Interview mit Fabian Römer

F.R. ist zurück – und alles ist anders. Das fängt bein Namen an – der Braunschweiger veröffentlicht ab sofort unter seinem bürgerlichen Namen Fabian Römer – und hört beim musikalischen nicht auf. Statt schnellen Raps und halsbrecherischen Technik-Abfahrten geht es auf seinem neuen Album „Kalenderblätter“ eher ruhig und nachdenklich zu. Einziges Feature ist Edelzunge MoTrip auf dem Titeltrack. Wir sprachen mit dem Mittzwanziger über „Kalenderblätter„, typisch deutsche Diskussionen, Backpacker-Reisen und Rap als Zirkusnummer.

Man vergisst ja gerne mal, dass du erst Mitte 20 bist.

Hm. Für mich fühlt es sich manchmal eher an wie schon Mitte 20.

Okay, das gilt heutzutage ja schon als alt. Aber du hast dich mit Mitte 20 ja tatsächlich schon komplett neu erfunden. Namentlich aber auch musikalisch.

Ich habe 2011, 2012 noch meine Tour, war auf ein paar Festivals und hatte im Oktober 2012 mein zehnjähriges Bühnenjubiläum, das ich in Stuttgart mit einem Konzert gefeiert habe. Das war so ein Cut, wo ich mir dachte, cool, das kann ich mir jetzt so einrahmen und in die Vitrine stellen. Das war genau der Zeitpunkt, an dem ich mir dachte, ich will mir nochmal die grundsätzlichen Fragen stellen. Mal gucken, was ich genau machen will.

Wie hat sich das konkret ausgewirkt?

Ich bin viel rumgereist, habe für andere Leute geschrieben, versucht, meinen Horizont zu erweitern. Nebenbei ist ein bisschen Musik entstanden, und die ist jetzt auf meinem Album zu hören.

(lacht) Kurz zusammengefasst. Auf dem letzten Album hast du die Suche nach deinem Weg schon sehr stark thematisiert. Wer bin ich, was will ich, wo will ich hin. Hat sich das Reisen, das du gerade erwähnt hast, in der Hinsicht weiter gebracht?

Schon auch. Was dieses ganze Backpacker-Reisen angeht, bin ich noch ziemlich in den Kinderschuhen. Ich kenne Leute, die das auf jeden Fall deutlich stärker, exzessiver und viel mutiger als ich betreiben. Aber klar – das sind auf jeden Fall Erfahrungen, die einen weiterbringen. Gar nicht dieses Klischeebild, ich löse mich von mir selbst und versuche mich zu finden. Sondern einfach nur weg zu sein von allem hilft eigentlich schon, auf Ideen zu kommen. Ich war zum Beispiel zwei Monate in Thailand unterwegs und dachte, dass ich in der Zeit viel schreiben würde, habe aber tatsächlich nichts geschrieben. Nicht mal ’ne Notiz. Ich habe komplett ausgeschaltet und war gefühlt gar kein Musiker mehr. Das hat mir auch mal gutgetan.

Waren es zu viele neue Eindrücke?

Ich glaube, es lag auch an der Hitze. In so praller Sonne kann ich mich nicht konzentrieren und kreativ sein. Die Lebenskultur ist da ja auch ’ne ganz andere. Die Leute sitzen einfach im Schatten und lassen das Leben so ein bisschen vorbeiziehen. Davon habe ich mich anstecken lassen. Das war für mich als Künstler ein Entschleunigungsding. Ich musste nicht die ganze Zeit wie so ein Schwamm sein, sondern habe mich einfach ein bisschen treiben lassen. Und als ich wieder hier war, konnte ich ein paar Sachen daraus ziehen.

Dein Stilwechsel hat naturgemäß wieder einiges an Häme unter Rapfans ausgelöst…

Gerade, wenn jemand unter seinem bürgerlichen Namen auftritt,kommt schnell dieses Bild von jemandem auf, der die Akustikgitarre in die Hand nimmt und vom Weltschmerz erzählt. Ich verstehe total die Angst bei den Leuten. Aber so ist es ja gar nicht. Ich hab meinen Namen einfach immer gehasst, mein Kürzel. Ich bin da nur reingerutscht, weil ich damals in der RBA einen Nickname brauchte. Dann klebte er mir jahrelang an den Versen, ich habe immer auf eine Gelegenheit gewartet, ihn loszuwerden.

Sollte die Namensänderung den musikalischen Stilwechsel einfach nochmal unterstreichen?

Das ging Hand in Hand. Ich habe mir nicht gedacht, wenn ich meinen Namen ändere, ändert sich auch meine Musik. Wir haben uns alle in den letzten vier Jahren verändert – jeder auf seine Weise, und meine Musik dementsprechend auch. Beides hat sich eben so ergeben.

Hattest du einfach keine Lust mehr auf straighten Rap?

Ich glaube, es ist bei den meisten Künstlern so, dass sich ihr jeweiliges Album zusammensetzt aus den Strömungen, die man zur Zeit am meisten feiert. Also, die Musik, die man machen will, setzt sich aus den verschiedenen Sachen zusammen, die man selbst hört. Und so war es bei mir auch. Viel Sachen aus dem Ami-Bereich, wie Drake oder J.Cole, aber auf der anderen Seite auch deutsche Textmusik, teilweise Deutschrap, aber auch Singer-Songwriter-Sachen oder Poetry.

Kannst du ein paar Namen nennen?

Das Maxim-Album fand ich zum Beispiel unglaublich krass. Textlich eines der besten Alben der letzten Jahre. Ich bin auch ein großer Bosse-Fan. Und auf Deutschrap bezogen finde ich die Marteria-Alben großartig vom Songwriting her. Ich glaube, „Kalenderblätter“ ist ein Hybrid aus diesen beiden Pfeilern. Ich finde auch, ich hab schon Nummern auf dem Album, die ich als klassischen Rap bezeichnen würde. Den Titelsong mit MoTrip zum Beispiel. Oder „Zimmer ohne Zeit„, der natürlich von der Produktion her kein BoomBap ist…

…ist schon eher luftig produziert…

Ja, aber auch der hat eine ziemlich lange Rapstrophe. Oder „Kein Mensch mehr„, auch ein Song, der sehr raplastig ist. Manchen Leuten ist der Rapanteil auf dem Album wahrscheinlich zu gering, aber die Stellen, die Rap sind, sind besser gerappt als auf meinen alten Alben. Ich mag es eh nicht, wenn Leute zu mir sagen, du hast ja damals krasser oder verrückter gerappt. Rap ist doch keine Zirkusattraktion! Und das fordert mich auch ehrlich gesagt nicht so heraus, wie auf einem langsamen Beat zu rappen, eine Geschichte zu erzählen und dabei trotzdem eine krasse Reimstruktur zu haben.

Steht jetzt also die Aussage mehr im Vordergrund?

Vielleicht. Jeder Song auf dem Album hat eine gewisse Grundstimmung, die ich jetzt gar nicht in Worte fassen könnte. Über jedem Song schwebt so ein Schleier, der es so zusammenschweißt. Und das mag ich sehr gerne. Es ist auch ’ne Grundmelancholie da, die auf den anderen Alben nicht so stark da war. Der Humor musste dran glauben, auf meinen letzten Alben hatte ich mehr lustige Sachen. Aber wenn man sich 45 Minuten Zeit nimmt – und ich sag immer, es ist ein Kopfhörer-Album – dann wird man sehr viele Details entdecken.

Die Texte sind auch allgemeiner gehalten, weniger konkret, eher poetisch.

Ich benutze auch weniger Ich-Perspektiven. Gibt’s schon noch, beispielsweise „Nach dir„, die noch eher in meinem alten Schreibstil gehalten sind. Aber „Blauwalherz“ oder „Dreh den Nebel um“ basieren auf einer Metaphorik, die ich so in meiner alten Musik nicht so ausgearbeitet hatte, nur ansatzweise, etwa bei „Sonne schneit„. Ich bin ein Sammler. Früher habe ich Reime und Punchlines in mein Handy getippt, heute sammle ich Zeilen, die für mich rechtfertigen, einen Song zu schreiben. Oft fügen sich die einzelnen Zeilen dann zusammen. So war es zum Beispiel bei „Übersommern„. Der C-Teil war mal ein einzelner Refrain, und irgendwann hab ich gemerkt, dass das total zu „Übersommern“ passt. Deshalb habe ich zwei Refrains in einem Song. So puzzlemäßig bin ich eigentlich viele Sachen angegangen.

Du hast vorher Drake oder J-Cole erwähnt – denen wird in Amerika ja nicht groß vorgeworfen, dass sie keinen Rap machen würden. Ist das Ganze also mal wieder eine typisch deutsche Diskussion?

Finde ich sehr interessant – genau das ist mir neulich auch durch den Kopf gegangen. Ich würde Drake absolut als einen Rapper bezeichnen. Der hat auf seinen Alben Songs wie „Underground Kings„, die er durchspittet, als nächstes kommt dann eine pure Gesangsnummer. Aber irgendwie ist er halt Drake, der Rapper, der halt auch gut singt. Die Drake-Alben sind für mich auch ganz klar Rapalben. Deswegen ist es wohl wirklich aus irgendwelchen Gründen eine deutsche Diskussion.

Als einziges Feature ist MoTrip auf „Kalenderblätter“ vertreten. Warum?

Ich hatte diesen Song, wo eine Strophe gefehlt hat. Und ich hab einfach hart MoTrips Stimme darauf gehört. Ich fand’s auch gerade spannend, dass man ihn nicht so sehr mit mir in Verbindung bringt. Ich hätte auch Curse fragen können, der das Ding mit Sicherheit auch gekillt hätte. Von MoTrip mag ich gerade Songs wie „Feder im Wind„, die tiefer gehen. Letztlich war es eine sehr schöne Zusammenarbeit. Ich hab dann ja auch noch ein Ding für ihn gemacht, das auf seiner Premium Edition gelandet ist. Sehr, sehr cooler, herzlicher Typ. Ist mir auch schon immer aufgefallen, dass er und JokA so Typen sind, die sehr offen auf alle zugehen. Klar ist es mittlerweile nicht mehr so wie 2005, als alles sehr camplastig war und man auf der Rheinkultur Angst hatte, weil einem böse Blicke zugeworfen wurden. (grinst) Aber trotzdem gibt es hier und da noch Vorbehalte. JokA und MoTrip sind aber Leute, die sehr sehr offen sind und geradlinig auf Leute zugehen. Abgesehen davon feier ich seine Musik.

Was du über Camps im Deutschrap sagst, ist interessant. Ist das Lagerdenken nicht einer verbreiteten Oberflächlichkeit gewichen? Vornerum sind alle nett und freundlich, aber hintenrum wird gelästert und gehatet?

Als ich dazu kam, so 2005, 2006, und auf den ganzen Festivals war, als Rap uncool war und fast als tot galt, da war es eher eine grimmige Stimmung. Jetzt, da hast du recht, ist es teilweise sehr scheinheilig. Aber das ist glaube ich kein Phänomen, das die HipHop-Szene exklusiv hat, sondern generell die Gesellschaft und auch die Medienlandschaft – ob es jetzt Rapper, Schauspieler oder Medienmenschen sind, das ist ja immer mit Vorsicht zu genießen. Es gibt eben Leute, die gerne am Tresen stehen und mit jedem Best Friend sein wollen, es gibt Leute, die das nicht so können, es gibt Leute, die das differenzieren können, einfach Spaß mit anderen Leuten haben, aber das nicht überbewerten.

Wo siehst du dich denn da? Am Tresen oder eher in der Ecke?

Das kommt immer auf die Party an. Es kommt immer darauf an, mit welchen Leuten du unterwegs bist. Wenn du mit deinen Lieblingsmenschen bist, hast du einen Riesenspaß, alleine wahrscheinlich eher weniger.

Du hast fast vier Jahre kein Album rausgebracht. Wovon hast du in der ganzen Zeit eigentlich gelebt?

Ich konnte mich tatsächlich von Vorschuss zu Vorschuss hangeln und mich über Wasser halten. Natürlich auf einem gemäßigten Level, ich habe aber auch irgendwie das Glück, nicht das Rapper-Syndrom zu haben, mir gleich vom ersten Geld ein Auto zu kaufen. Ich wusste, dass ich mir nach meinem letzten Album echt Zeit lassen wollte, und dementsprechend hab ich das Geld auch so aufgeteilt, dass ich den Luxus hatte, lange schreiben zu können. Dann lebt man eben auf Studentenlevel oder noch darunter, das ist für mich voll okay. Ich habe da nicht so einen Anspruch, solange ich weiß, wofür ich es mache.

Das Album hat eine gewise Grundmelancholie, hast du vorhin gesagt. Passt es dann, es im Frühling zu veröffentlichen?

Eigentlich hätte ich es tatsächlich lieber im Herbst veröffentlicht, aber jetzt ist es halt in den Sommer gerutscht. Ist aber okay, es gibt ja auch helle Momente. Die Tour ist dann im September, Oktober, was halt saugeil ist. Dann passt es wieder sehr gut.

Im Pressetext stand, dass sich „Kalenderblätter“ wie ein zweites Debütalbum anfühlt. Stammt der Satz von dir?

Gut, dass du fragst – Pressetexte sind immer mit Vorsicht zu genießen. Der Satz stammt aber tatsächlich von mir. Das liegt glaube ich auch an dieser Zeitspanne, die ich mir für das Album gegönnt habe, und dass ich viele Sachen in dem Prozess neu entdeckt habe, versucht habe, eine eigene Sprache zu entwickeln, mein eigenes kleines Ding zu etablieren. Sollte man nicht überinterpretieren, den Satz, aber ist schon was dran. Es ist schon ein neuer Abschnitt für mich.

VÖ Datum: 2015-05-22
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