Interview mit form: „Coolness ist ganz oft sehr dumm“

form ist ein interessanter Gesprächspartner. So interessant, dass ich mich gleich zweimal mit ihm getroffen habe. Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass unser erstes Interview jä dadurch beendet wurde, dass ich dringend los musste. Kein Problem, verabredet man sich eben für nächste Woche nochmal. Doch fangen wir vorne an: An einem sonnigen Nachmittag saßen wir vor einem Café, tranken Apfelschorle und sprachen über ganz viele Sachen, zum Beispiel forms neue EP.

Deine EP trägt den schönen Titel „Gott sieht dass du faul bist“.

Ja, der sieht das halt, der sieht das sofort!

Da steckt ja dieses protestantische Schuldbewusstsein drin, das ich aus dem Schwabenland gut kenne.

Ja, auf jeden Fall, ich komme ja auch daher. Das ist ein strafender Gott, der alles beobachtet. Ich bin nicht gläubig, deshalb heißt die Tour ja auch „Gott war ein Insidejob“. Es geht eher um die Figur des Überwachtwerdens und schlechten Gewissens. Auf dem Cover ist das Haus, das brennt, und der ganze Müll, der rumliegt – und die Figur tut nichts. Eigentlich ist es entstanden, weil ich einer Freundin im Chat, die erzählt hat, dass sie seit ein, zwei Stunden im Netz irgendwelche Sachen durchwühlt und prokrastiniert, und ich hab ihr scherzhaft-vorwurfsvoll geschrieben: Gott sieht, dass du faul bist. Das fand ich aber auch als Bild ganz gut. Das wird dir ja erzählt, dass Gott alles sieht, der kriegt alles mit und den kannst du nicht verarschen. Bei dem Lied „Gott sieht es“ ist es ja dann noch verschränkt mit so ’ner Überwachungsinstanz, es geht jetzt nicht konkret um das Internet, Facebook oder die NSA, sondern allgemein um die Denkfigur: Dass da ein Gott ist, der alles abcheckt.

Eigentlich eine schreckliche Vorstellung, oder? Zumindest, wenn der einem nicht wohlgesonnen ist, sondern immer nach dem Fehler sucht.

Voll. Das ist so das Setting, von dem die EP ausgeht. Dann gibt es verschiedene Perspektiven und Antworten. Den Song „Der erste Stein“ aus der Ich-Perspektive. Da geht es vor allem um das schlechte Gewissen. „Der Filmtrick“ ist dann die Du-Perspektive, der spricht zu anderen Leuten, du bist nicht schuld, du bist super. Dein Haus brennt, du wartest hier und versinkst weiter in der Dunkelheit, aber du machst nichts! Mach mal was! Darum geht im Prinzip bei der ganzen EP: Wie schaffen wir es? „Es könnte besser sein“ ist dann das Wir, mit einem Aufruf: So wie es ist, wird es sowieso nicht bleiben – stell dir mal vor, es könnte besser sein. Da kommen dann mehrere Leute zusammen und sagen, das Haus brennt übrigens. Lass doch mal löschen! Dann kann man vielleicht was retten…

…und es schöner wieder aufbauen.

Genau, das wäre doch mal was. Anstatt dazustehen und zu gucken, wie die Scheiße explodiert. Das ist die Gedankenwelt, die dazugehört.

Ich hatte als Hörer aber nicht den Eindruck, dass es sich mit dem Zeigefinger an mich richtet, sondern auch ein Appell an den Rapper selbst drinsteckt.

Auf jeden Fall. Es geht auch um meinen Stress. Wie anstrengend und stressig die Hektik ist. Kapitalismus, Einsamkeit, Druck auf das Indiviuum. Ganz oft geht es auch um Schuld. Das kommt bei allen Liedern immer wieder vor, Schuld, Schuld, Schuld. Diese neoliberale Lüge: Wir haben alle unser Schicksal komplett in der Hand, man muss nur hart an sich arbeiten – das ist ja völliger Unsinn. Diesen Druck spüre ich auch und darunter leider ich auch. Es geht also nicht um: Ihr seid alle faul und ich bin cool. Sondern so: Hey, kommt doch einfach mal mit, ich hab hier schon was und ich möchte euch davon erzählen, wie ich es geschafft habe, aus diesem Rückwärtsgang rauszukommen. Ich treffe so oft Leute, die depressiv sind, weil so viel Scheiße auf der Welt passiert, und die so verzweifelt sind, dass sie aber auch nix machen. Man kann ja auch verzweifeln, wenn man sich anguckt, was alles krasses abgeht, Terrorismus, Sexismus, diese ganze Scheiße, und dann kommt noch so ein Polizeistaatsgesetz, §113 Verschärfung, für Rempeln von Polizisten drei Monate Knast…

…und rempeln ist natürlich auch Auslegungssache.

Ja, genau, wenn man ein bisschen Erfahrung mit der Polizei hat, und auf Demos war, dann weiß man: Wenn die dich kaputtmachen wollen, können die das machen, denn deren Aussage gilt letztlich immer. Das ist alles mega nicht geil.