Rapsoul

Es gibt vieles, was einem durch den Kopf geht, wenn man den Bandnamen "Rapsoul" hört und zumeist sind das ziemlich eindeutige Bilder. Schmusepop mit Rapeinlagen, meist über die große Liebe, die große Trennung oder die Suche nach ersterem beziehungsweise die Entscheidungsfindung zu zweiterem. Das sich nicht immer alles direkt in Schubladen einordnen lässt, sollte uns allen bekannt sein. Die Erkenntnis, die wir aus dem nachfolgenden Gespräch mit den Herren CJ Taylor, Steven Neumann und Jan Färber mitnahmen, war dann aber doch etwas überraschend. Auch in der musikalisch weicheren Ecke Frankfurts hat man sich zumindest im Herzen den vier Elementen der Hip Hop Kultur verschrieben und würde sich genau das auch vom Großteil der straighten Rapszene wünschen. Warum man die Jungs lieber nicht in der S-Bahn ansprechen sollte und weshalb im Hause Rapsoul zwar durchaus über "Ärsche" und "Titten", jedoch eher weniger vom "Ficken" gesprochen wird, wurde außerdem geklärt.

rap.de: Seid ihr mehr Rap oder seid ihr mehr Soul?

Steve: Wir sind die Mischung zwischen beiden Sachen. Wir haben eine soulige Seite, die CJ reinbringt und wir zwei fügen Rap dazu.

rap.de: Steve und Jan, ihr habt ja auch als Rapgruppe angefangen.

Steve: Dreckskind und Pechvogel, genau. Wir waren auf "Geteiltes Leid 2“ von Moses mit drauf und hatten auch selbst eine Veröffentlichung, die hieß "Lebensakt“. Außerdem waren wir auf verschiedenen Samplern. Das waren unsere Anfänge, aber das war alles nicht sehr erfolgreich. Das haben wir damals mit Herz und Verstand, mit dem Effe und dem Kareem gemacht. Mehr gibt’s eigentlich nicht dazu zu sagen.

rap.de: Wie seid ihr zu diesem Rapding gekommen? Habt ihr so richtig im eigenen Keller angefangen?

Steve: Eigentlich schon. Wann ich jetzt genau angefangen habe, weiß ich nicht. Ein Freund von uns hat damals schon Musik gemacht. Der hatte im Kinderzimmer schon ein paar Sachen rumstehen. Wenn wir damals nicht in die Disco reinkamen, weil wir zu viele Jungs waren, dann sind wir immer bei ihm gelandet. Er hat uns immer mal was vorgespielt und das hat dann mein Interesse für die Sache geweckt. Da dachten wir uns, Musik machen ist schon irgendwie geil, und am Computer kann man ja Beats machen auch ohne ein Instrument gelernt zu haben und dann kam das rappen auch schon dazu. So hat das angefangen. Ziemlich früh eigentlich. Jan war erst zwölf oder so als er angefangen hat. Ich war schon ein bisschen älter, denn ich bin ja der Älteste in der Gruppe. Im Prinzip haben wir angefangen wie viele andere Rapper auch, so richtig mit kleinen Jugendhaus-Auftritten. Irgendwann haben wir CJ kennengelernt, auch ganz klassisch in einem Plattenladen, der einem Freund von uns gehörte. CJ kannte viele DJs aus Aschaffenburg und wir kannten damals viele DJs aus Frankfurt. Der Besitzer des Ladens hat uns dann aufeinander aufmerksam gemacht, weil wir immer nach Leuten gesucht haben, die auch Musik machen. Ich mache ja auch Beats und der Gedanke war einfach, vielleicht auch Beats für andere Leute zu machen. Dann haben wir CJ kennengelernt und das hat gepasst, sowohl musikalisch als auch menschlich. Wir dachten uns, dass das ziemlich geil ist, denn dieses reine Rapding fanden wir zwar cool, aber wir wollten schon immer etwas mehr machen

rap.de: Hattet ihr irgendwelche Vorbilder, was die Musik angeht?

Steve: Ganz klar, 3P waren das damals. Da wir ja auch in Rödelheim gewohnt haben und jetzt wieder wohnen, waren das die Einflüsse. Die haben es vorgemacht und wenn die das können, dann muss es auch irgendwie bei uns funktionieren.

CJ: Für mich war es eher die Motown-Schiene. Ich bin mit Black Music aufgewachsen und habe immer viel Soul gehört und habe auch immer viel gefeiert. Ich habe halt sehr jung angefangen. Ich bin ja auf einer Militär Basis aufgewachsen und war da das kleine Mischlingskind und habe das durchgezogen und mich aber auch extrem gefeiert. Ich bin eher der soulige Typ und das Rapding ist nicht so meins. Ich habe auch mal mit Jungs im Jugendhaus mitgejammt, aber ich war schon immer der Sänger.


rap.de: Man sagt ja, der Frankfurter Musikmarkt wäre sehr US beeinflusst. Konntet ihr mit anderen Deutschrap Sachen überhaupt was anfangen?

Steve:  Wie gesagt, bei uns war es ganz klar Rödelheim Hartreim Projekt

rap.de: Was aber auch zu Frankfurt gehört

CJ: Also, ich habe Hamburg noch krass gefeiert. Ich habe ja von 1999 bis 2001 in Hamburg gelebt, wo ich auch Sleepwalker kennengelernt habe. Das war bei so einem Event auf der Reeperbahn. Da waren noch KC Da Rooke, Mr Schnabel und alles, was mit deutschem Hip Hop irgendwie zu tun hatte. Ich fand das schon cool. Ich habe mich auch gefreut, dass das alle gefeiert haben. Ich musste mich am Anfang immer noch rechtfertigen, dass ich in Crosscolour Hosen und Hightech Boots rumgelaufen bin. Man musste früher noch Leuten Geld mitgeben, damit man Pumas aus den USA mitgebracht kriegte. Ein Jahr später sind dann die Leute hier mit denselben Schuhen aus dem Real rumgelaufen. Das fand ich natürlich auch ein bisschen scheiße, weil ich mich vorher dafür rechtfertigen musste. Wir haben damals dafür gekämpft. Wir waren die Jungs, die Pappkartons aus dem Mülleimer geholt haben, um darauf zu breaken, mit diesen alten Ghettoblastern, die man auf T- Shirts heutzutage manchmal sieht. Das habe ich alles miterlebt.

rap.de: Fehlt es dir, dass viele Rapper heutzutage gar keinen Bezug mehr zur Hip Hop Szene haben, beziehungsweise gar nicht haben wollen?

CJ: Ich denke, dass jeder Musik machen kann wie er will und wenn jemand etwas zu berichten hat, egal in welcher Hinsicht, dann soll er das gerne tun. Wenn es die Leute interessiert und ihn gut finden, dann muss er nicht vorher gebreakt oder gesprüht haben, dann kann er auch mit einer Bomberjacke und einem Unterhemd auf die Bühne gehen. Auch ohne weite Hosen zu tragen, sind das für mich trotzdem Rapper. Mir fehlt das überhaupt nicht, dass die Leute heute nicht mehr so aussehen oder es verschiedene gibt. Samy Deluxe sieht ja immer noch aus wie früher, der trägt ja auch keine engen Hosen. Rap ist etwas, das du von dir gibst, etwas, das du erzählen musst. Wenn es dir scheiße geht, dann rappst du halt darüber, oder singst wie in meinem Fall. Es geht auch um Aufmerksamkeit. Für die Außenseiter, die wir damals waren, hatte das auch einfach etwas Verbindendes. Man sah etwas und wollte das dann auch unbedingt machen, und dann bist du los und hast ein Tag an die Wand gemalt. Viele sind dann natürlich erwicht worden und dann musstest du Stunden abarbeiten oder es überstreichen, um vielleicht keine Strafe zu zahlen. So was fehlt mir heutzutage schon. Jeder kann machen was er will, aber es kann halt auch jeder machen, weil das einfach zu leicht zugänglich ist das Ganze.

rap.de: Ist das Internet daran schuld?

CJ: Ich denke, das Internet hat alles kaputt gemacht

Steve: Was jetzt, dieses Hip Hop Ding?

CJ: Generell. Alles.

Jan: Denke ich nicht unbedingt. Viele Künstler können das dadurch machen, die es sonst nicht machen könnten. Man kann für relativ kleines Geld Videos drehen, die relativ cool sind und die man sich auf Youtube dann anschauen kann. Da gibt es schon ein paar, die ich mir gerne angucke. Am Ende ist Musik ja Unterhaltung. Ich möchte ja unterhalten werden, wie wenn ich einen Film gucke. Davor gab es MTV und Viva oder damals noch VH1. Die Videos haben alle viel Geld gekostet und da liefen dann auch nur die, die einen Deal hatten. Jetzt kann man sich auch Leute angucken, die ein eigenes Video drehen, aber vielleicht trotzdem einen geilen Song haben. Oder du kannst dir auf MySpace oder deren Website die Sachen anhören. Im kommerziellen Sinne hat das Internet auf jeden Fall einiges kaputt gemacht. Es ist sehr schwer geworden, davon zu leben und den Kids klar zu machen, dass runterladen nicht cool ist, weil sie dadurch in einer gewissen Art und Weise ihr Idol zerstören. Das ist definitiv ein großer Zwiespalt. Auf der einen Seite feiern sie einen Rapper, auf der anderen Seite behaupten sie, sie hätten kein Geld, um ein Album zu kaufen. Irgendwann kann deren Lieblingsrapper aber keine Musik mehr machen, denn genauso wie ein Maler von seinen Bildern lebt, muss er ja auch davon leben können. Ein Restaurant lebt davon, Essen zu verkaufen. Wenn die irgendwann ihr Essen umsonst weggeben, dann ist das Restaurant am Ende.

rap.de: Macht ihr euch auch um eure Zukunft Sorgen?

Jan: Ich denke, wir machen uns keine Sorgen, denn bis jetzt ging es gut und wenn man sich dazu entschlossen hat, es zu machen, dann sollte man es tausendprozentig machen und wenn man irgendwann auf die Fresse fliegt, dann hat man es wenigstens versucht. Wenn man sich jetzt Gedanken über die Zukunft macht, ob man in einem Jahr vielleicht keine Patte mehr hat, dann kann ich es auch eigentlich gleich sein lassen. Wenn du diese Ängste die ganze Zeit mit dir rum schleppst, dann hast du irgendwann nur noch Abturns.

Steve: Es schwingt natürlich schon immer das Gefühl mit, was denn jetzt ist, wenn gar keiner mehr CDs kauft oder Geld für Musik ausgibt, aber dann muss man halt einen anderen Weg finden. Das Schöne an dem was wir machen ist, dass es auch immer andere Wege gibt, was zu machen, außer der Musik. Nur weil du keine Musik mehr machen kannst, bist du ja nicht gleich weg vom Fenster.

CJ: Du kannst ja auch Konzerte spielen, die meiste Kohle kommt sowieso durch Konzerte.  Leute werden ja immer zu Konzerten gehen. Selbst wenn Leute nur noch auf Youtube-Videos schauen und das irgendwann nur noch eine Projektionsfläche für Sponsoren ist, gibt es immer noch welche, die dich live sehen wollen, denn du bewegst da ja auch was. Ich glaube, dass auch viele Rapper, die nicht kommerziell sind, sich durch dieses Liveding finanzieren. Es gibt ja auch diese kleinen Labels, die sich dadurch über Wasser halten.


rap.de:
Es gibt auch viele Künstler, die sich ständig darüber beschweren, dass niemand mehr ihre Musik kauft, sich dann aber auch weigern arbeiten zu gehen.

CJ: Ich denke, es gibt einfach zu viele, die das nur wegen Geld machen. Da steckt dann nichts dahinter, die haben keine Liebe dafür. Ich denke, die Leute die dahinter stehen, sind dann auch die, die nicht aufhören. Um jetzt noch mal zurück auf das Internet zu kommen, das macht alles zu schnell zugänglich. Jeder Vierjährige kann sagen "Guck, ich bin Rapper.“ Jeder ist der krasseste Kämpfer aus seinem Viertel, aber es ist nicht mehr so, dass man sagt "Geil, ich mach das jetzt. Ich kicke jetzt einen Freestyle und smack dich weg“, wie man das früher gemacht hat. Diesen Kick gibt es halt einfach nicht mehr. Heute macht einfach jeder sein Ding. Frankfurt hat das auch damals verpennt, diese Ami Energie zu nutzen, die da war. In Hamburg gab es das dann von heute auf morgen einfach. Die hatten deutsche Texte und gute Hooks. Nur um noch mal darauf einzugehen, dass Hip Hopper heutzutage nichts mehr verkaufen. Es gibt keine gescheiten Jams mehr, beziehungsweise nur Jams, die heute eigentlich sehr gut sein könnten, wenn sie ein bisschen moderner aufgezogen wären. Es gibt ja auch nichts mehr, wo man hingeht. Im Pop gibt es so was wie The Dome, aber die Hip Hopper machen ja auch nichts mehr. Die Leute stehen halt da und feiern sich ab. Da hat halt das eine mit dem anderen zu tun. Entweder machst du was für die Szene und hast auch etwas davon, weil die Leute gerne zu deinen Konzerten kommen, weil sie sich denken "Geil, ich hab jetzt DEN Act gesehen“, wie die Kids, die uns bei the Dome sehen und sich denken "Geil, ich kauf mir diese Compilation“. Das gibt es im Hip Hop nicht. Die haben auch diese Trennung Hamburg/Frankfurt. Das kann der krasseste Gangstarap sein, wenn das aus Hamburg kommt, ist es immer noch schwul. Berlin hat halt diesen Aggrofilm gefahren und ist damit sehr gut gefahren. Mittlerweile denken viele hier in Deutschland beim Wort "Rap“ auch nur noch an Leute wie Bushido.

Jan: Ich denke, die Leute anzuklagen, dass sie keine Musik mehr kaufen, ist der falsche Weg. Es reicht nicht, nur eine Platte aufzunehmen, sondern man muss sich auch um seine Fans kümmern. Das machen wir jeden Tag, Fanarbeit. Wir haben jetzt so ein Handy eingerichtet, wo die Leute uns anrufen können und manchmal gehen wir ran. Das war schon immer so, dass wir mit den Fans von Anfang an richtig cool sind. Nach jedem Konzert machen wir eine Autogrammstunde, bis der Letzte geht. Wir bleiben immer bis zum Ende dort. Am 17. Juni machen wir wieder ein kostenloses Fankonzert. Man braucht halt eine gewisse Bindung, denn wenn wir diese Leute verlieren, dann hast du nur noch die Youtubeleute, die dich zwar cool finden, aber nicht wollen, dass du bei Viva läufst oder große Konzerte spielst.

rap.de: CJ, du hast etwas Interessantes gesagt. Dass die Leute in Deutschland nur noch an Bushido denken, wenn man sie nach Rap fragt. Aber ist das vielleicht nicht auch ein Zeichen dafür, dass Deutschland abseits von Amerika eine eigene Szene entwickelt hat?

CJ: Das stimmt und da gebe ich dir auch Recht, aber hier wird mehr von Hip Hop geredet, als dass er wirklich gelebt wird. Das ist der Unterschied zwischen Deutschland und Amerika, hier wird zuviel geredet. Wir haben es auf jeden Fall geschafft und ich bin auch total stolz darauf. Ich war auch derjenige, der gesagt hat: “Ey Deutschland vermisst was, wir müssen auch zeigen, dass da was geht“. Das ist das, wo ich dir vollkommen recht gebe, aber in Deutschland wird zuviel drüber geredet. Über Hip Hop zu reden ist mittlerweile so wie Kaffee trinken. Das mag ich nicht.


rap.de:
Inwiefern lebt ihr Hip Hop, also im Alltag?

CJ:  Hustlen! (lacht) Wir machen das Gleiche, was wir schon vor fünf, sechs Jahren gemacht haben.  

Steve: Wie soll man denn Hip Hop leben?

rap.de: Ihr scheint ja einen konkreten Kritikpunkt zu haben. Ihr werft den Leuten vor, dass sie Hip Hop nicht mehr leben. Da könntet ihr ja mit gutem Beispiel voran gehen.

CJ: Ja, ich sage halt, dass mich das stört. In Deutschland ist es so, dass dir vorgeschrieben wird, was du zu machen hast. Double Rhymes zum Beispiel, aber es kommt nichts Neues. Das ist halt das, was damals so geil war, in dieser Anfangszeit. Das konnte man noch richtig leben, auch mit den Klamotten. Es gab immer irgendetwas Neues.

Steve: Ich glaube, wie wir Hip Hop leben ist, dass wir machen, worauf wir Bock haben, ohne uns da jetzt großartig einschränken zu lassen.  Wir machen die Musik schon immer so, wie wir es wollten, und haben uns da nichts vorschreiben lassen. Es ist natürlich auch die Frage, wie man Hip Hop eigentlich definiert. Wer sagt denn, wie das gelebt werden muss und was bedeutet es, das zu leben. Und wenn man das jetzt mal daran festmacht, was viele Rapper sagen, dass es eben wichtig ist, real zu bleiben und seinen Arsch nicht zu verkaufen, dann kann man sich ja auch wieder fragen, was "real“ eigentlich bedeutet. Ist es real, was zu erzählen, was ich eigentlich gar nicht wirklich mache, oder ist es real, darüber zu sprechen, was man täglich erlebt? Egal ob es Liebesgeschichten sind wie bei uns, oder irgendetwas Hartes. Ich würde unsere Musik ja auch nicht unbedingt als puren Rap bezeichnen, weil wir eher eine Mischung aus allem und somit "R’n’B“ sind. Nur weil wir kommerzieller sind, sagen auch manche Leute, dass es Popmusik ist, anstatt es als Rap oder Hip Hop zu bezeichnen. Wir haben aber auf jeden Fall immer das gemacht, worauf wir Bock hatten. Wenn jetzt zum Beispiel jemand meint, dass er es schwul findet, dass bei uns zwei Strophen gerappt und eine Strophe und die Hook gesungen werden, dann ist das eben seine Meinung, aber wir wollten es so. Und jetzt macht das plötzlich jeder.

rap.de: Aber ihr beschäftigt euch ja anscheinend mit Rap. Würdet ihr euch wünschen, von der deutschen Hip Hop Szene gerne mehr respektiert werden?

Steve: Die Akzeptanz kriegen wir ja von den Leuten, es wird nur nicht in Interviews darüber gesprochen. Wenn wir irgendwelche Leute treffen oder der CJ auf dem Massiv-Album ein Feature macht oder wir mit sido beim Comet chillen, dann ist das schon eine Bestätigung für das, was wir machen. Aber wir sind mit dem was wir machen, eben so ein bisschen in einem anderen Genre, deshalb hatten wir es auch schwer. Wir haben zwei Sachen zusammen gefügt, von dem die Leute am Anfang meinten, es wäre ein bisschen schwul. Rap mit Gesang fanden alle scheiße. Als das dann aber bei uns funktioniert hat, hat jeder angefragt, ob er ein Feature mit CJ haben könnte und hatte dann im Endeffekt irgendeinen schlechten Rapper auf der Platte.

Jan: Wir waren da halt die Vorreiter, die mit "Gott Schenk Ihr Flügel“ und "Verzweifelt“ durch die Decke gegangen sind und deshalb hieß unser Album dann ja auch "Unbeschreiblich“.

 

rap.de: Ihr habt euch allerdings einem aktuell sehr populären Trend im Hip Hop angeschlossen und einen Elektro-Track gemacht. Was mir bei "Tanz In Die Nacht“ aufgefallen ist: Ihr sprecht von "fetten Ärschen“ und "dicken Titten“, dann kommt die Zeile "Alle denken nur ans…“. Wenn man jetzt konsequent in seiner Aussage wäre, würde man sagen "Ficken“, aber ihr sagt "Kuscheln“. Ich weiß nicht, ob es irgendeinen Club gibt, in dem das tatsächlich so ist, aber man könnte euch ja schon vorwerfen, dass eure Texte weichgespült sind.

CJ: Ja, in einem normalen Deutschrap-Track wäre wahrscheinlich "Ficken“ gesagt worden. Wir haben aber eine wahnsinnig breit gestaffelte Hörerschaft, wo wirklich viele jüngere, aber auch ältere Leute dabei sind. Die nehmen aus unseren Texten viel mit, es geht ja wirklich um Trauer, um Ängste,  um Verzweiflung im täglichen Leben. Wir machen viele Hoffnungstracks oder nachdenkliche Dinger, also eigentlich etwas, was jeden anspricht.

Steve: Aber du hast ja gesagt, dass du direkt an "Ficken“ gedacht hast. Das heißt, du hast es automatisch im Kopf, wir sprechen es aber einfach nicht aus. Und das reicht uns dann schon, das ist so ein bisschen mit einem Augenzwinkern. Wenn wir "Titten“ sagen, wissen die Leute ganz genau, dass der Reim eigentlich "Ficken“ wäre, aber wir sagen es halt nicht. Wir brauchen das nicht auszusprechen. Wir brauchen viele Sachen nicht zu sagen, die Leute wissen auch schon, dass wir das so machen.  Warum sollen wir das so machen, wie es viele andere tun und nicht so, dass man es auch im Radio spielen kann?

rap.de: Trotzdem küssen sich in der Dirty Version von dem dazugehörigen Video irgendwelche leicht bekleideten Party-Bitches. Da sehe ich einfach eine starke Differenz zum Text.

Steve: So wie die Berliner ihre eigene Sprache haben, hat ja jeder irgendwelche eigenen Begriffe oder so. Und dann macht man halt, wenn man eine schöne Frau sieht, auch mal Witze von wegen "Boah, mit der würde ich jetzt richtig gerne… kuscheln.“ Wir haben dieses Wort jetzt nicht deshalb verwendet, weil wir gedacht haben, dass unser Lied nicht im Radio läuft, wenn wir "Ficken“ sagen oder weil nur kleine Kinder unsere Musik hören. Wir haben auch Songs, wo wir eben Sachen wie "Sie wurde von ihrem Freund gefickt“ sagen. Das ist dann aber eben kein Party-, sondern ein Message-Song. Wir sagen ja jetzt in dem Lied zum Beispiel auch "Helle Lichter, bunte Farben“. Meine ich damit, dass die alle auf Drogen sind oder sind die Farben wirklich bunt und die Lichter hell? Theoretisch kann man das ja deuten wie man will. Wir wollten auch einfach ein bisschen provozieren.

rap.de: Ein anderer heraus stechender Song auf eurem neuen Album ist "Sie Wissen Nicht, Wie Es Ist“. Da beschwert ihr euch mehr oder weniger darüber, dass wir alle keine Ahnung haben wie es ist, als Star in der U-Bahn zu sitzen und gefragt zu werden, warum man mit der Bahn fährt.

Steve: Das ist jetzt nicht unbedingt eine Beschwerde und wir wollen damit niemanden angreifen. Das Lied soll nur ein bisschen beschreiben, was bei uns so die letzten zwei Jahre passiert ist und dass die Kids eben denken, dass man Millionär ist, sobald dein erstes Video bei Viva läuft. Dass man den Leuten eben zeigt, dass es auch eine andere Seite gibt. Wir werden zwar erkannt und machen hier und da die Konzerthallen voll, aber  es gibt eben auch die andere Seite. Es ist ganz normal und kann wirklich mal passieren, dass Leute zu dir kommen und sagen "Ey, wieso sitzt du in der S-Bahn? Du bist doch ein Star, ich hab dich gestern im Fernsehen gesehen!“. Ja, das ist so, aber ich bin doch trotzdem noch ein normaler Mensch. Das Lied soll einfach ein Zeichen dafür sein, dass wir ganz normale Typen sind.

CJ: Wir überlegen uns ja auch nicht im Vorfeld, was wir alles auf der Platte drauf haben wollen, sondern schreiben uns Sachen einfach von der Seele. Da kommt dann halt so ein Song zustande, der vielleicht überhaupt keine Single ist und auch sonst nicht so aufs Album passt.

Jan: Wir sind ja auch sehr bodenständig geblieben. Die Leute wundern sich auch, wenn wir bei Lidl einkaufen, aber wo denn sonst? In irgendeinem Feinkostladen? Ich bin ein ganz normaler Typ, der Musik macht, der davon zum Glück leben kann und der sein Hobby zum Beruf gemacht hat.

rap.de: Jemand, der jetzt vielleicht auf dem Bau arbeitet, könnte das Ganze aber trotzdem als eine Art Luxus-Beschwerde auffassen.

Jan: Aber ich weiß ja jetzt auch nicht, wie es zum Beispiel auf dem Bau ist.

Steve: Man wird auch wirklich teilweise in unangenehme Situationen gebracht. Wenn ich zum Beispiel im Club an der Bar stehe, zwei Mädels ankommen und mit mir ein Foto machen wollen und im Anschluss fragen, warum ich ihnen jetzt kein Getränk ausgebe. Weil sie ja denken, dass ich Millionär bin oder so. Da denke ich mir nur "Nein, bin ich nicht!“ und wahrscheinlich legt sie danach im Auto die gebrannte CD ein. Vielleicht hätte ich ihr einen ausgegeben, wenn sie nett gefragt hätte.

Jan: Dieses Musik-Ding ist natürlich sehr angenehm. Ich meine, wir haben echt nicht viel Arbeit und müssen höchstens Mal ins Studio gehen oder so. Aber wenn du keinen Erfolg mehr hast, hast du Pech gehabt. Ich habe zum Beispiel keine Ausbildung und auch keinen Schulabschluss und wenn ich keine Platten mehr verkaufe, habe ich echt ein Problem. Der vom Bau kann noch irgendwo schwarzarbeiten, ich kann nichts mehr machen. Wir haben uns in diesen eineinhalb Jahren, in denen wir jetzt am Album gearbeitet haben, natürlich schon gedacht, was ist, wenn das jetzt alles plötzlich nicht mehr klappt. Wenn die Leute das nicht mehr kaufen, sind wir am Arsch.

rap.de: Na das sind doch schöne abschließende Worte. Vielen Dank für das Interview.