Skinnys Abrechnung #14: „Erwachsene“ Rapper

Und fickt eure erwachsenen Alben / Als würdet ihr nicht „angepasst“, wenn ihr „erwachsen“ sagt meinen // Distanziert euch, entwickelt euch weiter / Ihr hattet scheinbar keinen Plan mit Anfang 20 und habt nach wie vor keinen// Was, weise geworden? Ihr seid bloß müde wie’s scheint / Als hätte man mit 30 keinen Grund mehr wütend zu sein“ Mit diesen Zeilen auf „Chancenverwertung“ nimmt Prezident mir die Worte aus dem Mund. Was soll diese Phrase „erwachsen geworden“ überhaupt darstellen? Jeder weiß was damit gemeint ist, obwohl sie doch gar nicht zutrifft. Aber warum werden Rapper „erwachsen“? Und warum nennt man das so? Wenn Bass Sultan Hengzt „Endlich erwachsen“ wird und das gleichnamige Album eigentlich nur vom Feiern und Weibern handelt, dann ist daran nichts erwachsen. Klar, daran ein Album auf diesen Themen aufzubauen, ist auch nichts verwerflich – aber was ist daran erwachsen? Die große Neuerung ist eigentlich – die Beats sind musikalischer. Echte Instrumente, vielleicht sogar eine Live-Band. Dann wird gelegentlich noch nostalgisch in der Teenager-Zeit geschwelgt, Kraftausdrücke werden weniger inflationär benutzt und voila: Ein erwachsenes Album ist geboren.

Diese Bezeichnung ist ohne Frage sehr negativ konnotiert – mit Grund. Wenn ein Künster ankündigt, sein nächstes Album sei erwachsener oder er wolle fortan erwachsene Musik machen, dann sehe ich das als eine Drohung. Wer will sowas denn hören? Klar, da spielt auch viel Subjektivität und eigener Geschmack rein, aber generell ist „erwachsene Musik“ doch irgendwie immer schrecklich belanglos. Prinz Pi war also mit 16 verliebt – schön und gut – aber ist das Stoff für einen Song? Oder mehrere? Ich war früher ein riesiger Prinz Pi / Porno Fan. Dann wurde er erwachsen. Ich weiß nicht, ob er selbst das jemals so gesagt hat, aber der Bruch, der mit „Rebell ohne Grund“ kam, ist doch mehr als deutlich. Bei „Kompass ohne Norden“ war dann eine Art Point of no Return erreicht. Auch wenn es für das, was es ist, gut ist. Sehr gut sogar. Aber das was es eben ist, stößt mir sauer auf. Das ist kalkulierte, zielgruppenorientierte Musik für einen großen Markt. Welche Käuferschaft angesprochen wird ist klar. Junge Menschen. 12 – 16 Jährige, insbesondere Mädchen, unterstelle ich jetzt einfach mal. Und das von der einstigen Untergrundlegende, Prinz Pornobi wan Kenobi, der mittlerweile all das verkörpert, was er früher verteufelte. „Wer will Liebeslieder und wer will tighte Raps?“ sagte er in seinem Klassiker „Keine Liebe“. Eine Frage, die im heutigen Kontext allzu ironisch anmutet.

Das ist also „erwachsene“ Musik. Musik für junge Teenager. Wobei auch das Stichwort „Musik“ ein gutes ist – HipHop den Rücken kehren und jetzt „richtige Musik“ machen geht nämlich oft mit dem Erwachsen-Sein einher. Bei Prinz Pi, der bereits auf „Beweis dagegen“ verkündete
Ich knall‘ die Tür zu, „Tschüss, deutscher Rap. Hallo Musik, ich bin da, vielen Dank für die Einladung / Anscheinend gibt es heute Sekt. Entschuldigung, junge Frau, ich würd‘ lieber Wein haben
Oh. Rap ist also keine Musik. Rap ist verdammter Sekt, aber der Prinz ist nun erwachsen, ein Genießer, ein Kenner. Er verköstigt Wein – richtige Musik. Komm schon alter, so einfach? Ja, die Ankündigung von „Hallo Musik“ zwischen den Zeilen war ganz nice – auch wenn ich getrost auf dieses Werk „richtiger Musik“ hätte verzichten können – aber einfach so: „Ciao, bin erwachsen, mache jetzt richtige Musik„. Nach 15 Jahren Rap? Was hat ihn denn so erwachsen gemacht? Nach allem, wofür er früher einstand? „Als würdet ihr nicht „angepasst“, wenn ihr „erwachsen“ sagt meinen„. Mehr als angepasst ist das nicht. Den Verkäufen tut’s bestimmt gut – der Musik aber nicht.

Ebenso Sido, der vom maskentragenden Radaubruder plötzlich “ Einer dieser Steine“ wurde.  Oder ein „Astronaut„. Ich kann von niemandem Verlangen, sich den Hunger zu rappen über eine derart lange Karriere zu erhalten. Überhaupt kann ich gar nichts verlangen. Aber ich kann berechtigte Zweifel äußern, dass diese stilistische Wendung nicht auf einem plötzlichen erwachsen-werden basiert und rein zufällig auch noch mit der zunehmenden Industrialisierung und Mainstreamisierung deutschen Raps einher geht. Plötzlich ist da für mehr als nur eine Hand voll Leute richtig Kohle zu machen – ran an den Speck. Sogar Bushido hatte ja seine „erwachsene“ Zeit. Lief aber irgendwie nicht so mit „Jenseits von gut und böse“ und „AMYF„. Neben seinem Debüt „Vom Bordstein bis zur Skyline“ und dem Neuling „CCN3“ sind das seine einzigen von elf Alben, die nicht mindestens Gold einspielten. Weder in Deutschland, noch der Schweiz oder Österreich. Also wird die Cordon Sport wieder aus dem Schrank geholt und gepöbelt. Dieser Rüpelrapper. Und das ist der Witz: Diese „erwachsenen Alben“ entstehen nicht aus plötzlich gewonnener Weisheit oder einer rapiden Alterung innerhalb weniger Monate. Sie verkaufen sich einfach.

Irgendwie wird man natürlich älter und reifer – aber nicht so. Ich kann niemandem vorschreiben wie er seine Musik zu machen hat, auch bin ich nicht in der Position, zu verurteilen wenn jemand Geld verdienen möchte. Wenn mir jetzt die Vice mit einem dicken Bündel Geldscheine unter der Nase herumwedeln würde, müsste ich aber auch überlegen was ich jetzt mache. Trotzdem ist das verdammt schade, weil man so viele gute Künstler ans „erwachsen sein“ verliert. Ach, man kann diesen Begriff echt über den Haufen schmeißen. Zu erzählen wie man damals seinen ersten Joint im Park geraucht und sich damals verliebt hat ist nicht erwachsen. Das ist Kinderkacke. Kommerzielle Kinderkacke. Kommerzielle Kinderkacke mit schöner Musik im Hintergrund zwar, aber ich will das nicht hören. Ich bin es leid, immer wieder erzählen zu müssen, dass X früher mal ein total doper Rapper bevor er angefangen hat sowas zu machen.