Homezone #2: Mista Meta zeigt sein Charlottenburg

Homezone ist ein Text-Interview-Format unseres Autors Alexander Barbian. Er trifft und begleitet aufstrebende wie etablierte Künstler aus den Gefilden des deutschen Sprechgesangs durch deren Kieze, in deren Lieblingskneipen und zu deren Stammspäties  … Diesmal ist er mit Mista Meta unterwegs.

Berlin-Charlottenburg ist verwirrend: Etepetete und Ghetto prallen an kaum einem Ort der Hauptstadt so fundamental aufeinander wie hier. Einerseits repräsentiert der schicke Bezirk westlich der Innenstadt den eher gesetzten Lebensstil der gutbürgerlichen Mittelschicht, nicht nur räumlich weit entfernt von Clubkultur und besetzten Häusern. Hier scheint man das Chaos noch fest im Griff und den VW Passat noch sicher vor der Mietwohnung im Kaufmannshaus geparkt zu haben. Auf der anderen Seite beheimatet Charlottenburg unter seinen heruntergekommenen Brücken, inmitten seiner zahlreichen Grünflächen und auf seinen etlichen U-Bahn-Gleisen eine Fülle an abgefuckten Obdachlosen und Hero-Junkies, mehrere stattliche Ensembles aktiver Writer und einen Haufen klassisch-proletarische Eckkneipen. Charlottenburg ist mancherorts sehr dörflich, aber gleichzeitig ein nicht weg zu denkender Bestandteil der In-City Berlin.

Kein Rapper passt besser zu diesem kontrastreichen Kiez, als Mista Meta. Ist er bis heute in der Rapszene ein noch ziemlich unbeschriebenes Blatt und bis jetzt ein klassischer Insider-Tip, hat er Jahre seines Lebens zwischen Bismarckstraße und Lietzensee sein Unwesen getrieben und sich in vielerlei Hinsicht einen Namen auf der Straße gemacht. Mista Meta vereint Untergrund und Business, Graffiti und legere Styles, Player-Image und Schurkerei, ist ein viel beschäftigter Mann, der immer mit einem Ohr am Handy hängt und, wie er es uns in seinem zuletzt ausgekoppelten Track mitteilt schlichtweg „keine Zeit für den Knast“ hat. Nachdem Meta vor knapp einem Jahr mit der „Unternehmerflow EP“ erstmals von sich reden machte, steht jetzt mit der „Money Calls EP“ das zweite Projekt vor seinem Release.

Ich habe mich mit dem Businessman aus der Weststadt getroffen um mal ein bisschen nach zu haken, was uns dabei erwarten wird … Die Wahl der Kulisse für das Interview fiel selbsterklärend auf Metas Hood rund um den S-Bahnhof Charlottenburg, wo es unter anderem eine Menge Pieces seiner Crew CHB zu bestaunen gibt. Meta hat seinen „Partner in Crime“ dabei, einen sympathischen Dude, der sich Big Sex nennt und den Westberliner Untergrund im Laufe des letzten Jahrzehntes in vielerlei Hinsicht bereichert zu haben scheint. Gemeinsam werden wir einen entspannten Spaziergang durch das nördliche Ende des Bezirkes unternehmen.

Wir treffen uns heute am S-Bahnhof Charlottenburg. Warum gerade hier? Charlottenburg ist ja schließlich nicht unbedingt als Hip-Hop-Bezirk bekannt …

Charlottenburg ist der Kiez, in dem ich groß geworden bin und in den ich auch immer wieder zurückkommen werde, ganz egal was passiert. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens hier verbracht, deshalb war diese Hood auch das Bühnenbild für die meisten meiner Schandtaten (lacht). Hier habe ich den Großteil meiner Brüder kennengelernt und hier hat meine Crew CHB zueinander gefunden. Eine von mehreren Bedeutung des Namens ist ja, wie man sich denken kann auch ‚CHarlottenBurg‘. Klar gibt es Bezirke, die meinetwegen mehr Hip-Hop sind, aber trotzdem gibt es hier ein paar gute MCs, die man noch nicht auf dem Schirm hat, ganz davon abgesehen, dass ich den Kiez ja ab jetzt represente (lacht).

Du hast gerade die CHB-Crew angesprochen: Ich kenne natürlich einige eurer Grafittis aus dem Stadtbild. Außerdem tauchen die drei Buchstaben in vielen deiner Videos auf. Seid ihr eine Sprüher-Crew im klassischen Sinne?

Nein, CHB ist auf jeden Fall mehr als eine Grafitti-Crew. Das beweist alleine der Umstand, dass wir immer noch alles zusammen machen, obwohl es hinsichtlich der Sprüherei in den letzten Jahren viel ruhiger geworden ist. Wir sind eine sehr vielseitige Gang, eine Familie, auch jenseits vom Bomben. Wir sind alle kreative Alpha-Männchen, ansonsten lässt sich unsere Bande in keine Schublade stecken. Ich war beispielsweise immer eher Hustler, Breakdancer und Rapper und wenn überhaupt eher Bomber als Sprüher und eher Vandale als Künstler (lacht). Trotzdem bin ich seit vielen Jahren festes Crew-Member von CHB

… Und gehst in deinen Texten und Videos ja auch sehr offen mit der Zugehörigkeit zur Gang hausieren. Ich finde das durchaus authentisch, aber habe mich schon öfter gefragt, ob das aus strafrechtlicher Perspektive nicht ein bisschen gewagt ist …

Die Polizei war eh schon bei mir und weiß, wer ich bin. Entlastend kommt hinzu, dass ich ja eh aus dem aktiven Sprüher-Business raus bin und nichts daran ändern kann, wenn ich mal auf einem gemullerten Train gegrüßt werde oder dergleichen (lacht). Nein, Spaß beiseite: CHB ist ein fester Teil meines Lebens und nur weil es eine Soko gibt, die spitz auf die Sprüher-Szene ist, werde ich dieses Element nicht aus meinen Texten streichen. Außerdem müssen die rekonstruieren, was ich angeblich gemacht haben soll. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich allgemein eher der No-Risk-No-Fun-Typ bin.

Wir laufen an etwa einem Dutzend alter CHB-Bombings vorbei und Big Sex erzählt, dass diese teilweise über zehn Jahre alt sind …

Deine zweite EP „Money Calls“ ist im Kasten und wird in wenigen Tagen veröffentlicht. Aus den beiden bisherigen Auskopplungen „Playa“ und „Keine Zeit“ lässt sich schließen, dass sie soundtechnisch in einem starken Kontrast zur ersten EP „Unternehmerflow“ steht. Werden die anderen Tracks auf dem Tape diesen Eindruck bestätigen?

Definitiv, der Kontrast ist schon sehr krass! Der einzige Track auf „Unternehmerflow“, der den neuen Sachen stilistisch ähnelt, ist „Mein Trainer“. In den Texten geht‘s diesmal tatsächlich mehr um diesen ganzen Player-Shit (lacht). Und der Sound ist eher Memphis, ein bisschen trappy, meistens slow, an vielen Stellen gepitcht und von der Stimmung her ziemlich dunkel. Viele meiner Leute meinten, dass sich „Money Calls“ passagenweise anhört wie eine Motorsäge, die man bremst. Diesen Vergleich fand ich ziemlich treffend (lacht).

Ist es nicht zu gewagt, nach nur einer EP einen derart intensiven Stilbruch hinzulegen?

Mit dieser Einschätzung bist du nicht der Erste, aber was soll ich sagen? Ich mache einfach immer das, was ich gerade am meisten fühle. Ich treffe da in meinen Augen auch keine endgültigen Entscheidungen oder habe Angst vor einem Image-Verlust oder so: Der Oldschool-Sound von der ersten EP wird auf jeden Fall an anderer Stelle wieder kommen. Und wenn ich es schaffe, verschiedene Stile zu bedienen und nicht auf einer Schiene hängen zu bleiben, die mit der Zeit langweilig wird, ist das doch eher positiv als verwerflich.

Was sind die inhaltlichen Schwerpunkte auf „Money Calls“?

Das mag billig klingen und ist für meine Mucke auch nicht allgemein gültig, aber die Themen auf „Money Calls“ beziehen sich tatsächlich nur auf das, womit ich mich die meiste Zeit in meinem Leben beschäftige: Drogen, Frauen, Party und Lifestyle. Es gibt zum Beispiel einen Track, der „Immer klingelt mein Handy“ heißt und das beschreibt einfach nur ein wichtiges Detail über meinen Alltag. Insgesamt stehen in meiner Auffassung von Hip-Hop Vibe, Flow und Selbstverherrlichung im Vordergrund, alles andere, auch die Deepness der Inhalte, stehen hinten an. Komplexe Themengebiete lassen sich sowieso sehr schwer in drei Minuten Gerumpel verpacken … Wer tiefgründige Inhalte will, soll ein Buch lesen.

Wir stehen an einer Ampel. Obwohl sie noch auf rot geschaltet ist, ist weit und breit kein Auto zu sehen. Als ich andeute, direkt rüber zu gehen, mahnt Meta mich zum Abwarten, weil auf der anderen Straßenseite ein Kind steht. Meta betont, dass er nur auf seiner Musik schlechter Einfluss sein will. Wir müssen lachen …