Interview mit Benyo Hussain & Fly

Benyo Hussain und Fly haben sich in Köln schon 2012 mit dem „Schälsick“-Mixtape einen Namen gemacht. Zuvor waren die beiden Teil des Labels Komekaté. Derzeit arbeiten sie an neuen Tracks. Wir haben mit den beiden Rappern aus dem berühmt-berüchtigten Kölner Vorort Porz ein Telefoninterview geführt.

 

Ihr habt euch zwar auch schon auf Facebook dazu geäußert, aber ich will die Frage zum Einstieg trotzdem mal abhaken: Was ist jetzt mit Komekaté?

Benyo: Gute Frage, Alter. Du musst dir das so vorstellen: Wir sind alle älter geworden und haben alle gewisse eigene Ansprüche, sich zu verwirklichen in der Musik. Überhaupt, das Leben holt einen ein, jeder hat seinen Scheiß zu tun. Es ist nicht mehr so einfach, sieben Mann unter einen Hut zu kriegen. Also, wir haben jetzt keinen Streit untereinander oder so. Wir sind alle cool miteinander, aber ich würde davon ausgehen, dass auf jeden Fall nix mehr in der Konstellation von uns erscheint, dass es nix mehr zu hören gibt von Komekaté.

Macht ihr jetzt zusammen ein Album oder was ist das Nächste, das ihr plant?

Benyo: Wir haben ja ein Mixtape gemacht, auch schon in der Konstellation als Schälsick, und jetzt haben wir uns dazu entschieden, einfach wieder ein bisschen Gas zu geben. Wir haben einfach mal angefangen, ein paar Songs zu machen. Wir sind auch im Moment dabei, machen regelmäßig Mucke im Studio mit Mecnics und Mete (DJ Mecnics und Mete Makkat, Anm. d. Red.). Wir haben jetzt auch mal angefangen, Videos zu drehen. Da wird auf jeden Fall was kommen. Wir werden auf jeden Fall erst mal ein, zwei Videos raushauen. Dann gucken wir mal, was abgeht. Album oder so, haben wir jetzt noch nix konkretes bisher.

Hier kannst du das „Schälsick“-Mixtape downloaden!

Erklärt doch erst mal für Nicht-Kölner, was die Schälsick überhaupt ist.

Benyo: Die Schälsick ist die rechte Rheinseite hier in Kölle. Der Begriff „Schäl“ kommt ja von „falsch“. „Die falsche Seite“ – das haben die Linksrheiner, die ursprünglichen Kölner, wie sie sich nennen, ins Spiel gebracht über die rechte Rheinseite. Köln, muss man ja wissen, ist ursprünglich römisch gewesen und wurde links vom Rhein gegründet, und die rechte Rheinseite war damals noch wildes Barbarenland. Die Grenze vom Römischen Reich verlief ja genau am Rhein entlang, und die Barbaren haben sich halt lange gewehrt gegen die Eingemeindung zu Köln. Deswegen kam die rechte Rheinseite erst später dazu. Aber ein paar Barbaren sind übrig geblieben, ne? (lacht)

Inwiefern spielt das auch heutzutage noch eine Rolle? Was unterscheidet die rechte und linke Rheinseite?

Benyo: Auf der linken Rheinseite ist der Dom und die Innenstadt, die Ringe, Leute feiern den ganzen Tag. Neuerdings haben wir da auch so ’ne Hipster-Plage. Hier auf der rechten Rheinseite ist alles ein bisschen trockener. Hier wohnen die Lück (Kölsch für „Leute“, Anm. d. Red.), die machen ihre Geschäfte. Hier gibt’s den besten Döner, hier kannste dich an den Rhein setzen. Ist schon was anderes. Wenn du jetzt in Porz wohnst wie wir, hier ist ja jetzt nicht unbedingt Innenstadt-Feeling.

Da seid ihr auch zusammen aufgewachsen oder wie habt ihr euch überhaupt kennengelernt?

Fly: Wie alt waren wir, Alter? 12 oder so! Da waren wir 12, unten beim Basketball spielen haben wir uns kennengelernt. Wir haben Basketball gezockt und dann direkt am Wochenende den ersten Track geschrieben. War natürlich Schrott, aber war ein geiles Feeling.

Benyo: Stimmt! Wir haben uns echt kennengelernt und ein paar Tage später den ersten Track geschrieben. „Also fickt euch“ hieß der. Aber ist schon ein bisschen länger her. 18 Jahre ist das her ungefähr.

Würdet ihr euch eigentlich als Straßenrapper bezeichnen oder könnt ihr mit dieser Schublade nichts anfangen?

Benyo: Nee, Alter. Wir sind keine Straßenrapper. Wir machen einfach Mucke vom Herzen, die wir fühlen. Da geht’s auch schon mal ruppiger zur Sache, aber das ist einfach, weil wir so Typen sind. Wir sind aber keine Straßenrapper oder so was. Wir rappen einfach über das, was wir den ganzen Tag machen. Leute wollen das natürlich immer einordnen, das ist klar. Vielleicht am ehesten Straßenrap, aber ganz ehrlich find‘ ich nicht, dass wir da reinpassen in diese Schublade – ist zu fröhlich, unsere Musik! (beide lachen)

 

 

Welche anderen Rapper feiert ihr? Gibt es welche, die ihr als musikalische Einflüsse bezeichnen würdet?

Benyo: Einflüsse auf jeden Fall, aber die liegen alle ein bisschen weiter zurück. Wir mögen den klassischen Hip Hop, was die Beats angeht und so Sachen. Schön immer nach vorne, bumm-bumm-tschak und so weiter.

Fly: Von uns wirst du niemals Trap-Musik hören!

Benyo: Genau! Das ist nicht unser Ding. Wir orientieren uns da so ein bisschen an der Mucke von damals. 90er Jahre, klassischer Hip Hop, das ist unser Ding, weißte? Wenn du jetzt nach Rappernamen fragst, die stammen halt auch aus der Zeit. Aber da könnte ich dir jetzt ’ne Liste runterbeten, von denen die Jüngeren wahrscheinlich noch nie gehört haben. Brauchst du da unbedingt Namen?

Ne, nicht unbedingt. Was haltet ihr denn von neuartigen Entwicklungen wie Trap und Cloud Rap?

Fly: Ich halte davon nicht so viel, um ehrlich zu sein. Guck mal, diese ganze klassische Scheiße wie damals der West Coast und East Coast Sound wird immer da sein, aber Trap, Cloud Rap, das sind alles nur Trends. Irgendwann ist das weg, aber dieser klassische Hip Hop wird immer da bleiben.

Benyo: Seh‘ ich genauso! Wenn du jetzt mal guckst z.B. auf den Festivals und so: Welche Auftritte gehen am meisten ab? Das sind immer die, die so ein bisschen klassisch sind von der Mucke her. Wie Fly sagt, das ist ’ne Modeerscheinung. Das ist auch alles cool. Rap soll sich immer entwickeln, und es soll tausend Sparten geben: Cloud Rap, Moud Rap, Vogel-Rap, was auch immer. Die Leute sollen machen, was die wollen. Das kann man ja auch nicht verurteilen. Manche können das auch sehr gut. Es gibt auch ein, zwei Rapper, die haben auf jeden Fall Bretter rausgehauen mit dem Stil, aber ganz ehrlich, das ist nix für uns.

Soundtechnisch war euer Mixtape ja auch sehr an die 90er angelehnt, allerdings habt ihr dort nicht nur Beats von Ami-Rappern, sondern auch z.B. von Freundeskreis verwendet. Benyo hat ja auch einen Remix zu „Rap ist“ von Max Herre gemacht, den ja viele nicht so respektieren. Seid ihr da generell offener?

Benyo: In Köln sagt man: „Jeder Jeck es anders!“ – gut, ich bin jetzt auch nicht der Typ, der für Max Herre die Fahne hochhält, aber der hat auch was für HipHop gemacht in Deutschland. Jetzt mal abgesehen davon: Das geht jetzt schon viel zu tief. Wir haben den Beat gehört, der Beat hat uns gefallen. Wir haben den Beat genommen und einfach rausgehauen. Du spielst ja wahrscheinlich auf den Freundeskreis-Beat bei dem Song „Schälsick“ an. Der passte da einfach super. Ich hab auch „Rap ist“ gemacht, aber aus dem selben Motiv heraus, weil ich den Beat cool fand und weil ich das Thema cool fand und dann wollte ich einfach auch mal was dazu sagen. Dass Max Herre nicht respektiert wird, ist mir egal. (lacht)

Apropos „Rap ist“: Was ist Rap denn für euch? Was macht für euch die Faszination Rap aus?

Fly: Was Rap für mich ausmacht, sind diese Kleinigkeiten drumherum. Du fährst zu ’nem Auftritt, du hängst da Backstage ab oder du hängst einfach noch so in dem Laden ab, lernst Leute kennen, fährst in andere Städte, nimmst voll die Sachen mit. Du kannst zehn Stunden am Tag arbeiten gehen, hast voll den geilen Job, verdienst voll die Kohle, aber du erlebst einfach nicht diese Sachen, die du durch Musik erlebst. Das sind so Dinge, die vergisst du nicht, die behältst du für dein Leben im Kopf. Das ist unnormal, dieses Feeling, was diese Musik transportiert.

Um mal zu eurer Musik zurück zu kommen: Ist das, was ihr jetzt macht, vom Sound her vergleichbar mit dem „Schälsick“-Mixtape oder wird uns da was ganz Anderes erwarten?

Fly: Nein! Das ist genau das gleiche wie das „Schälsick“-Mixtape, ganz ehrlich. Da ändert sich nicht viel. Hardcore 90er Jahre Rap-Beats und einfach Brett vor’m Kopf.

Benyo: Ja, Mann, genau so! Nur der Unterschied ist, die Beats machen jetzt halt Mete und Mecnics, das sind alles Eigenproduktionen. Wenn wir nicht noch mal ein Mixtape machen, was ich jetzt gerade gar nicht absehen kann, wird ab jetzt alles mit eigens produzierten Beats sein.

Ein Track auf dem Mixtape heißt „Früher war alles besser“. Seht ihr das wirklich so und ist das ’ne allgemeine Aussage oder ist das auch auf Rap-Musik bezogen?

Fly: Guck mal, am Ende vom Track sagt der Benyo doch noch: „Ganz ehrlich, früher war gar nicht so gut“. Jeder ist ein anderer Jahrgang und jeder wird irgendwann mal sagen: „Früher war besser“, weißte? Wir sind 90er Jahre Jungs, wir sind da aufgewachsen, das war unsere Zeit. Da bist du noch mit Beeper in die Telefonzelle gegangen und musstest Leute anrufen, wenn du was wolltest. Das kennen die ganzen Kids von heute gar nicht mehr, da gibt’s ein iPhone mit neun Jahren und jut es.

Benyo: Ja, Mann, aber sieh das nicht so eng, alter. Das ist so ne Floskel, die hat jeder schon mal benutzt. Wir sehen das mit ’nem zwinkernden Auge. Früher war gar nicht so gut.

Die Kölner Szene ist ja nicht mit Hamburg oder Berlin zu vergleichen, dabei gibt es dort ja schon einige talentierte Rapper. Was denkt ihr, woran es liegt, dass Köln sich nie wirklich in der Raplandschaft etablieren konnte?

Benyo: Ich glaube, es liegt ein bisschen daran, dass niemand aus Köln bisher diese Grenze durchbrochen hat und deutschlandweit Ruhm erlangt hat. Wir haben so ein paar Leute: Eko z.B. kann man da vielleicht nennen, manche wollen dann auch noch Olli Banjo nennen. Das sind ja zugezogene Leute. Nix gegen die, ich hab gar kein Problem mit denen. Ich mein‘ nur, dass es vielleicht auch daran liegt, dass richtige Kölner es bisher noch nicht durch diese Grenze gepackt haben und in den anderen Städten ist das halt so. In Hamburg gab’s schon damals diese Welle. Die Hamburger waren deutschlandweit bekannt, und wenn so was passiert und man dann ’ne größere Aufmerksamkeit hat, gibt es plötzlich große Hallen, die gebucht werden, wo Leute Auftritte machen und das ganze Umfeld, die ganze Stadt wird daran gewöhnt, dass Rap größer ist in der Stadt und das ist in Köln halt noch nicht passiert. Wir haben ’ne große Szene, aber die ist nicht so auf der großen Bühne aktiv.

Dann wünsche ich euch mal, dass ihr vielleicht diejenigen seid, die es schaffen, auch außerhalb Kölns bekannt zu werden. Wenn ihr noch irgendwas abschließendes zu sagen habt, könnt ihr das ja noch loswerden.

Benyo: Haltet die Augen und Ohren offen! Demnächst kommt ein Video: „Immer wigger“, kann ich schon mal verraten. Checkt das Video ab, bleibt auf dem Laufenden. Wir sind regelmäßig im Studio, wir treten regelmäßig wieder auf, auch wenn’s kleine Gigs sind hier in der Gegend. Kommt vorbei, wir reißen ab zusammen! Fragt Leute, die da waren, die wissen Bescheid, wie das abgeht, wenn wir auftreten.