Interview mit form: „Coolness ist ganz oft sehr dumm“

Und so insgesamt? Denkst du, HipHop in Deutschland steht heute besser da? Viele erzählen ja was von wegen „Noch nie war so viel Vielfalt“. Aber letztlich klingen doch viele Newcomer wieder gleich und fahren den Film, den halt gerade alle fahren.

Naja, es gibt tatsächlich nicht mehr so engstirnige Sachen wie „Meine Schwester hört die Beginner und deshalb feier ich die nicht“.

Dafür gibt es jetzt ganz andere Ausschlusskriterien.

Du bist jetzt halt noch viel weirder, wenn du ernsthaft irgendwie einen HipHop-Anspruch hast. Damit bist du exotisch heute. Dass es mir wichtig ist, dass es geil gerappt ist. Es gibt einfach wirklich so viel schlechten Rap. Aber Alter, das war doch immer so. Nostalgisch bin ich halt nicht. Manche Sachen sind natürlich auch schlechter geworden. Nicht alles, überhaupt nicht. Es gibt auch ganz viele Sachen, die besser geworden sind. Andere sind schlechter geworden. Zum Beispiel ist hier nicht so der Zwang, etwas eigenes zu machen, was nicht gebitet ist. Stattdessen gibt es ein paar Formeln, an die sich dann alle halten. Es geht nicht darum, eigen zu sein oder geilen Rap zu machen.

Das scheint bei vielen tatsächlich nicht das Ziel zu sein.

Auf der anderen Seite gab es diese ganze Money Boy-Rutsche, die sehr viel frischen Wind reingebracht haben. So eine Art von Punk fast – auf künstlerischer Ebene. Auf alles scheißen, falsche Grammatik, extrem poppige Hooks – alle heiligen Kühe schlachten.

Es gibt ja jetzt diese HipHop-Partei, Die Urbane. Bist du da auch Mitglied eigentlich?

Nein, Mitglied bin ich nicht. Aber ich bin so ein bisschen involviert gewesen in die Diskussion vor dem Start und finde das sinnvoll. Peace, Love, Unity And Having Fun ist ja gar nicht so das schlechte politische Ziel. Konflikte werden in Battles ausgetragen. HipHop hat eine äußerst gutmenschliche Dimension Und es ist scheißegal, wo du herkommst, wichtig ist nur, dass du geil bist. Das sind mega gute Ideen! Sich nicht auf Ethnien und Nationalismus zurückzuziehen, sondern jedes Individuum anerkennen, dafür, dass es existiert. Und das Skills wichtiger sind als vermeintlich starre Identitäten: Kannst du geil tanzen, kannst du geil sprühen, bist du eine gute Rapperin, bist du fresh oder was auch immer. Da gibt es so viel Raum, auch für schüchterne Menschen, Produzenten und DJs sind ja meistens nicht so die Rampensäue…

… für die gibt es ja Rap.

Genau. Ich finde das megageil und da kann man so viel vermitteln. Ich hoffe, dass da was geht. Denn es gibt noch so krass verkrustete Denkmuster in Deutschland. Und ein riesiges Rassismus-Problem. Das Leute noch ernsthaft darauf beharren, sie hätten ein Recht, das N-Wort zu benutzen. Da hinkt Deutschland im internationalen Vergleich auch noch mega hinterher.

Ja, in Deutschland glauben viele: Wir haben doch den Nationalsozialismus so doll aufgearbeitet, das muss jetzt auch mal reichen.

Ja, deshalb kann es nicht schaden, wenn so eine Partei mit Leuten am Start ist, die Sexismus, Rassismus und so weiter durchdacht haben. Alleine schon durch die Existenz kann HipHop an sich ist schon politisch, ob er will oder nicht. Das heißt auch nicht, dass niemand mehr Clubtracks schreiben darf, macht doch einfach, aber es ist trotzdem politisch.

Genau, denn es ist ja die Frage, wie du dich in diesem Club verhältst.

Genau. Das muss sich alles auch gar nicht ausschließen, lass die Leute doch feiern. Das Leben ist ja schön, ist doch toll. Kann man doch feiern. Ich glaube nicht, dass mit so einer Partei sich Gesetze ändern werden, ich bin nicht so der parteiaffine Typ, das gibt mir nichts. Trotzdem finde ich es wichtig, weil das System nun mal so organisiert ist. Und wenn es Leute gibt, die diese Scheißarbeit machen, da reinzugehen in den Parteienwettstreit, das schadet auf jeden Fall nicht. Falk hat das glaube ich mal gesagt, es muss auch Anwälte geben, die Plan von HipHop haben. Das gibt es mittlerweile auch. Und das ist ein guter Einfluss für die Gesellschaft. Es ist wichtig, dass es endlich mal klar ist, dass nicht nur Franz Huber aus Ipfenhausen da sein darf, sondern es gibt halt auch Mahmoud und Fatuma und die sind auch okay und cool und – Menschen. (Gelächter)

Erstaunlicherweise.

Ja, das ändert sich, aber sehr langsam. Und da kann HipHop dazu beitragen.