Brother J

Nicht weniger als 14 Jahre sollte es dauern, bis sich der X Clan nun mit einem neuen, wenn auch gerade mal dritten Album zurückmeldet. Nach dem Debüt To the East, Blackwards von 1990 und dem Nachfolger Xodus von 1992 tritt der X Clan heute in fast gänzlich neuer Besetzung wieder ins Rampenlicht. Einzig Brother J, der Grand Verbalizer, steht als einer der ehemals vier Mitglieder dem „neuen“ X Clan als Kopf bzw. Herz vor. Der Rhythm Provider Sugar Shaft starb bereits 1995 im Alter von nur 23 Jahren an AIDS. Am 17. März dieses Jahres verstarb auch Professor X (PX) unerwartet an einer Hirnhautentzündung. Er wurde 49 Jahre alt. Eine Teilnahme an dem neuen Album war abgesehen von einem Gastauftritt nicht mehr vorgesehen, doch sei er laut Brother J drauf und dran gewesen das Blackwatch Movement wieder ins Leben zu rufen. Es bleiben seine zwei Soloalben: „Years of the 9, On the Blackhand Side“ (1991) und „Puss ’n Boots (The Struggle Continues)“ von 1993. Der vierte im Bunde war Architect Paradise, der mittlerweile seinen eigenen Geschäften nachgeht, doch im Zuge der Nachrufaktionen auf PX organisatorisch noch mal besonders hervortrat. Am 31. Oktober erscheint nun bei Suburban Noize Records das dritte X Clan-Album namens Return from Mecca. Als Gäste vertreten, sind gleich mehrere prominente Künstler: Jurassic 5’s Chali 2NA, KRS-One, Damian Marley, Jacoby Shaddix von Papa Roach, RBX, Abstract Rude, YZ, DJ Quik, DJ Khalil, Jake One und Bean One. Überraschend ist das nicht angesichts des Respekts der X Clan in den USA entgegengebracht wird (Checkt den PX-Tribute-Track in der SOUND&VIDEO-Rubrik!), wie nicht zuletzt Just Blaze ihn jüngst bekundete, als er unter dem Eindruck des Todes von PX beteuerte, es vergehe kein Tag, an dem er sich nicht mindestens einen X Clan-Song anhöre. Was also genau hat es mit X Clan auf sich?

„Für den X Clan hieß Rap ‚sprachliche Milch’ und Textzeilen wie: Sweet tongue grand vital scrolls /  now behold let the legend unfold /  born in the cosmos, where no time and space do exist /  vibeing the mist of the chaos, sind von Malcolm X, Marcus Garvey, H. Rap Brown, Adam Clayton Powell ebenso beeinflusst wie inspiriert von diversen ägyptischen Göttern und näher liegenden Quellen wie der Zulu Nation, Afrika Bambaataa und Lumumba Carsons (so Professor X’ bürgerlicher Name) Vater Sonny Carson, einem schwarzen politischen Aktivisten der 60er Jahre. Mystik mischt sich bei ihnen unvermittelt mit Praxis, wenn der X Clan Veranstaltungen organisierte wie ‚The Taking Of The Brooklyn Bridge’, als Protest gegen die Ermordung von Yusef Hawkins, oder Anti-Crack-Versammlungen in Schulen oder aufrief, sich als Wähler registrieren zu lassen“, schrieb David Toop 1991 in seinem Klassiker Rap Attack. So erklärt sich auch die außergewöhnlich einhellige Anerkennung des X Clans innerhalb der US-amerikanischen HipHop-Szene, hatte die Einheit aller „Schwarzen“ für den X Clan, wie der Name schon andeutet, doch oberste Priorität. 

In einer Zeit, in der Rap conscious, also seine Umwelt reflektierende, Musik war, verkaufte ein Album wie To the East, Blackwards noch eine halbe Million Einheiten, und das weitgehend ohne Airplay zur Prime Time. Was PX zufolge auch nicht nötig sei, wie er 1990 in einem Interview erklärte: „Wir werden in den Mixshows gespielt, in den College-Radios. Auf diese Weise verkaufen wir unsere Platten. Luke (von 2 Live Crew; Anm. d. Verf.) wurde z.B. nicht so viel in den College-Sendern gespielt und hat trotzdem so viele Platten verkauft. It’s the drum. (…) Durch die Trommel werden unsere afrikanischen Gene vermittelt, ob wir uns dieser Verbindung bewusst sind oder nicht. Es ist nur natürlich, dass wir aufgrund unserer Geschichte oder der Geschichte, die sie uns lehren wollen, mittels der Trommel sprechen. Was also nicht durch das geschriebene Wort aufgenommen wird, wird ersetzt oder vervollständigt durch die Trommel“, so PX in einem von James G. Spady (Autor von Nation Conscious Rap)  geführten Interview, aus dem auch die übrigen Zitate stammen.

Aus dem Vertrauen des X Clans auf afrikanische Gene resultiert wohl auch der Glaube an eine afrikanische Einheit, die sich eben zuerst über die Hautfarbe definiert. So rappten X Clan damals von sich auch als Gorillas, während „Weiße“, wie 3rd Bass oder Vanilla Ice, abfällig als Eisbären bezeichnet wurden. Heute verzichtet X Clan auf diese Unterscheidung und tritt für ein Miteinander von „schwarz“, „weiß“, „gelb“, „rot“ oder „braun“ ein, insbesondere wenn es darum geht dem Elend auf der Welt ein Ende zu bereiten. Der Einheit der „Schwarzen“ jedoch stehe nicht zuletzt die Religion im Wege (weshalb X Clan auch nie Gruppen wie der Nation of Islam, den Black Israelites oder der 5% Nation angehörte), wie PX anhand eines Beispiels schilderte: „Wie kann es jemand wagen, mir zu sagen, ich führe nicht das Leben eines Schwarzen, nur weil ich kein Moslem bin? Wenn ich so was höre, höre ich gleichzeitig heraus, dass solche Leute genauso wenig einen Bruder in z.B. South Carolina akzeptieren würden, der in einem Haushalt aufgewachsen ist, in dem zwar Schwein gegessen wurde, der aber nichtsdestotrotz die Existenz unseres Volkes buchstäblich verbessern will und zwar im Sinne von Kampfbereitschaft! Das ist in meinen Augen Separatismus. Das klingt nach Mitteln ‚des anderen Mannes’ und dessen Überlebenskampf. Solcher Art Waffen hat er viele, die gegen uns eingesetzt werden, wie eben z.B. die, eine Religion gegen die andere Religion auszuspielen.“ In der Konsequenz „bietet (X Clan)“, wie Günther Jacob 1993 schrieb, „als Ersatz einen geschichtlich fundierten Nationalismus an, bei dem der Stolz auf die Leistungen der altägyptischen Hochkultur – Ägypten war ihrer Meinung nach eine Provinz eines afrikanischen Ethiopian Empire – eine zentrale Rolle spielt“, die zum Zweck hat, die vergessene, weil unterdrückte Geschichte und Leistung Afrikas wieder in Erinnerung zu rufen – denn wer weiß schon, dass z.B. Timbuktu noch im 15. Jahrhundert, noch vor jeder Ankunft der Europäer, über eine Universität verfügte?

In folgendem Interview, das etwa anderthalb Monate vor dem Tod von PX geführt worden ist, kommt nun der Grand Verbalizer Funkin’ Lesson Brother J selbst zu Wort, der sich im Zwiegespräch genau so freundlich gibt wie es der Sound seiner Raps schon immer vermuten ließ. Dem Interview vorangegangen waren etliche Verbindungen mit seinem Anrufbeantworter, der einen nicht etwa mit Versen von The Last Poets oder Beats von Public Enemy begrüßt, sondern mit keinem Geringeren als Lil Jon, der einem „’bout to roll up to this club / ‘bout to step up in this club“ ins Ohr brüllt, bevor man dann seine Nachricht hinterlassen darf. Vielleicht also hat Boots Riley recht, wenn er Brother J eher einen Song mit Lil Jon machen sieht als mit The Coup. Wir werden sehen.

In dem ausführlichen Gespräch mit Brother J stellt er sowohl den alten als auch den neuen X Clan vor, schildert, was es mit dem Streit mit 3rd Bass auf sich hatte, bezieht Stellung zu „Eisbär“ Eminem, erklärt das Blackwatch Movement, kommentiert rückblickend sein Projekt Dark Sun Riders, erzählt von der Tour mit Damian Marley und von seinem Auftritt beim Def Poetry Jam, berichtet von einer Reise nach Afrika, äußert sich zur Lage von HipHop, sowie zum Verhältnis zwischen HipHop und Panafrikanismus, erläutert die Underground Scrolls und verkündet, u.a., was die Hörer bei Return from Mecca erwartet. Vor fünfzehn Jahren meinte Professor X: „Ich hoffe, dass das Interesse an einer Gruppe wie uns dazu führt, generell Interesse an conscious Dingen zu wecken.“ Möge dieses Interview dazu beitragen.

 

rap.de: Bitte sag uns, aus wem sich der X Clan damals zusammensetzte und wie die Besatzung heute aussieht!

Brother J: Okay. Der ursprüngliche X Clan waren ich, der Grand Verbalizer Funkin’ Lesson Brother J, der mittlerweile verstorbene Rhythm Provider Sugar Shaft (1972-1995; Anm. d. Verf.), Professor X (4.08.1956-17.03.2006; Anm. d Verf.) und Architect Paradise. Wir waren zu viert.

rap.de: Okay, und wer stellt heute den X-Clan dar?

BJ: Der heutige X Clan ist die zweite Generation derselben Seele. Alle Mitglieder sind immer noch in ein und dem selbem Umfeld! Aber die aktiven Mitglieder sind Kumu, Master China (ein Cousin von Professor X; Anm. d. Verf.) und Ultraman, der schon seit ein einigen Jahren bei uns ist. Jüngst haben wir noch DJ Fat Jack aus Los Angeles aufgenommen. Außerdem dabei ist ACL aus New York – und ich natürlich (lacht)!

rap.de (Lacht): Und was ist mit Professor X (Zu diesem Zeitpunkt war PX noch am Leben; Anm. d. Verf.)?

BJ: Professor X (R.I.P.; Anm. d. Verf.) ist gerade dabei das Blackwatch Movement wiederzubeleben als eine Art Informationsquelle. Im Grunde arbeiten wir aber alle daran. Deshalb sage ich auch nicht, dass es den alten X Clan nicht mehr gibt und ich was Neues angefangen habe. Fakt ist, dass ich dieselbe Generation fortsetze. Zwar haben sich alle auch auf ihre Angelegenheiten konzentriert, aber beim X Clan kommen wir nun wieder zusammen. Deshalb nennen wir es ja auch „The Millennium Cipher“. Das ist der Round Table. Und viele meiner Mentoren und Inspirationen sitzen an diesem Tisch.   

rap.de: Kennst Du die Rap-Gruppe Non Phixion?

BJ: Non Phixion!? Uncle Howie Records? Ich habe von ihnen zwar schon gehört, aber ich kenne ihre Musik nicht. Den Namen kenne ich auf jeden Fall.

rap.de: Einer von ihnen, Gore-Tex, rappt an einer Stelle: My main concern back then was kickin funky rap / And fantasizin’ ‘bout bein’ signed to Def Jam / Around that time 3rd Bass got dissed by X Clan.“ Könntest du bitte erklären, was damals vorgefallen ist, so dass auch die jungen Heads das verstehen können!?

 

BJ: Nun, das Problem mit 3rd Bass war… Also ich habe mich Jahre später mit Serch darüber ausgesprochen. Mein Problem mit 3rd Bass war, dass sie damals für schwarze Künstler gehalten wurden als sie die Straßen erreichten, von denen wir kommen! Ich habe sie immer für eine Imitation schwarzer Künstler gehalten, für ein Gimmick, dass ihnen den ersten Verkaufserfolg einbringen sollte. Verstehst du!? Wenn dich jemand imitiert, egal wo du herkommst, dann ist das beleidigend. Wenn man die Indianer imitiert, indem man z.B. mit übertrieben tiefer Stimme spricht, dann wird daraus schnell ein Stereotyp. Und ich wollte davon wegkommen, dass man uns imitiert. Sprich, wie du bist! Sei, wie du bist! Das wollte ich am Beispiel von 3rd Bass deutlich machen. Doch die Leute fassten es als einen Diss auf! Ich wollte zeigen: „Seht Euch an, wie diese Gruppe abräumen wird! Im Gegensatz zu so vielen anderen, die talentierter und authentischer sind.“ Dem mussten wir Einhalt gebieten und uns auf die Skills besinnen. Nicht, dass 3rd Bass whack waren, aber aufgrund des Images, dass ihnen von Def Jam verpasst worden war, hielten wir sie für ein Gimmick! Verstehst du!? Vanilla Ice war ein Gimmick! Plötzlich ist so was da, aber trotzdem fühlt es niemand. Da, wo wir herkommen, fragte man sich: „Wie konnte der das nur schaffen? Dieser Typ mit dem Flattop und der aussieht wie Max Headroom!? Wieso kommt der hoch, und all die MC’s, die es in den Straßen wirklich bringen nicht?“ Verstehst du, wir fühlen so was nicht. Wir wollten keine weiteren Klone von uns sehen müssen, die es dann auch noch vor uns zu etwas bringen! Heute sehe ich in Serch jemanden, der alle seine Rechnungen beglichen hat. MC Serch ebnet mittlerweile in Detroit alle möglichen Wege für HipHop! Er ist immer noch im Game, er hat immer noch Knowledge, und das muss ich anerkennen! Mein Respekt ihm gegenüber hat sich also entwickelt. Das ist etwas, worauf sich die Leute jetzt in Bezug auf X Clan freuen können, denn wir sind ein ausgereiftes Team! Und wir haben Ansichten, wie ich sie dir eben geschildert habe. Es wird also ein sehr interessantes Rennen werden!

rap.de: Im Rolling Stone-Magazin sagte Eminem, dass er früher einerseits zu dir aufsah, sich aber gleichzeitig eingeschüchtert und ausgegrenzt fühlte von deinen Pro-Black- und Anti-Caveman-Lyrics. Es ist ja nicht das erste Mal, dass man Eminem über den so genannten Gegenrassismus klagen hört. MC Serch hingegen hörte man nie über dieses Phänomen klagen. In Anbetracht von Eminem, vermisst Du 3rd Bass?   

BJ: (Lacht) Das ist deep! (Lacht)

 

Gelächter

 

BJ: Du fragst also, ob ich angesichts Eminem 3rd Bass vermissen würde

rap.de: Ja.

BJ: (Lacht) Nee, man. Du musst verstehen, ich sehe das nicht mehr so. Ich hab dir ja schon gesagt, wie sehr ich Serch heute als talentierten Künstler respektiere. Und dasselbe gilt auch für Eminem. Ich kann mich doch nicht an Leuten stören, die ihre Hausaufgaben gemacht haben. Ich meine, wenn man als erster weißer Künstler mit Dre raus kommt, Homie, und man kann sich behaupten, dann ist das einfach lobenswert, Mann! So was kann ich nicht dissen! Verstehst du, das ist nun mal die Schwergewichtsklasse!? Sowohl für Xzibit als auch für Snoop ist das die Schwergewichtsklasse! Für jeden, der mit Dre zu tun hat, ist das die erste Liga. Dre ist ein Meister! Wenn man da also reinkommt, seinen eigenen Geschäftszweig bekommt, seinen Sold erfüllt und die Menschen begeistert, dann ist das einfach dope, Mann! Dagegen kann man nichts sagen! Ich vermisse 3rd Bass also nicht anstelle von irgendjemand. Ich respektiere 3rd Bass und ich respektiere Eminem. Und ich werde sie niemals angreifen, nur weil sie weiße Künstler sind! Damals ging es mir darum aufzuzeigen, dass weiße Künstler es leichter haben, und zwar weil ihre Leute sich gegenseitig unter die Arme greifen. Das ist eine Lehre, die es noch zu lernen gilt. Die Schwarzen unterstützen sich nicht gegenseitig, brother! Und ich kann niemanden hassen, nur weil er diese Unterstützung hat und ich nicht! Ich muss die Wahrheit akzeptieren! Doch uns geht es um Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung! Macht uns nicht schlecht! Wir versuchen unser Bestes. Wir sind nicht hier, um perfekt zu sein, sondern um zu tun, was wir eben tun. Wenigstens das sollte anerkannt werden, verstehst du (lacht)!? Deshalb ist das für mich auch eine emotionale Angelegenheit, denn ich muss echt dafür kämpfen, den Clan zurückzubringen! Es ist nicht so, dass ich einfach raus zu gehen und zu reimen habe, und Brother J erfährt nix als Liebe! Ich muss mich durch die ganzen Schleimer und Nackedeis durchkämpfen (lacht), um meine Leute zu erreichen, Mann! Denn die wollen keine Science in sich aufnehmen, sondern saufen und in den Stripclub gehen, Homie! Sie wollen nur übers hustlen und so was reden. Sie wollen nichts mehr von Weisheit oder den Mathematics des jeweiligen Tages hören oder sich mit unserer Zukunft auseinandersetzen! Durch so was muss ich mich durchkämpfen! Also muss ich schon dope sein, man! (Lacht) Ich muss dope und inspiriert sein von den Menschen meiner Umgebung. Und ich bin inspiriert davon, dass ich heute von zwei Generationen des X Clan umgeben bin. Auf diese Weise kann ich da raus gehen als ein wahrer Soldat, als ein General, verstehst du!? Aber um es auf den Punkt zu bringen: es könnte mir nicht besser gehen! Ich kann niemanden hassen, Homie, verstehst du? Lass all die Cats wissen, dass ich im Reinen mit mir bin, und so komme ich auch raus! Versucht nicht irgendwelche Beefs aufzuwärmen! Die Leute wissen, dass wir nie Beef wollten, man! Wir sind eine Armee von Soldaten, wir haben keine Zeit für irgendwelche Beefs oder so! Hinter allem was wir tun, steckt eine Botschaft, die in der Schule nicht unterrichtet wurde. Ich verstand damals nicht, dass es einen Markt gab für Leute mit Unterstützung. Denn wir mussten die Leiter nehmen, doch manche rutschten und schlüpften da einfach drunter durch, eben weil sie die Unterstützung ihrer Leute hatten – und das habe ich damals nicht erkannt.  Das sind nichts als Fakten, man!       

     

 

rap.de: Du hast gerade erwähnt, dass „Schwarze“ kein Interesse an so genanntem conscious
Rap hätten. Ich würde sagen, dass die meisten „Weißen“ daran genauso wenig interessiert sind.

 

BJ: Ja und nein. Denn allein während der Damian Marley-Tour habe ich sehr viele conscious Weiße gesehen, Homie! Ich muss Dir also widersprechen. Wir sind vor 1200 bis 2200 Menschen pro Nacht aufgetreten und 75 bis 85% von denen waren weiß, Homie! Schließlich leben wir nicht in Äthiopien (lacht). Und ich sage dir ganz ehrlich: man geht nicht auf eine Reggae-Jam, um negativ drauf zu sein! Wir haben gerade eine 16-Städte-Tour hinter uns und haben das mit eigenen Augen gesehen, brother! Wir waren in Kansas und haben vor conscious Weißen (lacht) gespielt! Jeder bewusste Mensch wird verstehen, dass ich will, dass es meinen Leuten besser geht! Deshalb spreche ich pro-Black. Was immer ich tue, ich tue es zuallererst für meine Leute! Wenn du also mein Freund bist und das unterstützt und verstehst, dann werde ich dir auch bei deiner Sache helfen! Das ist alles! Ich bin nicht voreingenommen. Aber ich weiß, dass meine Leute immer noch das Nachsehen haben! Es sieht immer aus, als ginge es uns bloß um die Klunker und so. Dabei sind wir so viel mehr als das. Wir sind so viel mehr! Es gibt noch so viel mehr zu erkunden! Ich hate nicht. Ich sage nur, dass es noch eine andere Seite zu betrachten gibt. Wir richten unser Augenmerk nur auf eine Sache, und das ist nicht cool, man! Wir verlieren dabei nur.


rap.de
: Neben der Musik ist der X Clan auch dafür bekannt dem Blackwatch Movement sehr nahe zu stehen. Bitte erzähl uns, worum es dem Blackwatch Movement ging und inwiefern Du damit verbunden warst!

 

BJ: Das Blackwatch Movement schaffte eine Basis für Soldaten, also für die Leute im HipHop, die durch die Straßen als Soldaten wandeln wollten. Wir wollten keine Gangster sein! Wir wollten auch keine Pfadfinder sein! Wir wollten was anderes machen. Wir wollten aber bei etwas dabei sein, dass einen dennoch sagen ließ: „Ey Mann, ich kann überall hingehen, all die HipHop-Spots aufsuchen und werde dort respektiert!“ Ich war weder bei den Black Israelites noch bei der Nation Of Islam. Ich war einer von denen, die sagten: „Mir geht’s um Freedom, Justice, and Equality! Ich brauche keine religiöse Fraktion hinter mir. Ich bin ein street soldier! So kann ich in jeder Umgebung sein, in der ich sein will – und die ist HipHop.“ Blackwatch machte mir das möglich. Ich fuhr meinen Style und um herauszufinden, wie ich mein Ding mache, war das genau der richtige Ort! Ich habe dort viele verschiedene Menschen getroffen, Mann. Leute mit eben diesem erfahrenen Soldatentum im Kopf, Mann. Sich mit denen zu unterhalten, war etwas Besonderes. Das war schon ein guter Treffpunkt, Mann. Ich respektiere Bruder Professor X dafür sehr. Er stellte die nächste Generation nach seinem Vater, Sonny Carson (ein bekannter Black Nationalist, 1939-2002; Anm. d. Verf.), dar, nur für HipHop! Das ist von großer Bedeutung! Und eben das wieder aufzubauen, zu helfen, wo auch immer es nötig ist, ist mein Ziel. Wichtig wird dabei sein, eine Informationsquelle zu schaffen, sodass die Menschen die Dinge aus einer anderen Perspektive betrachten können. Das ist’s, worum es geht, so was nennt man Movement!

 

rap.de: Du hast es ja schon angedeutet, aber was genau hast Du seit damals politisch gemacht?

 

BJ: Nun, was Politik angeht (lacht)… Ich mische mich nicht besonders in politische Dinge ein. Wir machen viel in der Community

 

rap.de: Ja, an so was dachte ich auch dabei.

 

BJ: Okay, dann lass uns das Communitywork nennen. Wir verfügen über Grundbesitz. Wir haben Geschäftsleute in unseren Reihen. Wir sind in der Lage auf privater Ebene Verbesserungsmaßnahmen in der Community zu organisieren, verstehst du!? Wir setzen uns z.B. dafür ein, Theater in den Vierteln aufrechtzuerhalten oder zu errichten und werben Künstler an. Angenommen du lebst in einem Viertel etwas außerhalb und willst nicht ins Stadtzentrum fahren, sondern ziehst es vor in deiner Gegend zu bleiben, wo es sicher ist, und sagen kannst: „Hey, heute sehe ich mir mal India Irie an! Und nach der Vorstellung weiß ich, dass mir nichts passieren kann, wenn ich auf die Straße gehe.“ Verstehst Du, solche Schritte wollen wir tun. Auf diese Weise können wir etwas von der conscious Energie in die Viertel bringen, verstehst du, können Schulemachen!? Ich denke da an verschiedene Nachmittagsprogramme für Schüler, so dass man nach Schulschluss noch irgendwo hingehen und beispielsweise Graphikdesign oder das Betreiben eines Radiosenders lernen kann. Es geht darum, noch etwas mehr zu lernen, anstatt irgendwo rum zu sitzen und Grass zu rauchen, verstehst Du, Blödsinn zu machen. Uns geht’s darum, Lernmöglichkeiten anzubieten, so dass man sich weiterentwickeln kann. Damit habe ich zu tun, genau wie die anderen Brüder vom X Clan auch.     

 

rap.de: Okay, kommen wir mal auf die Musik zu sprechen. Euer erstes Album „To the East Blackwards“ war ja sehr funky. Das zweite Album „Xodus“ fiel vielseitiger aus. Wie wird Euer anstehendes drittes X Clan-Album gestrickt sein?

BJ: Also, (lacht) unser erstes Album war einfach ein Riesenspaß. Ich sage immer: es war eine einzige große schwarze Party! Ich bin ja auch DJ. Also mixte ich Platten, die ich mir gerne anhörte, verstehst du, noch bevor irgendwelche Cats darüber reimten. Ich habe nicht „Grand Verbalizer, what time is it?“ gerockt, weil Rakim das zuvor gerockt hat, sondern weil ich den Rhythmus mochte. Das war so’n James Brown-Style und der gefiel mir. Ich hab das auf einer Break-Platte gehört, hab es gerockt und es gefiel mir! Es war mir egal, wer das vorher schon mal gerockt hat. Ich habe auch Cash zuvor „Big Beat“ rocken hören! Aber ich wollte es dann mit Gitarren rocken, wollte es anders machen. Jeder einzelne Beat auf dem Album wurde unserem Style angepasst! Es war also nicht so, dass wir George Clinton einfach nur genauso wie De La sampleten; wir klangen anders als De La. De La machten einen funky joint, und wir machten unsere Version mit „Funkin’ Lesson“. Die war anders, war ein Mix aus Funk.
Xodus“ kam nach der Tour zustande. Während der Tour war die Polizei hinter uns her, von wegen wir würden in den Städten Krawalle und so was verursachen. Wann immer etwas nicht richtig organisiert war und was passierte, hieß es, wir wären wir daran Schuld, nur weil wir auf dem Flyer standen! Nein! Wir tourten mit den Geto Boys (lacht), mit allen möglichen Cats, Mann! Wir tourten mit Gangster-Gruppen, wie DJ Quik und so, Mann! Wir traten also an Orten auf, wo es tatsächlich Probleme gab, aber wenn es Beschwerden gab, dann standen wir alle füreinander ein! Man war gegen uns, weil wir angeblich Gangster wären. Und heute wird Gangster-Musik akzeptiert, wo man sie damals doch ächtete? Wir wurden ständig schikaniert, im Tourbus z.B.! (Lacht) Heutzutage ist es cool, ein Gangster zu sein (lacht)! Das ist wirklich ein Schritt zurück. Man war gegen uns, weil man X Clan für eine Gang hielt! Man, wir trugen rot, schwarz und grün, kamen uniform gekleidet in eine Stadt und sahen wie eine Gang aus! Dadurch, dass das Blackwatch Movement mit X Clan zu tun hatte, wurden die beiden miteinander verwechselt. Denn es war halt so, dass der Vorstand des Blackwatch Movements Teil des Clans war. Er ging vor uns auf die Bühne und erklärte, was es mit Red, Black, and Green auf sich hat. Das Blackwatch Movement unterstützte uns also. Und durch den Hype kamen Leute dazu, die dann sagten: “Yeah, ich bin mit X Clan unterwegs! Also bin ich auch X Clan!“ Plötzlich (lacht) war der X Clan hundert Mann stark – was aber nicht der Fall war! X Clan waren vier Personen und das war’s. Aber dann ging’s los mit Fragen, wie: „Ooh, Du bist down mit dem X Clan!?“ Diese Goupie-Scheiße! Und das brachte alles durcheinander, man. Du ahnst schon die Problematik. Leute, die sich bei Blackwatch verdient machten, assoziierten sich mit dem Team und sagten: „Yo, ich bin down mit den Typen vom X Clan!“ Anstatt „Blackwatch“ zu sagen – wo sie doch schließlich mit Blackwatch down sind. So verlor Blackwatch also einige Leute durch diesen Groupie-Scheiß. Die Leute vergaßen, wer sie sind und wozu sie da waren. Dabei waren sie da, um sich verdient zu machen! (Lacht) Das war alles. Ich will nur zeigen, was für Probleme diese Assoziation hervorrief.

       

    

              

 

 

rap.de: Okay – um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Wie wird das dritte X Clan-Album in musikalischer Hinsicht ausfallen?

 

BJ: Man wird keine Samples und so was auf dem Album hören. So viel verrate ich Dir. Ich habe eine sehr talentierte Produktionscrew am Start, Mann. Das Album wird die Cats vorstellen, mit denen ich zu tun habe. Es ist auf dem nächsten Level. Ich meine, ich hab’s ja schon gesagt, wir stehen im Wettbewerb mit einfach allen, man! Die Musik der anderen ist zwar gut, versteh mich nicht falsch! Ich hate nicht im Sinne von: „Bah, ist das whack!“ Ich sage: „Musikalisch hört sich das alles gut an, aber der Inhalt ist teilweise übertrieben!“ Ich finde, gewisse Musik ist einfach nicht für den Mainstream bestimmt. Einige Leute müssen erst noch begreifen, wer eigentlich ihr Publikum ist. Ich meine, es steht mir nicht zu, über jemanden zu urteilen. Ich kann auch nicht verurteilen, wie dieses Spiel nun mal läuft, aber ich bin sicher, dass es für ein Kind, dass von der Schule nach Hause kommt, nicht gut ist, gewisse Lyrics zu hören. Mir ist egal, wie sehr ihr die Texte zurechtstutzt. Ihr kennt nicht den Straßenslang, also könnt ihr diese Lyrics auch nicht zurechtstutzen. Die Programmleiter sind Weiße, verstehst du!? Die piepen die offensichtlichen Worte aus, wie „Nigga“ und andere Schimpfwörter, aber der Inhalt wird dadurch nicht ausgeblendet! Viele Musiker erzählen, wie sie Kokain verkaufen, vögeln und dir den Daumen abreißen, das ist doch irre! Das ist doch verrückt, man. Für die Hauptsendezeit ist das verrückt, finde ich. Keine Ahnung, vielleicht stehe ich mit dieser Meinung allein da, aber ich finde das beschissen, man.

 

rap.de: Wieso dauerte es ganze vierzehn Jahre bis zum dritten Album?

 

BJ: (Lacht) Nun, in der Zwischenzeit brachte ich ja mit einem anderen Produktionsteam ein Projekt raus namens „Dark Sun Riders“. Das fiel sehr ruhig aus, denn es war eine sehr schwere Zeit für mich, weißt du. Shaft war gerade gestorben und ich wollte mal was anderes machen. Ich versuchte mich an einem anderen Sound und wollte genau herausfinden, was funktioniert und was nicht. Es war für ein Publikum gemacht, das verstand, dass das etwas Food war, um die Zeit zu überbrücken, in der ich mich erstmal wieder sammeln musste. Verstehst du, ich musste mir Klarheit verschaffen!? Wenn man professionell Musik macht, muss man gelegentlich mal in sich gehen. Man sieht ja, wie manche erfolgreichen Künstler sich verändern und komisch werden, so dass die Leute sagen: „Man, dein Stern sinkt!“ Manchmal muss man aussteigen und erst wiederkommen, wenn die Zeit dafür reif ist. Auf diese Weise hält man sein Game beieinander. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich keine Musik machen können bei all dem Kram, den ich damals durchmachte, bro! Das wäre niemanden gegenüber fair gewesen. Man kann erst dann wiederkommen, wenn man auch tut, wovon man spricht, verstehst du!? Ich spreche nicht nur von Communityarbeit, ich leiste sie auch! Ich kann nicht rauskommen, ohne im Vorfeld tätig zu werden, sonst wäre ich ein Heuchler. You feelin’ me? Ich musste solange warten, bis ich irgendwo wieder Fuß gefasst hatte, so dass ich sagen kann: „Hier habe ich eine Geschichte!“ Ich bin in Los Angeles, Homie, und habe hier eine Geschichte. Ich habe hier ein nettes Team von Menschen, das weiß, was es tut, und ich verknüpfe es mit meinen Leuten in New York und anderswo, mit Soldaten, die bereit sind, man. Mit den Groupieleuten habe ich gebrochen, verstehst du!? Die kamen nur wegen des Glitzers und des Glamours. Aber ich marschierte weiter, bis meine Zeit wiederkam zu reimen. Ich will Leute um mich haben, die sagen: „Ich glaube an das Movement!“. Aber die Groupietypen himmelten ein’ an und mit solchen Leuten geb’ ich mich nicht ab. Du musst dir deine Gesellschaft weise zusammenstellen, Bruder. Das muss ein jeder Mann und eine jede Frau im Leben verstehen, bro! That’s real.               


 

rap.de: Wie gesagt, insbesondere euer erstes Album war sehr funky. Wie empfandest du es, als kurz nach eurem Debüt Dr. Dre und Co. mit dem P-Funk-Style abräumten?

 

BJ: Ich liebe diesen Sound, Bruder! Wenn Du mein Album hörst, wirst Du sehen, dass ich viel von diesem Sound habe.

 

rap.de: Das glaub ich dir.

 

BJ: So was wollte ich schon immer machen. In New York wird solche Musik in der Regel nicht gemacht. Als ich noch dort lebte, fuhren alle diesen dunklen Sample-Stil, verstehst du, oder waren auf der Suche nach dem außergewöhnlichen Break. Aber das war nicht so dope wie, was ich vom Westen kannte. Die zerfetzten nämlich unsere Speaker! Die Leute in New York hörten „The Chronic“ und fanden den Sound unglaublich! Da kamen wir nicht ran. Da kamen wir solange nicht ran, bis Jay-Z und so es auf’s nächste Level brachten, Mann. Sie kriegten diesen Streetsound fast hin, aber dem Sound von Dre und so, dem hat noch niemand das Wasser reichen können! Der ist immer noch makellos, man. Und mit diesem Sound habe ich heute zu tun. Trotzdem mach ich auch immer noch die rauen Breaks. Aber hier habe ich es jetzt mit Meistern zu tun, man. Du wirst auf meinem Album einige unterschiedliche Produktionen zu hören kriegen, bro. Ich kann es auch echt nicht erklären, weil ich nicht zu viel vorwegnehmen möchte. Ich komme jetzt raus, um mein Ding zu machen, um den Leuten meine Botschaft zu verkünden. Wir leben in Blindheit und das ist lächerlich. Und wir setzen uns noch nicht mal damit auseinander, wie wir dieses Problem lösen können! Wir lassen es einfach immer schlimmer werden. Und das vorhandene Geld wird an das System verschwendet. Selbst die erfolgreichen Cats sind nicht wirklich erfolgreich, sondern gehen in den Knast. So geht es vielen Cats in diesem Game, dass sie für irgendwas Bescheuertes eingesperrt werden und auf diese Weise ihr Geld wieder verlieren. Solche Leute zu verehren, die nicht mit sich im Reinen sind, ist nicht cool, man! Aber heute wird sich auch nicht mehr um die Künstler gekümmert. So werden wir heute von Leuten zugelallt, die halt für kurze Zeit taugen, den Clown zu machen! Ja, sei ruhig der Star für eine Weile! Aber es gibt da keine Entwicklung. LL Cool J, den sah man sich entwickeln, man! Queen Latifah sah man sich entwickeln! MC Lyte, EPMD, all die wuchsen mit uns auf! Die lingo wuchs mit uns. Wir haben ja nicht mal mehr Zeit zum Lernen! Wir wechseln einfach die CD und lassen Sucker ins Game, man! Das ist whack, man. Aber ich komme vom Thema ab…Wir mögen diesen Sound und ich bin voll dabei. Ich bin von Cats umgeben, die in besagter Ära in Los Angeles aufgewachsen sind und das sind Legenden! Ich bin selbst ein bisschen beeindruckt von meinem Umfeld und davon, die Cats zu sehen, die von Anfang dabei sind. Die Leute werden wirklich einen neuen Sound zu hören kriegen, bro!      

 

rap.de: Auf Eurem ersten Album hast Du häufig Humanismus verdammt. Was ist der Grund für Deine Verwerfung des Humanismus?

 

BJ: Eine Verwerfung war das nicht. Es war nur so, dass ich mehr als nur einen Schritt vom Ziel entfernt war. Wenn man noch nicht bereit ist, sich mit Leuten an einen Tisch zu setzen, dann kann man diesen Raum auch nicht betreten. Man wäre dann wie ein fauler Apfel (lacht) unter lauter frischen Äpfeln. Mein Volk weiß nicht, wer es ist, es kennt noch nicht mal seine Geschichte. Man hat uns alles genommen und diese Angst kommt immer wieder hoch. Sich verbeugen und gehorchen, sich verbeugen und gehorchen, immer wieder! In einem System, wo einem nichts anderes übrig bleibt. Dabei sind wir am Leben, um frei zu sein, man, und zwar um erfolgreich frei zu sein. Das haben wir nie gelernt. So lange die Gelegenheit nicht günstig ist, können wir uns also nicht an diesen Tisch setzen. Wir wollen uns an den Tisch sitzen und sagen können: „Hey, mein Zustand ist absolut stabil.“ Aber meine Leute drehen am Rad, Homie! Verstehst du, egal welchen Fernsehkanal oder welchen Radiosender man anstellt… Stripclub-Musik belegt den ersten Platz der Top Ten-Charts! Stripclub-Musik, du weißt schon, wo man hingeht, seine Geldscheine auf die Bühne wirft und was trinkt. Solche Musik wird Kindern vorgespielt! Ein sechsjähriges Kind steht vor dir und fängt plötzlich an zu tanzen, wie eine Stripperin, man! (Lacht) Das ist doch verrückt! (Lacht) Glaubst du, ich will mich unter solchen Umständen an diesen Tisch setzen? Auf keinen Fall, man! Wir sind noch nicht so weit! (Lacht) Wir sind noch nicht bereit. Wir müssen raus finden, was richtig und was falsch läuft. Man macht Idioten aus uns! Wann immer jemand einen Schwarzen imitiert, dann geschieht das immer so übertrieben, als wären wir nichts als harte Schläger und so’n Scheiß! Komm schon, bro! Ich bin nicht am Leben, um mich auf so ’ne beschissen Art betrachten zu lassen, man! Ich will nicht nach meinem Kleidungsstil beurteilt werden, ich ziehe mich so an, wie’s mir gefällt. Und nur wenn ich meinen Kopf zur Seite neige, bin ich dann ein thug!? Man!! Ich finde das bekloppt. Aber ich bin cool, es gibt viel zu tun und ich will mir die Zeit nehmen, diese Probleme zu lösen. Das ist auch der Grund, weshalb ich auf einem Independentlabel raus komme. Ich habe nämlich keine Lust, bei einem Major fragen zu müssen: „Darf ich zu meinen Leuten sprechen? Darf ich auch vor nur 200 Menschen sprechen, anstatt im Stadion aufzutreten?“ Verstehst du, „Darf ich bitte?“ Ich will das nicht sagen, man. Ich will frei sein, um meine Musik da zu spielen, wo ich das Gefühl habe, da gehört sie hin. Im Ernst, für X Clan gibt es keinen bestimmten Markt, wir sind überall! Das war schon immer die Wahrheit, bro! Und ich habe diese Wahrheit immer im Kopf.      
 

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ap.de: Ich habe den Eindruck, dass zurzeit viele der so genannten conscious Rapper der Goldenen Ära sich zurückmelden. Neben X Clan sind z.B. auch von Wise Intelligent, Lord Jamar oder Afrika Baby Bambaataa neue Alben angekündigt. Aber es gibt auch die jüngeren Cats, wie Mos Def, Talib Kweli, The Coup, Immortal Technique oder Dead Prez, die für einen positiven Vibe stehen. Was ließ dich ausgerechnet jetzt wieder zurückkommen?

 

BJ: Ich musste warten bis die Zeit reif war. Jeder machte sein Ding, bro. Und ich wollte den X Clan nicht zurückzubringen, so nach dem Motto: „Hier kommt eine weitere dieser Gruppen von damals! Erinnerst du dich noch an die?“ Also haben wir alles aufgefrischt! (Lacht) Wir werden nicht einfach wieder dasselbe machen, man. Das hier ist das nächste Kapitel! Nicht, dass früher alles falsch war, wir bereuen keinen einzigen unserer Moves. Was wird der X Clan in diesem Millennium ansprechen? Es gab den X Clan, der über die 90er Jahre sprach, doch was wird die Botschaft des X Clan in diesem Millennium sein? Das wird die meistgestellte Frage sein, bevor sich irgendjemand das Album kauft, Homie! Hiermit ist es nämlich was anderes, nicht wie wenn man sich eine der üblichen Platten kauft. Sind die „Alten“ nämlich nicht mindestens genauso interessant wir ihr erster Hit, dann werden sie den Scheiß auch nicht mehr kaufen, man. Die Leute werden Wise Intelligent nicht kaufen, wenn er nicht immer noch auf diesem Poor Righteous-shit ist. Sie werden Afrika Baby Bambaataa nicht kaufen, wenn er nicht mehr auf dem Jungle Brother-shit ist. Aber wenn du deinen kompletten Scheiß auffrischst und das ohne den Ansatz eines Zweifels und das den Leuten ins Gesicht schreist noch bevor sie die Musik hören…. – das ist die einzige Möglichkeit erfolgreich zu sein, man! Das ist mein Wort. Ich habe mit Baby Bam über dasselbe Thema gesprochen. Mit Wise auch!  

Wenn man in eine fremde Stadt kommt, dann muss man da hingehen, wo die Musik hingehört. Du darfst dir auf keinen Fall sagen lassen, wo dein Markt ist, Mann! Es gibt so viele Veranstalter, die dich auf die falsche Seite der Stadt bringen, wo du dann wie ein Museum betrachtest wirst: „Oh mein Gott, das ist ja Wise Intelligent auf der Bühne, was für ein historischer Augenblick!“ Anstatt einen da hinzubringen, wo die Musik hingehört. Da läuft einiges falsch. Lass dir bloß nicht einreden, wir könnten nicht in unterschiedliche Viertel gehen. Man muss wissen, wohin man gehen kann und wohin zum Teufel man nicht hingehen kann! Wenn sich jemand für dich interessiert und sagt: „Yo ,man, da werden Leute sein, die dich zu würdigen wissen!“ Dann heißt es: „Yo, man muss auch mal ein Risiko eingehen.“ Es geht um Freiheit oder Tod, wenn man sagt: „Ich bin ein Soldat!“ Selbst die Leute, die zurzeit für dieses Land kämpfen! Die steigen ins Flugzeug und sagen sich: „Yo , man, Freiheit oder Tod! Entweder bringe ich meine Mission zu Ende – oder ich bin tot.“ Das ist ihr Kampfziel, man. (Lacht) Und hier ist das kein’ Deut anders. Wir befinden uns im Krieg! Und deshalb ist X Clan am Start, um auf Deine Frage zurückzukommen. Deswegen komme ich jetzt zurück. Wir sind im Krieg, Homie! Das ist Kriegsmusik! (Lacht) Real shit! 

 

 

rap.de: Wise Intelligent sagte, dass die Poor Righteous Teachers und die 5% Nation wesentlich dazu beitrugen, dass es cool wurde, sich ein Buch zu greifen und zu lernen. In einem Interview mit anti-thug sagtest du etwas ähnliches, im Sinne von: man muss den Kampf genießen. Glaubst Du denn, dass es möglich ist, dieses Gefühl der heutigen Jugend wieder zu vermitteln?

 

BJ: Ja, das glaube ich. Das glaube ich. Und dabei richte ich mich heute nicht mal mehr ausdrücklich an die Jugend. Den Fehler habe ich anfangs noch gemacht. Es soll nämlich von allen wahrgenommen werden. Jede Generation soll hiervon berührt werden, also muss ich universale Musik machen, verstehst du!? Sie sollen gar keine Wahl haben, von wegen: „Welchen Song will ich hören?“ Sie soll einfach überall sein! Sowohl als Künstler als auch als Veteran muss ich auch auf der Geschäftsebene sicher sein, wenn ich will, dass meine Musik die Leute erreicht – sonst wäre ich dumm. Aufgrund meiner Entwicklung als Künstler, der versucht X Clan wieder nach vorne zu bringen, kann ich nicht einfach eine Platte raus bringen und mich fragen, ob sie auch die 15-jährigen erreicht. Es wird so sehr krachen, dass sich alle Generationen angesprochen fühlen werden. Glaubst Du, dass X Clan mit seiner ersten Platte einen bestimmten Markt anvisierte? Nie haben wir einen bestimmten Markt angepeilt! Wir haben einfach nur getan, was wir tun mussten. Die jungen Heads werden einfach keine Wahl haben, genauso wenig wie die jungen Heads der 90er keine Wahl hatten und die heute zu mir kommen und sagen: „Yo, ich weiß noch, wie ich auf Euer Konzert ging. Ich war damals soundso alt.“ (Lacht) Sie werden keine Wahl haben, bro! Wenn ich meine Musik an ein bestimmtes Publikum richte, dann gibt es ein Problem! Genau die Frage stellten mir all die Labels, bei denen ich hätte unterkommen können: „Ob der junge Markt Euch annehmen wird? Das könnte schwierig werden.“ Disst nicht die Jugend! Aber sie hat den Kopf voller Internet und glaubt alles schon zu wissen – doch Weisheit ist ihr fremd! In meiner Musik verkünde ich Weisheit. Weisheit muss man leben! Du kannst nicht auf den Internetknopf drücken, um Weisheit zu erlangen, Homeboy! Ihr müsst kommen und mich sehen! Ihr müsst kommen und euch jeden Veteran, der jetzt seine Platte raus bringt, ansehen, denn sie sprechen von den verschiedenen Stufen der Weisheit. Been there, done that – das kann nicht jeder von sich sagen! Wise Intelligent kann das sagen! Baby Bam kann das sagen! Wenn jemand Weisheit will, dann müssen sie zu den Veteranen gehen. Wenn sie die üblichen schnellen Clubreime wollen, dann können sie sich jeden x-beliebigen angesagten Künstler aussuchen. Wenn ihr es aber mit Musik zu tun haben wollt, die ihr einfach auflegen könnt und die euch denken lässt: „Ich weiß, dass die ihr Geschäft im Griff haben“, dann… Beachte hier auch den deepen Scheiß: denn genau das sollte den Künstler dazu zwingen, das beste Material seines Lebens raus zu bringen! (Lacht) Das ist dein Job! Der Spotlight ist auf dich gerichtet! Da kannst du keine halbherzige Scheiße bringen! Du musst das beste verdammte Album aller Zeiten droppen  – oder gar nicht erst rauskommen!

 

rap.de: Glaubst du wirklich, dass du und die anderen erwähnten Künstler Gehör finden werdet?

 

BJ: Ich sag dir was, Bruder, ich weiß worauf du hinaus willst. Ich hab keine Ahnung, in welche Richtung Wise und so gehen werden. Ich biete ihnen an, mit mir zu gehen und mitzumachen. Doch ich werde mich nach niemandem richten! Und kein Sound wird so reinhauen wie X Clans, Bruder!

 

rap.de: Ich dachte nur, vielleicht wäre es insbesondere an der nächsten Generation gelegen, sich auf conscious Rap zu besinnen.

BJ: Ich glaube, die wollen eigentlich schon auf einer höheren Ebene denken, Bruder. Ich glaube nämlich, die sind gelangweilt. Ich denke, dass die 15-jährigen von all dem 08/15-Kram langsam gelangweilt sind. Man kann ihnen nicht ewig bloß Tanzschritte beibringen oder zeigen auf wie viele verschiedene Weisen man sagen kann: „Ich bin der Geilste! Ich bin es!“ Die kennen so viele Wege, das zu sagen, dass ihnen schon gar nichts mehr einfällt. Hör Dir die Musik doch mal an, die wissen schon nicht mehr, was sie noch sagen sollen! (Lacht) Aber wir haben eine Menge an Munition, Homie. Wie lange sagtest du, bin ich dabei? Ich habe einen Haufen an Munition. Ich habe nie aufgehört! Sondern nur auf die richtige Zeit gewartet. Ich habe Geduld, Homie, und weiß, was ich tue. Ich spüre das innerlich. Der Schöpfer ist mein Führer. Das hat nichts mit Eitelkeit oder so ’ner Scheiße zu tun. Ich fahre keinen Ego-Film. Ich bin stolz auf das, was ich tue, man. Was du in meiner Stimme hörst, ist Stolz, man! Ich sage es allen Soldaten noch einmal klipp und klar: Wenn sie jetzt nicht ihr bestes Album aller Zeiten droppen, man… Lasst uns sicherstellen, dass diese Scheiße kraftvoll wie ein Schwert sein wird, und dass wir raus gehen und Köpfe rollen lassen werden. Das ist ein Appell, man! All die conscious Künstler von damals müssen sich heute wirklich im Griff haben, man. Wir werden sehen, was sie draufhaben.

 

rap.de: Kennst Du Wise Intelligent’s neuen Song „A Genocide“ (s. SOUND & VIDEO) schon?

 

BJ: Ein neuer Song von ihm? Den hab ich noch nicht gehört. Mir hat jemand davon erzählt, aber ich hab’s noch nicht gehört. Ist er dope?

 

rap.de: Das ist er. Sieht fast so aus als sei er tatsächlich ein poor righteous teacher.

 

BJ: Yeah.

 

 

 

rap.de: Er kommt mit sehr viel Wissen. Ich habe schon viele Leute sagen hören, dass sie den Song dope finden, nur das Problem ist, dass den meisten Leuten hier drüben Wise Intelligent nicht bekannt ist. Die jungen Heads kennen Wise Intelligent nicht, also hören sie sich’s auch nicht an…

 

BJ: Wooow! Es liegt am Marketing, man! Es liegt am Marketing, Bruder, ich sag’s dir! Ich und meine Brüder hatten das schon vor Jahren und mussten uns entscheiden: „Wenn wir nicht in der Lage sind, uns fortschrittlich zu vermarkten oder ein starkes Marketingteam zu finden, dann ziehen wir den kürzeren!“ Wir können die beste Musik der Welt machen, aber wenn die Leute dich nicht kennen… Das ist `ne Wissenschaft für sich! Erst recht wenn man independent ist, denn das Label kümmert sich um so was nicht mehr! Das muss man schon selber machen. Es gibt keinen Grund, weshalb Wise Intelligent’s Geschichte von den jungen Heads nicht respektiert werden sollte, Mann! Das ist beschissen! Man muss seine Geschichte respektieren, aber auf die richtige Art: „Yo, Wise klingt nicht so, wie Kool Herc oder so. Das ist Wise Intelligent und er spittet immer dope! Respektiert diesen Mann! Dem geht es um Weisheit.“ Und die Reaktion muss lauten: „Waas? Den Typ muss ich unbedingt auschecken!“ Also wer sagt so was heute für Wise? Wieso kenne noch nicht mal ich, der ich ein bewusster Mann bin, seinen neuen Song? (Lacht)

 

rap.de: Das frage ich mich allerdings auch (lacht).

 

BJ: Ich bin überrascht! Ich sagte ja, ich habe davon gehört, aber eigentlich hätte ich selbst darauf stoßen müssen. Wer macht das Marketing für Wise Intelligent?

 

rap.de: Das machen die selbst diesmal.

 

BJ: Aber das geschieht nicht.

 

rap.de: Kommen wir zur nächsten Frage. In Paris gibt es eine senegalesische Rap-Crew namnes Djoloff. Wie du vielleicht weißt, ist Djoloff der Name eines vorkolonialen Königreiches in Senegal gewesen. Der Name Djoloff wird von den Kindern und Jugendlichen im Senegal häufig als Synonym für Senegal verwendet. Als eine der ersten senegalesischen Rap-Gruppen trat Djoloff in traditioneller Kleidung auf und verwendete traditionelle Instrumente. Andererseits beklagen viele senegalesische Rapper, dass man in Europa erwartet, dass sie sich exotisch kleiden, während sie in Dakar ausgelacht werden würden, wenn sie im Boubou (traditionelle Kleidung) aufträten.

 

BJ: (Lacht)

 

rap.de: (Lacht) Als ich das las, musste ich an ein Interview denken, dass Professor X 1990 gegeben hat. Er erzählte darin von einer anstehenden Tour des X Clan durch Westafrika im Jahr 1991. Wie reagierten die Menschen auf euch und eure exotische Kleidung?

BJ: Erstens: das geplante Konzert kam nie zustande! Die wollten nämlich, dass wir mit Bobby Brown und Whitney Houston (lacht) auftreten, was mit uns unmöglich zu machen war. Das ist die Wahrheit! Niemand hat jemals darüber gesprochen (lacht), aber so sieht’s aus. Die wollten damals viele Pop-Stars engagieren. Es haben ja auch tatsächlich einige Pop-Leute viele Sachen da drüben am Laufen, z.B. Studios und so was. Außerdem ist es ein wunderschöner Ort. Abidjan (Hauptstadt von Cote d’Ivoire, Anm. D. Verf.) ist wunderschön, bro! Wunderschön! Aber wie gesagt, das Konzert fand nie statt. Wir hätten da in einem Stadion auftreten sollen. Man empfahl uns, dort aufzutreten, aber die Bedingungen stimmten nicht, verstehst du!? Das war zu einer Zeit als Whitney richtig angesagt war! Bobby auch! Keine Ahnung, ob die damals schon zusammen waren, ist ja auch egal. Man wollte uns mit diesen großen Pop-Stars zusammenbringen (lacht), aber das passte nicht zusammen, verstehst du!? Das hat sich schnell erledigt. (Lacht) Was die Klamotten angeht, so wurde ich deswegen dort keineswegs anders behandelt. Wir sehen all gleich aus und haben alle denselben Vibe. In New York oder sonst wo in den Staaten ist es manchmal unangenehm, weil die Leute da auf Abstand gehen, wenn man anders aussieht. Und wir tragen ja Ohrringe, Tall Crowns (hohe Hüte, s. Cover vom ersten X Clan-Album; Anm. d. Verf.) und (lacht) sehen halt anders aus. Also gehen die Leute erstmal auf Distanz, ganz egal, wo wir hingehen. Aber wenn man sich dann mit den Leuten unterhält, sei es mit Hilfe eines Dolmetschers oder sonst wie und die Lage ist entspannt, dann ist es überall gleich: es liegt an ihnen, ob sie einen akzeptieren oder nicht. In Abidjan nahm man uns sehr wohlwollend auf und als ich dann im Radio reimte und obwohl sie eigentlich nichts verstanden… Denn man spricht dort eine Art französisches Patois, das sich anhört wie französisch. Aber ich reimte ja in Englisch, doch die Leute rockten trotzdem! Sie rockten zu dem Klang meiner Stimme, also ganz unabhängig von meiner Kleidung. Also sagten die Leute: „Das ist ein guter MC!“ Ich weiß nicht, was das in ihrer Sprache heißt, aber sie gaben mir Respekt für die Klänge meines Styles. Von da an war alles anders für uns. Jetzt erzählten sich die Leute: „Wer war dieser Typ? Hast du schon von ihm gehört? Ich habe den heute im Fernsehen gesehen! Ich hab ihn im Radio gehört!“ Ich war nämlich mit einem Sohn des Präsidenten von Burkina Faso unterwegs. Der hatte eine Radio- und sein Kumpel eine Fernsehsendung. Er brachte mich überall hin. Und ich reimte, redete und genoss einfach alles. Zwar konnte ich mich nicht direkt unterhalten, aber er war auch mein Dolmetscher. Dadurch wurde es eine sehr schöne Reise! Sie wollten unbedingt, dass wir bei diesem Konzert mitmachten. Aber wir wollten HipHop, sie aber Bobby Brown (lacht) und Whitney Houston und all das.

 

 

 

rap.de: Professor X beschrieb die Trommel, insbesondere das Sprechen mittels der Trommel, als etwas ausdrücklich Afrikanisches. An Weihnachten traf ich einen Mann aus dem Senegal. Auch er trommelte, aber anstatt dazu zu singen, tat er für meine Begriffe im Grunde nichts anderes als zu rappen und das in einer ursprünglichen Landessprache. Ich war davon sehr beeindruckt, weil es mir vor Augen hielt, wie weit Raps Wurzeln tatsächlich zurückreichen.

 

BJ: Das ist eine bedeutende Aussage, und ich glaube, dass es sehr schön gewesen sein muss, das zu erleben.        

 

rap.de: Das war es. Aber zur nächsten Frage. Es ist ja schon ein bisschen komisch: soweit ich weiß, bist Du ein aus Brooklyn stammender Rapper. Dein Style jedoch klang aufgrund des vielen Funk, sozusagen nach „West-Coast“. Und heute lebst Du sogar in Kalifornien. Was brachte Dich dorthin? War es der Funk? Ein alter Traum? Was ist da passiert?

 

BJ: (Lacht) Also als wir das alles machten, da dachten wir nie an eine „West-Coast“. Wir wussten damals nichts von auch nur irgendeiner „Coast“! Natürlich kannten wir Eazy E und so, aber wir hielten das nicht für einen spezifischen Style. Shaft spielte in unserem Basement ständig Knee Deep (Funkadelic/Parliament) und cuttete es, denn er war der DJ! Ich hörte es also ständig, also sagte ich irgendwann: „Lass mich mal versuchen, darüber zu rappen, man!“ Dann fügte er dem Beat noch so viele Loops und Samples hinzu, dass wir daraus „Funkin’ Lesson“ machten! Wir hatten schon so viele Samples und eigentlich wollte ich noch ein Dancefloor-Sample benutzen, aber stattdessen machten wir es so, wie Shaft es wollte. Aber zurück zu deiner Frage! Ich erzähle dir sonst noch bis ins Detail wie „Funkin’ Lesson“ strukturiert war.

rap.de: Kein Problem. Die Frage war, was dich an die Westküste brachte.

 

BJ: Wie gesagt, es war nicht so, dass wir uns bewusst für Funk entschieden. Es war vielmehr so, dass uns einfach die Musik gefiel und wir dazu rappen wollten. Ich mag es zu „More Bounce to the Ounce“ oder „Knee Deep“ zu rappen. Ich rappte nicht dazu, weil es sich dann nach West-Coast anhörte. Wir wussten nichts von West-Coast und East-Coast. Es gab da auch keine Rivalitäten, sondern es ging nur um Musik. Außerdem war es einfach ein dopes Sample! Und das haben wir benutzt. Später ging ich also in den Westen. Ich habe schon immer den Sound von hier verehrt: denn er ist kräftig, klangvoll und gut orchestriert – außerdem harmoniert meine Stimme gut mit Funk und das gefällt mir. Als ich hierher kam, suchte ich also nach genau dem. Ich brachte auch die Cats aus dem Osten hier rüber. Aber nun wollte ich den Funk der Straßen hier drüben kennen lernen, verstehst du!? Ich wollte sowohl die schmutzigen Tracks hören als auch die besseren. So dass ich mich nur noch entscheiden musste, welchen Sound ich machen will. Und nun bin ich damit gesegnet, mit einem Ort, der guten Sound zu schätzen weiß und versteht, wie man ihn weiterentwickelt. Ich bitte dich, es ist ein Segen für mich, da zu sein, wo ich heute bin!       

 

rap.de: Du hast ja schon erwähnt, dass du vor kurzem mit Damian Marley auf Tour warst. Wie bist du eigentlich mit ihm zusammengekommen?

 

BJ: Das kam durch unser beider Management zustande. Mein Manager Ivory Daniel und sein Manager Bryan Edelman von William Morris unterhielten sich darüber. Also sagte Ivory zu mir: „Pass auf, Damian Marley’s Tour führt auch durch unsere Stadt! Wie wär’s, wenn du bei denen mal auftreten würdest? Wenn es ihnen gefällt, sagen sie, würden sie dich behalten!“ Also traten wir hier in Anaheim auf und machten die L.A.-Show. Ich glaube, das war in derselben Nacht, in der er auch beim VIBE-Award war, denn er kam direkt von der Bühne der Preisverleihung zu unserer Show um die Ecke im „House of Blues“. Während er noch unterwegs war, traten wir auf und hielten unser beider Publikum bei Laune. Wir rockten beide, verstehst du!? Wir sind Veteranen, die da auftraten und natürlich wussten wir, wie man die Menge bei Laune hält. Die Frage war nur, ob sie auf der Tour Reggae mit HipHop verbinden wollten. Letztendlich war Damians Management sehr von uns beeindruckt. Damian selbst setzte sich für uns ein, obwohl er uns bis dahin gar nicht kannte. Er ist ja einer der jüngeren Marleys. Aber dann hat er etwas Material von uns zu hören bekommen und war beeindruckt. Als sie uns dann auch noch live sahen, waren sie sich einig, dass wir dabei sein sollten. Das war ein Segen! Sie buchten uns für die komplette Tour. Das Label unterstützte uns und führte uns durchs ganze Land.

 

 

 

rap.de: Ich dachte mir auch, dass das doch die beste Werbung für Euch gewesen sein muss in Anbetracht von Damian Marley’s internationalen Erfolg. Ich meine, er schmückt sogar hierzulande manches Cover.

 

BJ: Wow! Das ist gut, man! Es ist ja auch gute Musik und live ist sie besonders kraftvoll, das geht weit über das Album hinaus! Das Album ist großartig, aber die Liveshow ist noch mal auf `ner andern Ebene. Big up an das ganze Team! Die Bühnentänzerinnen waren einfach irre, man. Es hat alles gepasst, der Flaggenmann auf der Bühne … und Damian genoss einfach seine Musik. Man sieht ihm das richtig an, wenn er die Bühne betritt, das ist ein wundervolles Erlebnis. Du spürst förmlich seinen Vater, wenn er dessen Lieder singt. Natürlich respektiere ich ihn als selbstständigen Mann und nicht, weil er Bob Marleys Sohn ist. Er ist er selbst und das schätze ich an ihm.      

 

rap.de: Du bist ja letztes Jahr auch beim Def Poetry Jam involviert gewesen. Hast Du da auch „Slam Poetry“ vorgetragen oder was war Deine Rolle?

 

BJ: Ja, das war eine weitere gute Sache. Man hat mir dort einen sehr herzlichen Empfang bereitet. Zwar hat mein Beitrag es nicht auf die DVD geschafft, aber es war eine tolle Erfahrung, die mir von Ebony Son Entertainment, aus dem Umfeld von Ludacris, ermöglicht wurde. Die arbeiteten damals mit meinem jetzigen Manager Ivory Daniel zusammen. Wir wechselten dann zu Focus Three von Ivory Daniel. Dennoch stehen wir weiterhin in Verbindung. Ich war überrascht, dass sie uns damals unbedingt bei sich haben wollten. Es war schön Common, Mos Def und noch viele andere Cats zu sehen. Alle möglichen Poeten waren anwesend, kraftvolle Poeten, wie Sonia Sanchez z.B., und das war eine wunderschöne Erfahrung. Es war schön in meine Heimatstadt zu kommen und nur a cappella vorzutragen. Direkt vom Herzen, teilte ich ihnen Weisheit mit, man. Das hat mir viel bedeutet.    

 

rap.de: Hast Du einen gewöhnlichen Rap vorgetragen oder Spoken Word?

 

BJ: Meine Lyrics sind wissenschaftliche Poesie. Ich habe keinen bestimmten Rap-Style. Wenn ich was rappe, dann nimmt der Inhalt den Zuhörer mit auf eine Reise! So habe ich auch meinen Style erklärt, als ich vom Def Poetry Slam interviewt worden bin. Wissenschaftliche Poesie! Sie wird überall gut angenommen, weil sie die Menschen auf eine Reise mitnimmt. Es ist kein Style im Sinne von: „the cat and the rat and the hat and that.“ So was mach ich nicht. Das ist eine andere Art Style von Lyrics.

 

rap.de: Am 24. Februar (2006!) hältst du an der Florida International University (FIU; Biscayne Bay Campus) auf dem 3. Symposion des Organic HipHop-Movements (Gründer & Organisator des Movements ist Afrika Baby Bambaataa, s. FEATURE; Anm. d. Verf.) einen Vortrag über das Verhältnis zwischen HipHop und Pan-Afrikanismus. Leider haben weder die meisten Leser von rap.de noch ich selbst Gelegenheit dieses Symposion zu besuchen. Würdest du uns vielleicht erzählen, worum es in deinem Vortrag geht?

 

BJ: Bei dieser Veranstaltung will ich deutlich machen, wie wir, hier in Amerika, dem so genannten Mekka von HipHop, alle anderen Pan-Afrikaner oder pan-afrikanischen Gebiete der Welt vergiften. Ich will zeigen, wie dieses Gift das ganze Game durcheinander bringt und wie wir dadurch eine Ignoranz verbreiten, die wie eine Pest ist. Ich will aufzeigen, wie die Twelve Jewels, die der Wissenschaft der 5% Nation entlehnt sind, als ein Mittel gegen dieses Gift fungieren können, eben indem man diese Straßenwissenschaft und -ethik anwendet. Die Twelve Jewels sind: Knowledge, Wisdom, Understanding, Freedom, Justice, Equality, Food, Clothing, Shelter, Love, Peace und Happiness. Ich kann anhand jedes einzelnen Juwels zeigen, inwiefern wir von dem ursprünglichen Pfad eines zivilisierten Volkes stammen. Zivilisiert nicht im Sinne dieses Systems, sondern dahingehend über gewisse Elemente zu verfügen, die die Dinge am Laufen halten. Heute haben wir nur ein Ziel: den Beemer, den Klunker, die Macht! Aber welche Stufen führen dorthin? Auf welcher Stufe erlernt man die Disziplin, die es braucht, um sich an der Macht zu behaupten, wenn man sie einmal erreicht hat? Und die braucht man, wenn man nicht den Kopf verlieren will, so wie es bei einigen Leuten, die Erfolg und viel Geld haben, der Fall ist. Wie erlangt man Disziplin und Konzentration? Das ist der Schlüssel! Ich zeige also auf, inwiefern wir und die Welt vergiftet sind. Sehen wir uns mal an, wie es weltweit um HipHop und die Afrikaner bestellt ist! Ich sage, dass wir selbst für das Gift verantwortlich sind, weil wir in uns zwar über eine kraftvolle Technik verfügen. Nur vergiften wir damit das Game, wir jagen dem Game hinterher und wir machen all das geschäftliche Geschwätz mit, dabei ist es nur eine Frage der Gewohnheit für Balance zu sorgen! Wir fordern nicht: Rottet es aus! Wir fordern: Balanciert es! Und ich versuche zu zeigen, wo diese Balance möglicherweise zu finden ist. Davon wird also mein Vortrag an der Universität handeln. Ich tue das, um den Menschen eine Perspektive aufzuzeigen, die ihnen vielleicht noch nie in den Sinn gekommen ist. Die Mathematics der 5% Nation werden allgemein als eine Art Gangster-Wissenschaft betrachtet, die nie funktioniert hat. Dabei enthält diese Wissenschaft nützliche Juwelen! Sie ist ein Sprungbrett, dass der Jugend von klein auf angeboten werden sollte! Sie lehrt das Alphabet und Numerologie! Sie lehrt, wie man Forschungen anstellt! So viele Dinge, und mit dieser Basis kannst du weitersuchen und deinen Glauben finden! Es ist nicht dafür gedacht, es dabei zu belassen. Das haben viele Leute missverstanden. Es geht darum, sich weiterzuentwickeln. Wenn du keinen religiösen Glauben hast, dann glaube an dich! Sei dir deiner selbst bewusst als ein höheres Wesen! Das ist alles. Irgendetwas hat dich schließlich in diese Welt gesetzt! Und das ist alles, was du brauchst: zu wissen, wer du bist. Dieser Leitfaden weist dich in die richtige Richtung, zu deinem Selbst. Wenn du das begreifst (lacht), dann wirst du göttlich! Aber das ist ein ganz anderes Thema. Doch hierüber werde ich an der Universität sprechen. Ich dachte, das ist mal was anderes und hoffe, dass das klappt.

 

rap.de: Das ist interessant. Wie aber wird die Botschaft von X Clans neuem Albums „Return from Mecca“ lauten? Und wann wird das Album veröffentlicht?

 

BJ: Es erscheint am 31. Oktober bei Suburban Noize Records, Kalifornien. Die Botschaft des Albums ist Reinigung oder der Prozess der Reinigung. Natürlich wird man (lacht) niemals absolut rein und rechtschaffen sein, selbst wenn man sein Leben lang sein Bestes versucht. „Return from Mecca“ ist eine Reflexion der bisherigen Reise, wie sie auch Malcolm X unternommen hatte. Nur als Beispiel: als er die Nation of Islam verließ und den Ort aufsuchte, nämlich Mekka, wo alles begann und worüber er immer gelesen hatte, da erfuhr er einen anderen, einen neuen Frieden (Nachdem Malcolm X in Mekka sah wie Moslems aller Hautschattierungen friedlich miteinander umgingen, verwarf er den Glauben, dass es zwischen „Schwarzen“ und „Weißen“ keinen Frieden geben könne; Anm. d. Verf.). Nicht, dass ihm kein Frieden unterrichtet worden wäre, aber nun erfuhr er eine andere Perspektive. Und die Leute kennen mich! Auch du hast dieses Gespräch mit dem Blackwatch Movement begonnen, mit etwas militärischem also. Doch nun ist es Zeit weiterzugehen und sich zu fragen: „Was ist die nächste Stufe? Lass mich einen Ort finden, wo ich darüber in Ruhe meditieren kann!“ Für mich war dieser Ort Kalifornien! Das war mein Mekka! Von Kalifornien gehen wir nun wieder in die Welt hinaus – return from Mecca! Kalifornien war für mich das, was für Malcolm X Mekka war.       

 

rap.de: Ich habe auch von einem Projekt namens “The Underground Scrolls” gehört. Wann wird das erscheinen?

 

BJ: Die „Underground Scrolls” kommen wahrscheinlich nach dem Clan-Album. Zwar wollten wir sie noch vorher veröffentlichen, aber das Label hielt es für wichtiger erstmal das Album in die Straßen zu bringen, und ich vertraue ihrem Urteilsvermögen. Die „Underground Scrolls“ werden auch noch kommen, da bin ich sicher (Das Street Tape Vol. 1 gibt es mittlerweile als Download auf X Clan’s Myspace-Seite; Anm. d. Verf.). Es ist gute Musik und die Prämisse des Ganzen ist, dass ich den Leute die Straße durch meine Augen zeigen will, verstehst du!? Was sieht ein Streetsoldier wie ich als Künstler? Du willst guten HipHop hören und richtig kraftvollen Scheiß? Dann hör Dir die „Scrolls“ an, Mann! Ich hab irren Scheiß da drauf! Auch viel unveröffentlichte Musik aus den letzten Jahren für alle, die sich fragen, was ich in der ganzen Zeit gemacht habe. Ich habe in meinem Musikarchiv gekramt. Dadurch wird die Lücke in meiner Ära geschlossen, verstehst du, was ich meine!? So wird sie nicht mehr vermisst werden, verstehst du!? Was ist aus Brother J geworden? Wieso ist er nicht mehr im Game? Die Scrolls erzählen, was ich gemacht habe! Lasst mich die alten Sachen vom X Clan noch mal, aber besser machen! Und das bekommt Ihr mit den Scrolls geboten: exklusive Musik, zu der man sich bewegen kann, die einen zum Nachdenken anregt, dich meditieren oder deinen Groove finden lässt, was auch immer du daraus machst! (Lacht).

 

rap.de: Ich habe den Song „Weapon X“ gehört (Das Video des Tracks ist auf X Clans Myspace-Seite zu sehen und der Song in der SOUND&VIDEO-Rubrik von rap.de zu hören). Ist das ein alter oder neuer Song?

 

BJ: Das ist ein Song aus dem Archiv, wurde aber aufgefrischt. Ultraman hat den Beat raus gehauen, weil ich unbedingt das Sample „The Blue Turtles“ rocken wollte. Das wollte ich schon immer rocken! Ultraman hat das dann live eingespielt und es einfach gerissen! Da ist nicht ein einziges Sample auf dem Beat! Alles ist live! Das war ein schönes Unternehmen. Für mich persönlich ist es ein Remix von „Xodus“, es hat auch dieselbe Energie. Ich habe nur die flashlight Scratches weggelassen. Der Vibe war wunderschön. Der Song ist hier sehr beliebt, man, er ist einer der Banger hier!

 



rap.de
: Cool. Wirst du eigentlich auch nach Europa oder Deutschland kommen?

 

BJ: Definitiv, ja. Ich meine, wenn die Nachfrage da ist, bin ich sicher, dass man mich ins Flugzeug setzen wird (lacht)! Ich hoffe, noch dieses Jahr. Aber ich weiß nicht, wie der Plan ist. Ich weiß, wann das Album kommt und dann werden wir sehen, wo es am besten läuft. Dorthin wird es mich dann wohl auch verschlagen.

 

rap.de: Versuch mit Damian Marley zu kommen und du hast dein Publikum (lacht)!

 

BJ: (Lacht) Da bin ich sicher! Ich werde mit ihm darüber sprechen, wenn wir uns demnächst für Aufnahmen treffen. Er wird nämlich auch auf dem Album zu hören sein – oh, da hab ich mich wohl verplappert (lacht)!

 

Gelächter

BJ: Also ja, wir haben vor, zusammenzuarbeiten, und hoffentlich erlauben es unsere Terminpläne, das zu arrangieren, aber es sieht eigentlich sehr gut aus. Ich denke also, das klappt. Wir hatten eine gute Zeit miteinander und alles lief gut. Wie gesagt, ich habe großen Respekt vor der Band und auch für sie war es ne tolle Zeit. Ich bin froh, dass wir dabei sein durften, das war mir eine Ehre.

 

rap.de: Gut, damit wären wir auch am Ende des Interviews!

BJ: Alles klar, man. Ich bin froh, dass das hier noch geklappt hat. Das waren intelligente Fragen! Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen! Danke für das Interview!

rap.de: Auch ich habe zu danken. Peace!

BJ: Peace!