Was ich will: Mehr Frauen im Deutschrap [Kolumne]

Wunschlos glücklich zu sein ist ein Zustand, der den wenigsten von uns gegeben ist. Wäre ja auch langweilig, so ganz ohne Träume und Wünsche. In unserer Kolumne “Was ich will” führen wir aus, was Deutschrap gut tun würde. Ganz subjektiv, nach Meinung des jeweiligen Autors, wie für eine Kolumne üblich: Anna Schulze wünscht sich, dass endlich mehr Frauen ins Deutschrap-Game einsteigen.

Missy Elliott, Lil‘ Kim, Queen Latifah, oder auch neuerdings Angle Haze, Iggy Azalea und co. – blickt man ins internationale Rap-Geschehen, so findet man rasch jede Menge namhafte Rapperinnen. Gut, über deren Skills, Realness und Qualität lässt sich streiten, aber das gilt für ihre männlichen Kollegen ja auch. Schaut man aber auf Deutschrap, so wird es schon schwieriger, auch nur einigermaßen etablierte Künstlerinnen auszumachen. Es hat den Anschein, als könne man für jedes grobe Genre innerhalb des Deutschraps nur eine handvoll Vertreterinnen aufzählen. Sokee für die politischen Themen, Naya Isso und Antifuchs für den Hipster-Rap, Cora E und Sabrina Setlur als Vertreterinnen der Oldschool-Riege und im Straßen/-Gangsterrap tummeln sich Schwesta Ewa, Kitty Kat und Lady Bitch Ray an der Bekanntheitsspitze. Selbst wenn ich hier nur ein paar der bekanntesten Rapperinnen aufzählen und im Untergrund noch eine weitere Handvoll aktiv ist, frage ich mich, wieso Deutschrap nicht noch mehr Rapperinnen eine Plattform bieten kann.

Genug Anwärterinnen gibt es sicherlich, doch irgendwie gestaltet es sich ziemlich schwierig als Künstlerin in diesem Genre Fuß zufassen. Deutschrap ist von Männern dominiert – soviel ist klar. Sowohl Artists als auch Fans sind weit über dem Durchschnitt männlich. Die Anzahl an weiblichen Fans ist in den letzten Jahren gestiegen und wird auch weiter ansteigen. Auf Konzerten oder Festivals sieht man immer mehr Besucherinnen. Wieso sind Frauen dann trotzdem lieber vor als auf der Bühne? Ich glaube das Problem liegt daran, dass die Deutschrap-Szene immer noch zu verschlossen ist. Möglicherweise ist es das klassische Gender-Ding: Rap ist tough, Rap ist maskulin, darum wird er ganz klar von Männern gemacht. Eigentlich will ich mich nicht auf diese Banalität beschränken, doch vermutlich steckt wirklich nicht viel mehr dahinter.

Wer sagt denn, dass Rapperinnen nur Themen anschneiden können, die lediglich Frauen interessieren? Das Argument zählt nicht: Weibliche Fans können sich ja scheinbar auch mit den Texten von Männern identifizieren.

Eine Schwesta Ewa beispielsweise strahlt so viel mehr Realness aus als manch männlicher Kollege. Tough ist der Umgang mit ihrer Vergangenheit in ihren Tracks. Maskulin? Nun ja, sie beweist auf jeden Fall, dass sie Eier hat. Image und Rapskills passen bei Ewa einfach zusammen. Sie ist eine der wenigen Rapperinnen, die im Deutschrap durchgehend akzeptiert wird. Vermutlich spielt ihr aber auch der Deal mit Alles oder Nix Records ein paar Bälle zu. Nichtsdestotrotz lässt sich festhalten: Mit Ewa haben wir ein gutes Beispiel dafür, dass Frauen am Mic funktionieren können.

Doch irgendwie ist es schade, dass Frauen sich stets profilieren müssen, um überhaupt wahr genommen zu werden. Alle Rapperinnen durchlaufen eine Stereotypisierung. Die eingangs erwähnten Künstlerinnen lassen sich allesamt in eine Schublade stecken. Warum? Es gibt schließlich auch genug Rapper, die sich diesem ganzen auferlegten Image entziehen und trotzdem erfolgreich Musik machen. Von allzu vielen Rapperinnen scheint dieser Weg noch nicht gewählt zu  werden. Sicherlich gehört viel Mut dazu, seine eigene Musik zu veröffentlichen und sich Meinungen von außerhalb zu stellen. Insbesondere wenn man als Frau schon auf sexistische Kommentare gefasst sein muss. Ganz egal, wie die Musik tatsächlich ist, es wird auf jeden Fall ordentlich Hate bezüglich Aussehen, Outfitt, Figur etc. geben. Irgendwas lässt sich schon finden, an dem sich die intolerante Community hochziehen kann. Da wird sich dann halt lieber hinter einer Fuchsmaske versteckt oder hinter einem harten Image.

Das wohl beste Beispiel für Image-Rap ist Lady Bitch Ray. Sie provoziert durch pornografische Texte, was im Deutschrap nur eine Seltenheit ist, da diese von einer Frau stammen. Strebt aber zeitgleich eine akademische Karriere an und  promovierte über „Die Bedeutung des muslimischen Kopftuchs in Deutschland„. Das nenne ich mal Emanzipation! Lady Bitch Ray hat sich dafür entschieden, thematisch auf Augenhöhe mit ihren männlichen Kollegen zu bleiben. Das mag in dem Fall recht amüsant sein, ist auf der anderen Seite aber das beste Exemplar für Aufmerksamkeit durch Provokation und Klischee – voilà Schublade.

Mehr Rapperinnen würden Deutschrap gut tun.  Künstlerinnen, die einfach Musik machen, ohne sich erst ein krasses Image zulegen zu müssen. Ich will keinen Moralapostel spielen und auch nicht die „Gender-Keule“ schwingen, aber so langsam ödet mich diese Intoleranz einfach nur an. Musik wandelt sich durch die unterschiedlichsten Einflüsse, wieso also nicht mal mehr Künstlerinnen die Chance geben das Game auf ein neues Level zu bringen?