Interview mit DavidPe (Main Concept)

Main Concept gibt es seit mittlerweile 25 Jahren. Schon der Titel des neuen Albums, das nach einer zehnjährigen Releasepause heute erschienen ist, deutet aber an, wo sich die drei Jungs verorten: Im „Hier und jetzt“ . Ein Gespräch mit DavidPe über das neue Album, das Jubiläum, Rap als Medizin, nicht mehr hegemoniale bildungsbürgerliche Ansätze und vieles mehr. TLDR? Selbst schuld.

Was ist in den letzten zehn Jahren seit „Equilibrium“ bei euch passiert, was man nicht mitbekommen hat?

Also, ich hab gearbeitet, was ich immer noch tue [David P. ist Hausarzt-  Anm. d. Verf.]. Die anderen zwei, der Explizit ist ja DJ von Beruf, der legt halt auf, und zwar viel. Er hatte jetzt lange Jahre ’nen Club, obwohl es den jetzt nicht mehr gibt, jetzt muss er nen ’neuen aufmachen. Und der Glamm hat in der Zeit auch Platten produziert oder Beats gemacht für verschiedene Leute.

Okay, also ihr wart auch nicht ganz inaktiv.

Nein, wir waren nie inaktiv. Wie gesagt, die andern zwei sind Musiker von Beruf, ich nicht. Aber wir haben auch zusammen immer wieder Auftritte gemacht, alle paar Jahre mal ’nen Lied gemacht. Paar Lieder auf der Platte sind ja auch schon älter, die sind ja nicht alle in den letzten paar Monaten entstanden. Die meisten schon, aber einige wenige sind auch schon ein paar Jahre alt. Die lagen da quasi im Datenlager. Und wir sind auch immer wieder regelmäßig aufgetreten, nicht so in der Frequenz von früher, also jedes Wochenende, sondern alle paar Monaten mal, aber doch immer wieder.

Du bist ja Hausarzt. Trennst du das komplett von der Rapwelt oder würdest du sagen, da fließt auch ein bisschen was von deiner HipHop-Attitüde mit ein?

Nein, das heißt ja und nein. Fachlich nein, aber in meiner Kommunikationsfähigkeit ja. Das vereint sich ja in mir, das sind beides Rollen, die ich in meinem Leben habe, und dadurch bin ich das Bindeglied zwischen HipHop und Medizin, wenn du so willst. Ich mach den Leuten nichts vor, aber ich bin durch HipHop in frühen Jahren viel rumgekommen, hab viel gesehen und viel Lebenserfahrung gesammelt und das kommt mir fachlich jetzt nicht unbedingt zugute, aber letztendlich in meiner Fähigkeit zum Ausdruck, Menschen zu verstehen, mich einzufühlen oder auch zu kommunizieren.

Ich kann mir vorstellen, dass es umgekehrt auch durchaus ’nen Einfluss gibt. Du bist ja ein Rapper, der durchaus einen gewissen Anspruch hat, jetzt nicht den Hörer zu heilen, aber doch ihm was positives mitzugeben.

Genau, aber dass hat ich ja schon als ich noch in der Schule war, also ist es eher so, das ist der Grundzug von mir und dann hab ich mir eben so dieses zwei Ausdrucksformen, wenn du es so nennen willst, ausgesucht. Jetzt wo du das sagst, merk ich auch, dass das unter dem Aspekt ganz gut zusammen passt.

Auf dem letzten Album, „Equibilirium“, war ja noch so eine gewisse, Frustration ist vielleicht zu hart gesagt, aber zumindest eine deutliche Ablehnung der damaligen Geschehnisse im Deutschrap festzustellen. Auf dem neuen Album bist du darüber irgendwie hinweg und scheinst dich nicht mehr aufzuregen. 

Natürlich ist meine Perspektive auf die Welt jetzt ’ne andere geworden, sonst hätte ich keine Platte machen brauchen, wenn ich nochmal genau dasselbe erzähle. Nach zehn Jahren kann man ja erwarten, dass ein Mensch sich entwickelt und die Dinge anders sieht, oder gelassener, von mir aus. Prinzipiell lehne ich diese ganze Gewaltkultur im HipHop, diese ganze menschenverachtende Sprache weiterhin ab, find‘ ich scheiße, und das klingt auf jeden Fall weiterhin auch durch. Ich reg mich HipHop-mäßig jetzt nicht mehr so auf, ich bin der Meinung, jeder kann rappen, worüber er will, es sind alles erwachsene Leute, und ich hab auch nicht den Anspruch zu behaupten: Ich bin der, der es richtig macht, oder die Leute, die es wie ich machen, machen es richtig und alle anderen falsch. Da bin ich definitiv drüber hinweg. Alles hat seine Daseinsberechtigung und es kann kein schwarz ohne weiß, kein groß ohne klein und kein hell ohne dunkel geben. Insofern gehört es letztendlich zum HipHop-Gleichgewicht dazu dass es Leute gibt wie uns, die diese Art von Rap machen, Concsious Rap, und natürlich auch die ganzen Gangster. Das ist halt einfach ein Teil von HipHop, wie in der realen Welt.

HipHop war in Deutschland in den Anfängen doch noch sehr von einer bildungsbürgerlichen Einstellung geprägt war, die es zwar jetzt auch noch gibt, z. B. in Form von euch, aber die jetzt nicht mehr beanspruchen kann, moralische Autorität über das ganze Game zu haben. Das wird sie wahrscheinlich auch nie wieder können, weil sich diese Gewaltkultur und diese Gangsterimages einfach etabliert haben.

Gangster hat es schon immer gegeben. Die sind halt nur in den letzten 15 Jahren so krass in den Vordergrund getreten. Früher auf den Jams, das weiß ich noch, da war das schlimmste, was passieren konnte, dass so ein Bus voller Berliner Writer ankommt und den Laden zusammenrusht. Das ist schon immer so gewesen, auch in den 90ern, als, wie du sagst, alles eher bildungbürgerlich war. Das waren auch nicht immer nur irgendwelche Gymnasiasten die gerappt haben, dass war schon immer ein buntes Bild. Aber letztendlich haben auch die Leute, die nicht auf dem Gymnasium waren – wir waren ja alle Schüler damals – kein Gangsterzeug gerappt, weil das nicht der Zeitgeist war. Wir waren halt auch alle 17, 18, 19 Jahre alt und haben natürlich philosophiert, über das System, gegen den Kapitalismus und so weiter und so fort. Natürlich haben wir so in den letzten zehn Jahren schon eine Verrohung in der Gesellschaft mitgemacht, dass merkt man auch an der Sprache. Ja mei, hat sich halt so entwickelt, was soll ich sagen? Und wie gesagt, die Gangster haben heutzutage genauso ihre Existenzberechtigung wie wir.

Du stellst jetzt also nicht mehr den Anspruch, dass man Rap zurückerobern müsste?

Ich war nie der Meinung das ich der Retter von HipHop bin. Das hab ich vielleicht mit 17, 18 gedacht, aber schon lange nicht mehr. Ich find ja auch so menschenverachtenden Gewaltrap nicht gut, ich hör mir das nicht an, aber was soll ich machen? Ich kann das doch den Leuten nicht verbieten. Das müssen die Hörer entscheiden, man kann nicht nur der Rappern Vorwürfe machen sondern auch den Leuten, die so etwas kaufen. Der eine spricht und der andere fühlt sich angesprochen. Das ist ja nicht so dass die Leute überredet wurden Schwule zu hassen oder Frauen zu schlagen – ich übertreib jetzt. Aber dieses ganze Gangsterding, das war nur ’ne Frage der Zeit, bis das in Deutschland groß wird, weil es Leute gibt, die in solchen Verhältnissen leben, in den entsprechenden Vierteln, und dadurch ihre Sprache gefunden haben. Rapper, die aus ihrem Alltag sprechen. Da ist ja klar, dass die sich dann die Platten kaufen. Und dass ihnen mein Gelaber zu streberhaft ist.

So an der grundsätzlichen Herangehensweise habt ihr ja eigentlich nicht viel geändert, in der musikalischen Ausrichtung seid ihr euch ziemlich treu geblieben.

Hast du es schon gehört?

Ja. Ist ja schon warmer Sound, zeitloser Sound, ihr habt keine Trapbeats und keine zischenden Snares oder so was verwendet.

Der Markus Klammer, der Glamm, der macht Beats so wie er sie macht. Der würde nie herkommen und sagen: Okay, wir machen ’ne neue Platte. Öh, wie muss die jetzt klingen? Dann hören wir es uns das an was alle anderen machen und machen es dann auch so. Das wäre nicht unsere Herangehensweise, war sie ja noch nie. Wenn von uns ’ne neue Platte rauskommt, weiß ungefähr jeder wie die klingen wird und was man zu erwarten hat. Es ist dann natürlich nicht das selbe wie die letzte Platte, aber vom Feel her kommt das schon hin. So ist das halt bei uns.

Wie muss man sich denn den Aufnahmeprozess vorstellen? War das eher so ein Ding, was man sich immer wieder vorgenommen hat und dann keine Zeit hatte oder ist das einfach ganz harmonisch über die Jahre hinweg entstanden und irgendwann war es dann fertig?

Die erste Variante tifft eigentlich ganz gut zu. Wir wollten das schon länger machen und dann: keine Zeit, jeder hat zu tun, Arbeit, Kinder, Urlaub und was weiß ich. Und dann ist das Jahr um. Oh scheiße, wir wollten doch ein Album machen, ja okay, nächstes Jahr, nächstes Jahr. Und dann letztes Jahr, okay, wenn wir das jetzt wirklich machen wollen, dann müssen wir das 2015 rausbringen, zu unserem 25-jährigem Jubiläum, weil danach ist doof, weißte? Und das war wichtig für uns, dass wir eben diesen Druck hatten, diese Deadline, dass wir gesagt haben, jetzt muss es fertig sein. Das haben wir noch nie so gemacht, meistens sind unsere Platten mit den Jahren so entstanden, wenn wir genug beisammen hatten, haben wir halt ein Album rausgebracht. Diesmal haben wir uns wirklich hingesetzt.

Also hat das 25-jährige Jubiläum euch Druck gemacht?

Druck würd ich jetzt nicht sagen, sondern das war halt letztendlich der Anlass, dass dann wirklich auch zu machen und nicht zu sagen: Jaja, nächstes Jahr machen wir ’ne Platte. Es war insofern positiver Druck. Wenn der nicht gewesen wäre, hätten wir es dieses Jahr wahrscheinlich nicht gemacht, so wie ich uns kenne.

Ihr habt ein Wasi-Feature, von dem hat man wirklich sehr lange nichts gehört. Vielleicht kannst du erzählen wie es dazu kam oder wo ihr den ausgegraben habt?

Denn haben wir nicht ausgegraben, der Wasi ist ein alter Kumpel, ich meine die haben ihre „Kopfnicker“ -Platte komplett bei uns aufgenommen damals, in München. Die waren in der Zeit bei mir jedes Wochenende, die Massiven, die haben da gepennt. Wir haben uns schon vorher gut vertragen, waren halt HipHop-Kumpels, aber durch den Kontakt zueinander sind wir dann gute Freunde geworden. Natürlich seh ich den nicht dauernd, aber wir haben uns immer wieder zwischendurch mal gesehen, wenn er in München war und so. Auch wenn er musikmäßig von der Bildfläche verschwunden ist. Den Track, den du da hörst, den haben wir schon vor Ewigkeiten gemacht, aber dann haben wir ihn nochmal neu aufgenommen.

Ihr habt auch MC Rene mit dabei, der ja dieses Jahr auch sein Comeback gestartet hat,  auch mit einem Album, das man musikalisch durchaus in eine Reihe mit eurem stellen könnte. Was ihr ebenfalls gemeinsam habt: Die meisten jungen Hörer kennen euch gar nicht mehr. Denkst du, dass das so sein muss, weil Rap einfach immer schnelllebig ist und sich immer wieder erneuert oder wär das schon auch möglich, dass man mehr Kontakt zwischen den Generationen herstellen könnte?

Ich denke,  den Kontakt zwischen den Generationen gibt es schon bei Leuten die halt professioneller unterwegs sind, wenn du  mal beim Max Herre-Album schaust, da hast du ja quasi meine Generation, aber auch  Leute wie Cro und Megaloh und so weiter, Leute, die mindestens zehn Jahre jünger sind als wir. Und das liegt halt daran dass er Musiker ist und viel unterwegs ist und mit den Leuten einfach Kontakt hat. Wir sind nicht viel unterwegs, also haben wir einfach keine Schnittpunkte mit der neuen Generation, oder wenig, in München haben wir ja mit den neuen Leuten, wir pushen etwa Boshi San oder Fatoni. Mittlerweile gibt es da auch noch jüngere, aber wir haben schon auch Kontakt zu den jungen. Prinzipiell hast du aber auch recht: Rap muss sich erneuern und es wäre Quatsch, rumzurennen und zu verlangen, dass alle so Sound wie wir machen.

Wie nimmst du heute denn Rap war, bzw. wie viel beschäftigst du dich mit den neuen Sachen?

Ich suche nicht im Internet nach neuen Sachen rum, sondern mache das eher punktuell. Ich gucke dann wer von den alten Rappern was Neues gemacht hat, wie Denyo letztens zum Beispiel. Das höre ich mir dann natürlich an. Früher oder später bekomme ich eh alles mit, es dauert halt nur. Wenn ein ASD-Album raus kommt, bekomme ich das mit, weil überall Plakate hängen. Ab und zu wird mir was vorgespielt, aber ich suche nicht aktiv die Informationen. Ehrlich gesagt interessiert mich auch zu wenig. Es ist mir nicht wurscht, was die Leute machen, aber prinzipiell muss ich sagen, dass mich in der letzten Zeit von den Newcomer niemand so richtig aus den Socken gehauen hätte. Damals bei Samy Deluxe war das vollkommen anders. Als der sein erstes Album rausgebracht hat, da haben mich der Stil, wie er rappt, der Typ an sich und die Attitüde einfach überzeugt. Ich muss aber sagen, dass ich für mich sowas seit Samy nicht nochmal erlebt habe. Das liegt vermutlich nicht nur an den Leuten, sondern auch an mir. Im Alter hat man ja schließlich auch eine andere Wahrnehmung. Ich bin sicher, dass das an mir liegt und nicht an den Rappern.

Das ist eine interessante Frage. Es könnte natürlich auch daran liegen, dass die Kultur als sie noch jünger, noch mehr Revolutionspotential hatte, weil man noch mehr revolutionieren konnte. 

Es ist natürlich schwer für die Rapper, mit etwas total Neuen um die Ecke zu kommen. Es hat natürlich schon viel gegeben. Insofern bin ich froh und dankbar, dass in meiner Zeit groß geworden bin. Das war ein Glückstreffer. Wir waren einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Du bist ja auch ein großer Freestyler. Pflegst du diese Kunst noch?

Die Hälfte unsere Show ist gefreestylt. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben.

Musst du zwischendurch immer wieder ein bisschen üben?

Nee,  ich mach das ja echt schon so lange. Da bin ich mittlerweile echt routiniert. Klar freestyle ich auch oft im Kopf vor mich hin. Aber sich drei Mal in der Woche mit Kumpels zum Freestyle treffen war eher früher so.

Vielen Dank für das Gespräch.