler für mich. Sind alles Entertainer. Spielen irgendwas vor.

rap.de: Was ist für euch der Unterschied zwischen Künstler und Entertainer?

Murdoc: Man kann entertainen und Künstler sein. Das lässt sich kombinieren, im Endeffekt kommt es ja auch dazu. Wenn du Künstler bist, machst du die Kunst und Entertainment ist es schon, wenn du ein Video dazu drehst.
In unserem Fall kombinieren wir beides und kommen auch noch von einer Quelle, die echt nur von der Straße ist.
Wir sind nicht irgendwie, dass wir von dieser oder jener Straße kommen, wir sind echt hier von DER Straße und jeder kennt uns hier. Deshalb werden wir hier auch akzeptiert. Und wenn du in deinem eigenen Dorf akzeptiert wirst, dann wirst du auch woanders akzeptiert. Weil dein eigener Bezirk dann hinter dir steht.

Monstar: Man hält auch von einem Künstler mehr, wenn man weiß, dass er auf der Bühne so krass ist wie auf der Straße und nicht wenn sich das unterscheidet. Also keine Schaupspieler, wie Tom Cruise….

rap.de: …. Ja, weil man halt immer, wenn man einen Film von ihm sieht, weiß: Ok. Der hat jetzt die Plazenta von seiner Frau gegessen. Und das ist ein bisschen eklig. (Gelächter)

Monstar: Diese Sache wusste ich zum Beispiel gar nicht, jetzt find ich ihn noch mehr …

rap.de: (lacht) Jetzt hab ich’s dir noch mehr kaputt gemacht. Das tut mir natürlich leid!

Monstar: Aber du weißt, wie ich das meine. Man kann viel von einem Künstler halten, aber wenn man merkt, dass das alles nur Fassade ist und er gar nicht so ist, dann macht das gar keinen Sinn mehr. Dann macht es auch keinen Spaß mehr, die zu hören.

rap.de: Habt ihr diese Sache mit Selfmade mitbekommen? Deren Konzert in Kreuzberg wurde gestürmt und die wurden regelrecht aus Berlin verscheucht.

Monstar: Das ist doch richtig geil.

Murdoc: Das war wieder so eine Unecht-Sache. Keiner weiß, wo er herkommt [gemeint ist an dieser Stelle Kollegah Anm. d. Verf.]. Er macht einen auf hart und kommt dann direkt nach Berlin-Kreuzberg. Hier sind nun mal die Leute, die so was gerne testen und da hat er seinen Test eben nicht bestanden. Das ist das Geile an Berlin.

rap.de: Glaubt ihr, dass viele Leute, die Gangster-Rap machen, deshalb auch Angst haben, wenn sie nach Berlin kommen?

Monstar: Viele. Ich habe noch keinen persönlich gesehen, aber ich kann es mir vorstellen. Wenn ich aus Karlsruhe kommen und viel auf Rumgepose machen würde, würde ich nicht nach Berlin kommen. Ich denke schon, dass die Angst haben, aber nicht genug, sonst würden sie ja nicht kommen. Wir bekommen zum Beispiel gar nicht mit, wenn irgendwelche Konzerte sind, aber manche Leute haben halt Hass auf die und da gucken die schon, wo die sind. Gerade wenn man auch was gegen Berlin sagt, muss man halt echt aufpassen. Aber ist auch viel diese Ami-Scheiße geworden, diese Promotion. Die telefonieren bestimmt vorher miteinander.

rap.de: "Ey, hau mich mal. Aber nur auf’s Ohr!“

Monstar: Ja, ja. Genau! "Und meine Freundin ist dabei. Gib ihr mal einen Tritt, aber nicht schlagen!“ (Gelächter) Ich kann mir schon vorstellen, dass das so ist. Das hat auch was mit Vermarktung zu tun. Zum Glück distanzieren wir uns von solchen Sachen.

rap.de: Ihr kommt aus unterschiedlichen Ecken von Kreuzberg. Ist es wirklich so, dass es große Unterschiede zwischen 36 und 61 gibt?

Monstar: 61 ist voll schicki-micki geworden, Bergmannkiez und so. Ich weiß auch gar nicht, wie man diesen neuen Style nennt, dass alle da Schauspieler sind.
Aber auch Kotti, also 36, ist offener für Touries geworden. Das ist komisch geworden. Früher hattest du an jeder Ecke Spielplätze, Schulen und Fußballplätze, wo Jugendliche waren. Jetzt siehst du überall nur Touristen, die Fotos schießen. Manchmal fotografieren die sogar uns, als wären wir so ein Museums-Stück. Heutzutage ist Kreuzberg schon eins geworden, aber früher war das anders. Wo andere Bezirke miteinander Probleme hatten, hatte Kreuzberg nur mit sich Probleme.

rap.de: Warum gab es innerhalb Kreuzbergs so viele Probleme?

Murdoc: Bis vor ungefähr zehn Jahren gab es nur Banden. In 36 gab es zum Beispiel drei verschiedene, die aber alle gleich hießen und nichts miteinander zu tun hatten. Heutzutage haben die untereinander Streit, weil einer hat sein Revier, wo er sein Geld macht, mit was auch immer. Könnt ihr euch zusammenrechnen. Der andere macht da aber auch Geld. Früher ging es um Banden, den Namen, Ruf und Ruhm. Heute gibt es nur noch Streit wegen Geld. Zumindest in meiner Ecke. Ich sag so, wie es ist.

rap.de: Das ist natürlich auch eine explosive Mischung. Einerseits hat man die gutbetuchten Touristen und Schauspieler, die hinziehen und die Mieten damit ankurbeln, andererseits die "Kiddies, die nicht klar kommen“.

Murdoc: Das wurde in Kreuzberg ja systematisch gemacht mit den Mieten. Jeder Türke, Araber, Hartz IV Empfänger kriegt hier keine Wohnung mehr, so lange er nicht jemanden kennt, der gerade irgendwo auszieht. Die wollen den Bezirk "sauber“ machen

rap.de: Ihr macht zwar Straßenrap, es geht dann aber doch noch in eine dunklere Ecke. Interessiert Ihr Euch für so Gothic- und Horrorcore-mäßige Sachen?

Monstar: Nicht direkt für diese Splatter-Kacke. Mit diesen Horror-Sachen haben wir nichts zu tun. Das sind so Leute, die denken sie können rappen, weil sie die ganze Zeit erzählen, wie sie andere abschlachten. Wir versuchen das Mystische mit rein zu bringen.
Hier in Berlin, wo wir leben, ist alles grau und Beton und düster. Diese Stadt ist so ein bisschen Mittelalter-mäßig. Dass wir solche Musik machen, hat auch was damit zu tun, dass wir hier schon über 20 Jahre leben. Wer weiß: Wenn wir in Miami wären, würden wir wahrscheinlich ganz andere Musik machen.

rap.de: Könnt ihr von eurer Musik leben?

Monstar: Leben? Ich hab gelebt, bevor die Musik da war und jetzt lebe ich immer noch. Aber wenn nicht jetzt, werden wir doch irgendwann davon leben können. Wir sind nicht darauf aus. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir jemals gesagt haben "Wir machen jetzt dieses Album, damit wir 5.000 Euro verdienen“. Wir haben da eine ganz andere künstlerische Einstellung. Bis jetzt machen wir das, weil es uns Spaß macht.

Murdoc: Wir würden natürlich besser leben, wenn die Leute sich die CDs kaufen würden. Man kann zwar davon leben, aber mittlerweile kann kein Künstler mehr gut davon leben. Das geht jetzt mal an alle Fans: Wenn ihr die Sachen kauft, könnt ihr noch viel länger was von uns hören.

rap.de: Wie ist das für einen Künstler, wenn ins Publikum guckt und weiß "Ok, 60 Prozent von Euch haben sich das Album runtergeladen“?

Monstar: Niemals! Download ist Haram bei uns. Das ist Sünde, man kann nicht downloaden. (Gelächter) Nein, mal ernsthaft. Wenn einer dreist ankommt und das direkt sagt, dann sind wir natürlich auch knallhart. Das ist ja, als würde jemand sagen "Ich hab irgendwas von dir gesehen und dann hab ich das geklaut“. Da wird ja auch einfach deine Arbeit nicht geschätzt. Das ist dann auch kein Fan, der dich unterstützen will. Wenn jemand Arschloch zu mir ist, bin ich auch Arschloch zu ihm.

rap.de: Abschließende Frage: Auf eurer Internetseite hab ich gelesen „Massaka macht keinen Spaß“. 

Monstar: (lacht) Das klingt ja süß, wenn du das sagst: "Massaka macht keinen Spaß!

rap.de: Und das klingt natürlich ganz düster und alles wäre grau und so… Seid ihr auch…

Murdoc: … Die Sache ist, wenn wir hier aufstehen und wieder rausgehen, dann gehen wir wieder in diese graue Welt rein, ja. Dann geht’s wieder zurück ins Alltägliche.

rap.de: Seid ihr depressive Menschen?

Monstar: Wer ist das nicht? Aber jetzt nicht so leidend depressiv. Uns macht die Depression eigentlich noch stärker oder erfrischt uns, damit wir weitermachen. Meistens wird man depressiv, wenn man nichts tut.

rap.de: Aber für alle, die es jetzt lesen: Ihr lacht auch mal, oder?

Monstar: Eigentlich, wenn du siehst was abgeht, dann kann man nicht mehr traurig sein. Da MUSST du lachen, sonst drehst du ja noch durch. Früher war das anders. Früher wurde man richtig aggressiv, oder dachte, man muss da irgendwas unternehmen. Aber jetzt ist es so, dass man darüber lachen muss. Sonst endest du hier als Amokläufer oder so.
Aber Spaß haben geht auch schon zu weit. Also was heißt Spaß? Musik zu machen macht ja auch Spaß, aber man kann die Sachen ja nicht lächelnd rappen, weil du ja auch dein Innerstes an die Leute veröffentlichst. Das sind ja meistens diese Aggressionen. Das ist dann genau so bei unserem Auftritt. Da kommen dann in jedem die Aggressionen hoch und die Leute rasten aus. Aber ein Lächeln ist ab und zu mal da. Nicht immer, aber… Nur vielleicht nicht, während man unsere Musik hört. (lacht)

rap.de: Wir bedanken uns für dieses Gespräch.