Rap und Wissenschaft #2: Verbal Duelling

Rap und die gesamte HipHop-Kultur sind in den letzten Jahren zu einem beliebten Forschungsgegenstand geworden. Immer mehr Alumnis und Profs wagen sich an das breite Angebot des Sprechgesangs in allen möglichen Sprachen für alle möglichen Untersuchungen heran. Eine Entwicklung, der wir mit unserem Format Rap und Wissenschaft Rechnung tragen. Dabei handelt es sich nicht um eine ausführliche Analyse, da dies den Rahmen sprengen würde, vielmehr soll es als Anregung dienen. Die zweite Ausgabe führt uns zurück zum Ursprung des Rap.

Ein wichtiger Begriff, der in vielen HipHop-Studies auftaucht, ist das Signifying. Dies ist der Ursprung vom verbal duelling und erinnert stark an das Konzept Battle. Unter anderem daraus hat sich tatsächlich auch Battle-Rap entwickelt: aus der oralen Kultur des verbal duelling, in dem Kontrahenten mündlich metaphorisch Geschichten in Reimen erzählten, und dies nutzten, um Andeutungen zu machen, zu sticheln, zu lügen und um Themen herumzureden. Aus diesen Spektakeln entwickelten sich dann spezifischere Praktiken, wie der toast, das sind rhythmisch-musikalisch vorgetragene Geschichten über verbale Auseinandersetzungen, die dozens, ritualisierte verbale Wettkämpfe, sowie das rappin’ und shuckin’, verbale Selbstdarstellungs- und Selbstbehauptungstechniken. Im Laufe der Zeit der afroamerikanischen Geschichte entwickelten sich entsprechende rhetorische Techniken, die unter jenem Begriff des Signifyings zusammengefasst werden.

Lustig ist, wie uns ein Prof. Dr. Michael Rappe in seinem Werk „Under Construction. Kontextbezogene Analyse afroamerikanischer Popmusik“ (in dem er u.a. Missy ElliotsWork it“ auf den Tod analysiert) offenbart, dass dies alles auf einem Mythos aus Nigeria basiert: Der trickserische Affengott Esu-Elegbara, seines Zeichens Mittler zwischen Mensch und Gott. Aus diesem wurde dann der Signifying Monkey, der durch List und Tücke, meisterhaften Verdrehungen von Wort und Sinn, doppeldeutigen Sprechens, gezielten Beleidigungen und infame Lügen stets als Sieger aus verbalen Duellen hervorging. Der Namensgeber für die Figur des Signifying Monkeys war der toastThe Signifying Monkey And The Lion“ – googelt mal danach, lohnt sich.

Bekanntlich entwickelte sich HipHop und Rap Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre in der South Bronx in New York. Anfangs nur als Animateure für die Crowd gedacht begannen sogenannte MCs damit, die DJs mit Parolen zu begleiten. Die Jungs dort machten dann aber Gebrauch von den rhetorischen Techniken des besagten Affen, und tadaaa – die Rap-Battles sind entstanden (was jetzt nicht heißen soll, dass alle Battle-MCs Affen wären).

Die Untersuchung:

Disstracks sind unter Rappern bis heute üblich. Heute läuft das halt nicht mehr so oft face-to-face, 8 Mile-like ab. Eines der berühmtesten Diss-Rap-Battles war das zwischen Eko Fresh und Kool Savas im Jahre 2005. „Die Abrechnung“ vs. „Das Urteil“. Exemplarisch wollen wir die rhetorischen Strategien des Signifyings auf diese beiden Songs anwenden.

Fangen wir an mit dem markin’, was schlicht und einfach das Parodieren bedeutet. Wie sagte Savas so schön zu Beginn seines Urteils?

Der sto-to-to-ternde Junge, der Schuhverkäufer aus Gleezy

Das indirekte und metaphorische Sprechen wird selbst signifyin’ genannt (nicht verwirren lassen: das Signifying mit -g ist der Oberbegriff bzw. dieses ganze Ding an sich, signifyin‘ mit dem sexy Apostroph ist das eine spezifische rhetorische Mittel). Nochmals ein Beispiel aus Kool Savas’ Antwort-Diss:

„S“ ist, wie die Sonne für dich, komm näher und du verbrennst dich“

Der sogenannte double talk bezeichnet – wer hätte es gedacht – das doppeldeutige Sprechen.

Machst auf ein mal auf Mann und hast plötzlich mehr Beef als Maredo„,

heißt einerseits, dass sobald Eko mal eigene Entscheidungen trifft er sofort ganz viel Stress und Streit mit anderen Rappern hat, andererseits ist, wie wir ja alle wissen, „Beef“ das englische Wort für Fleisch; Maredo ist eine Steakhauskette, die ohnehin sehr viel „Beef“ im Angebot haben dürfte.

Weitschweifende Erklärungen werden runnin’ it down genannt. So erzählt Savas erst einmal:

Du hast es geschafft!/ Eko, die Leute reden wieder von dir […]
Ich geh‘ back zu dem Anfang und sag’s dir noch einmal/ Erinner‘ dich Ekrem, du lud’st mich ein zu ’ner Jam […]“.

Prahlen ist natürlich ganz groß beim battlen, man will ja schließlich zeigen, dass man der Beste ist. Fachwort wäre boastin’ oder braggin’. So prahlt Kool Savas:

EK, ich muss nich‘ biten wie du, weil bei mir alles flowt […] Des is‘ der King gegen ein Kind […] Meinen Flow übertriffst du nich‘! […] Ihr hört den Besten, den King rappenden Tony Hawk“

Das Gegenteil wäre das dissin’, also das Schmähen. Man will ja auch zeigen, dass der andere der größte Spast ist. Eko sagte einst ganz keck zu Savas:

Savas du bist schon Anfang 30

Daraufhin Savas:

Und du hast recht, ich bin fast 30 Jahr’/ Aber wo ist jetzt der Diss, ich peils nich‘ mal“.

Und weiter:

Eko nimmt Texte von Killa Cam, übersetzt sie ins Deutsche […] Alles, was du schreibst, ist für mich nich‘ mehr als Kindergekritzel […] weil du scheiße bist“.

Verbreitet Eko da etwa Lügen bzw. betreibt er das shuckin’ & jivin’, wenn er da sagt:

doch du warst neidisch auf meinen Hype […] Hat einer mehr Erfolg, fühlst du dich in die Enge getrieben“.

Jedenfalls betreibt er das loud talkin’, also das Provozieren, wenn er Dinge raushaut wie:

Komm doch zu mir oder bist du etwa hohl im Gehirn? […] Willst du mich verarschen, ich meine willst du mich savaschen?

Entschuldigungs- und Unterwerfungsgesten (genannt coppin’ a plea) waren in diesen beiden Tracks nicht zu finden (aber in der Affen-Story). Auch das Verwenden von Sprichwörtern (use of proverbs) fällt nicht auf. Weitere rhetorische Techniken wären das Darstellen von Sachverhalten mittels Wortspielen, dem prunnin’, und der Wechsel von Sprachebenen, dem code switchin’. Dies macht der Eko Freezy, indem er beweist: er kann auch englisch:

Caput, remember when I used to let you sleep on my couch?

Eine Zeile, die übrigens 2Pac mal an Biggie Smalls richtete. Caput, damaliger Optic Records-Member, hat 2Pacs Namen einfach umgedreht.

 

 
Wie wir gesehen haben, hat Rap hat eine lang zurück reichende Tradition; schon immer ging es um den „Ich bin geil, ihr seid alle Pisser“ -Gedanken. Wie in jeder Auseinandersetzung sind um dies zu beweisen stets schlagfertige und überzeugende Argumente nötig, die auf Strategien und Techniken beruhen. Wer aus dem verbalen Duell Eko vs. Savas als Sieger hervorging – liegt im Ohr des Betrachters.