Interview mit Liquit Walker

rap.de: Und wie bist du schlussendlich zu dem Style gekommen, den du heute fährst?

Liquit Walker: Die Musik, die ich jetzt mache ist die logische Konsequenz aus dem, was sich die letzten Jahre abgezeichnet hat. Ich hab aufgehört zu battlen, ohne aber meines Erachtens nach den Biss und den Hunger zu verlieren. Das Ganze hat sich nur verlagert. Ich battle immer noch, nur auf emotionale Weise. Ich battle die Welt und das Leben, indem ich Dinge verarbeite und reflektiere. Im Gegensatz zu früher hoffe ich nun, Leute damit zu begeistern und helfen zu können. Ich möchte ihnen das Gefühl geben: Bruder oder Schwester, du bist nicht alleine, mir geht es genau so. Ich glaube, dass man bei meiner Musik sehr gut zwischen den Zeilen lesen kann. Ich befinde mich damit in einer Grauzone. Rap wird auf der einen Seite immer Hipstermäßiger und auf der anderen Seite immer härter, da entsteht eine riesengroße Grauzone.

rap.de: Diesen beiden Subgenres kann man dich jedenfalls nicht eindeutig zuordnen. Gangsta-Rap, eigentlich längst totgesagt, wird ja derzeit größer und größer. 

Liquit Walker: Gangsta-Rap ist vom Handwerk her und von der Stimmung her, momentan der eigentliche Rap, weil es wirklich noch Rap ist. Dann gibt es noch diesen ganzen Indie-Rap, Hipster-Rap, Yuppie-Rap, Emo-Rap, wie auch immer man das nennen möchte. Die Message bei Gangsta-Rap ist für mich persönlich suboptimal. Wenn ich ein Kind hätte, egal ob Mädchen oder Junge, würde ich nicht wollen, dass es Haftbefehl hört. Für mich als Musiker muss ich aber sagen, dass ich mich trotzdem eher mit Gangsta-Rrap identifiziere, weil die Thematiken und die Grundprobleme und der Realnessgedanke dahinter mich mehr catchen als die Hipster-Rap-Richtung. Bei dieser ist für mich sehr problematisch, dass die Medien sich damit lieber beschäftigen als mit Gangsta-Rap. Cro oder Casper sind einfach mainstreamfähiger. Was mich stört ist, dass Rap nach Meinung der Medien immer dann zurück ist, wenn er am wenigsten nach Rap klingt. Das ist für mich eine absolute Katastrophe.Tendenziell ist das gute Musik, ich hate das nicht. Aber für die HipHop-Kultur an sich finde ich es schwierig und teilweise auch destruktiv. HipHop hat seit Tag eins eine Aura, einen Geist, eine gewisse Attitude und die Kultur weit mehr als nur Musik ist. Ich habe Freunde, die sind 35 Jahre alt und arbeiten in seriösen Berufen, die leben HipHop immer noch komplett. Die reden und laufen anders und haben eine ganz andere Körpersprache als ein normaler Mensch. Das alles ist HipHop. Und durch diese ganze Hipsterscheiße geht das alles verloren.  

rap.de: Man kann es natürlich auch als Bereicherung sehen. Noch nie war im deutschen Rap so viel möglich wie heute.

Liquit Walker: Natürlich ist es auf der einen Seite cool, wenn ein Mensch offen gegenüber vielen Dingen ist. Aber ich finde es auch einfach geil zu sagen, dass man eine gewisse Szene hat. Wenn man jemanden kennenlernt und dieser sagt, dass er HipHop-Fan ist, gleich weiß, dass man Gemeinsamkeiten hat. Aber das ist heute nicht mehr so. Wenn einer sagt „Ich mag Hip Hop“, kann es sein das er trotzdem letzte Woche auf einer Fusion oder in London bei einer Oasis-Revival-Party war. Alles verschwimmt. Es ist zwar schön, wenn alles geht, aber genau da setzt mein Problem ein: Wo sind die Rapsong? Es gibt nur noch Rap oder Songs. Es gibt nur noch ganz wenige, die das machen. Sido macht das immer noch und er ist der einzige, der immer noch straight rappt in seinen Songs. Er hat natürlich den Vorteil seines Sido-Swags und seiner Stimme, mit der er eine Hook singen kann, ohne das es wie ein Pseudo-R&B-Sänger klingt. Savas versteht das Handwerk genauso, einen guten Rapsong zu machen. Deswegen finde ich auch gerechtfertigt, dass solche Leute heute immer noch Erfolg haben und an der Spitze stehen. Solche Rapper nehmen das Handwerk und den alten Geist mit und machen etwas Gutes daraus.

rap.de: So, jetzt mal Hand aufs Herz: Warum hat das mit deinem Album so lange gedauert?

Liquit Walker: Ich trage bestimmt schon seit zwei Jahren drei, vier Songs mit mir rum, die vom Konzept und Inhalt her stehen. Mir haben einfach die Beats dafür gefehlt.

rap.de: Woroc konnte sie nicht liefern?

Liquit Walker: Mit Woroc ist das so, dass er auf der einen Seite einen sehr eigenen Sound hat, der sehr Street ist. Wenn ich, warum auch immer, mit irgendjemanden Beef hätte und ich mich gezwungen sähe, einen Song zu machen, dann würde ich mir als aller erstes eine Woroc-Beat holen. Weil die Dinger einfach zerstören. Aber für das, was ich haben wollte, brauchte ich etwas anderes. In der Zeit, in der wir aktiv am Album arbeiten wollten, war Woroc außerdem geschäftlich viel unterwegs. Wir verstehen uns aber immer noch gut und telefonieren häufig. Woroc ist immer noch einer der kredibilsten und realsten Atzen, der mir je über den Weg gelaufen ist.