Kool Savas – Wissen, Flow, Talent

rap.de: Also bereust du im Nachhinein nichts?

Kool Savas: Man kann es ja sowieso nicht ändern. Und dadurch, dass sich manche Fehler wiederholen, merkst du erst, dass es für dich selbst vielleicht gar kein Fehler ist. Und vielleicht ist es auch gar kein Fehler. Vielleicht ist es auch okay. Weißt du, wie oft irgendwelche Klugscheißer zu mir gekommen sind und gesagt haben, deine Karriere – du könntest jetzt hier sein, du könntest da sein? Und ihre Schützlinge sind dann zwei Jahre später weg vom Fenster.

rap.de: Es ist eigentlich sowieso erstaunlich, dass du der einzige Rapper bist, der nicht dieses Geschäftstalent hat, sich aber trotzdem an der Spitze halten kann. 

Kool Savas: Was meinst du mit Geschäftstalent?

rap.de: Diese Bereitschaft, sich um jeden Preis zu vermarkten. 

Kool Savas: Ich habe mich eben auf meine Hauptstärke zu konzentrieren versucht. Mit zwei, drei kleinen Ausnahmen. Aber eigentlich war immer das Ding, wenn die Qualität stimmt, dann lass uns reinbuttern, lass in die erste Tour reinbuttern, die zweite, die dritte, komm, wir machen das, das kostet mehrere tausend Euro, egal, wir machen das. Lass noch einen Vorfilm machen, lass dies und das machen. Und es zahlt sich ja auch letztlich aus: Das Album ist noch nicht draußen, aber wir haben die besten Vorverkäufe, die wir je bei einer Tour hatten. Wir haben Hallen, wo wir jetzt schon 800 Tickets verkauft haben. Bevor die Leute überhaupt wissen, worauf sie sich einlassen. Das ist Killer. Wir spielen dieses Mal in der Columbiahalle in Berlin und versuchen, da 3.000 Leute reinzukriegen. Das ist einfach krank, das ist einfach Rapmucke, und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht stolz darauf bin.

rap.de: Hat sich der Wind nicht ein bisschen gedreht? Eine Zeitlang dachte man fast, du könntest aufs Abstellgleis geraten, weil der Trend mehr in diese Anti-HipHop-Richtung geht. Während jetzt wieder alle ihre Liebe zu HipHop betonen.

Kool Savas: Ich glaube, viele betonen's auch nur, weil es gerade schick ist oder weil's gerade passt, weil alle hier in Mitte gerade voll auf Retro sind. Aber ich habe immer an mein Talent geglaubt. Wenn die ganzen Rapper da draußen auf einmal krass rappen könnten, dazu voll gut aussehen würden, voll die krasse Marketingstrategien hätten und Wahnsinns-Hooks, dann hätte ich auch gesagt, okay, jetzt bin ich nicht mehr der Einzige auf diesem Gebiet. Aber solange das nicht der Fall ist – ich bin da super selbstbewusst, was mein diesbezügliches Talent angeht. Dazu kommt, dass sich mein Songwriting die ganze Zeit stetig entwickelt hat und ich mittlerweile auch ein gutes Gespür dafür habe, was wie wirkt. Ich merke es ja selber, es gibt Tracks auf dem neuen Album, durch die ich Power und Gänsehaut kriege. Und das ist für mich ein gutes Zeichen.

rap.de: Es wird viel darüber geredet, ob irgendjemand mal dein Nachfolger werden könnte. Die Krone von dir übernehmen könnte. Siehst du selbst da denn jemanden? 

Kool Savas: Ay?e beantwortet das bitte.

Ay?e: Nein! 

Kool Savas: Ay?e Doppelpunkt: Nein (grinst). 

rap.de: Du siehst also keinen Kronprinzen?

Kool Savas: Es klingt hässlich, ich sage es auch immer wieder zu meinen Kumpels oder zu Sir Jai. Wenn ich das Intro höre, wie ich das eingerappt habe, sage ich zu ihm, es tut mir leid, lass mich, ich muss das wie ein Fremder sehen und das ist einfach Killer. Sorry. Ehrlich gesagt, ich sehe keinen Kronprinzen. Derzeit nicht. Und ich verstehe nicht, warum. Die Leute könnten ja auch dieser Blaupause folgen, die man ihnen gegeben hat. Allein die Tatsache, dass man zehn Jahre am Start ist, sollte doch Grund genug sein, sich mal Gedanken darüber zu machen, was hat der eigentlich richtig gemacht? Man sagt ihnen doch die ganze Zeit, was sie machen müssen: Man muss Songwriting haben, einen guten Flow, man muss sich natürlich auch in Interviews in irgendeiner Form gut geben und auch etwas darstellen können, nicht so ignorant sein. Und man muss live krass sein. Man kann das ja alles lernen, das gehört ja dazu. Aber die denken sich, weil der eine das geschafft hat, der halt null rappen kann, geht das schon, das reicht, aber das reicht eben nicht. Dieses Imageding – wie lange hält das? Kuck dir irgendwelche Odd Future-Typen an, bei denen es offensichtlich auch zuerst mal sehr hart ums Image geht. Dieser Tyler, the Creator ist für die Leute ja jetzt schon fast wieder uninteressant. Wer weiß, wie lange sich das überhaupt halten wird.
Jedenfalls, die Newcomer müssen einfach an sich arbeiten und üben. Ich habe es, als wir auf Tour gegangen sind, gemerkt, wie wenig die Leute davon überzeugt sind, dass man auch proben muss. Auch Jungs, die ich kenne. Wahrscheinlich haben die nie so richtig für ihre Shows geprobt. Das ist aber übertrieben wichtig, besonders, wenn du neu bist. Du musst total on point sein, die müssten eigentlich viel mehr vorbereiten. Glauben die, einem Cory Gunz sei alles zugeflogen? Sogar der erzählt ja, wie er rappen gelernt hat, dass er die Tapes auf langsam gestellt und immer schneller dazu gerappt hat. Es hat ja auch einen Grund, warum so einer da ist, wo er ist. 

rap.de: Also eine gewisse Verbissenheit muss man schon mitbringen. 

Kool Savas: Hundert Prozent. Ohne geht's überhaupt nicht. Oder du bist soooooo überdimensional charismatisch. Aber das geht halt nur ein paar Jahre und ich glaube, das hält nicht allzulange. Denn irgendwas muss da ja sein. Gut, bei dem einen oder anderen klappt das, aber bei zu wenigen.