Ahzumjot – Monty

Es ist schon eine Hundeleben, sagt man gerne mal achtlos dahin und meint damit, wie beschwerlich und mühsam alles doch sein kann. Aber stimmt das Bild überhaupt? Hat ein Hund, dieser von Flöhen bewohnte Organismus (Zitat Schopenhauer), welcher bellt (Hinzufügung Tucholsky), es in Wahrheit nicht viel besser als wir alle, die wir zur Schule/Uni/Arbeit gehen und, noch schlimmer, ständig über uns selbst, über unsere Ziele und Wünsche, unsere zahlreichen Möglichkeiten und Chancen nachdenken müssen? Ahzumjot jedenfalls, seines Zeichens hoffnungsvoller Newcomer aus Hamburg und wahrscheinlich der aktuelle Lieblingsrapper deines Lieblingsrapjournalisten, würde liebend gerne mit seinem Hund Monty tauschen, wie er auf seinem nach ebenjenem Wauwau benannten Album immer wieder betont.

Im Gegensatz zu Monty nämlich, der ohne schlechtes Gewissen den ganzen Tag schlafen kann, wenn ihm danach ist, sieht Ahzumjot sich den Widersprüchen ausgesetzt, die eine Jugend, der eigentlich sämtliche Türen offen stehen, die aber lieber Xbox-zockend auf der Couch hängt, zu erdulden hat. Alles ist möglich, also macht man gar nix. Was aber auch wieder nicht so recht zufrieden macht. Ein Dilemma, dem sich Ahzumjot auf „Monty“ ausgiebig widmet. Und stellt: Lösungen hat auch er keine anzubieten, aber, und das ist viel wichtiger, er stellt die richtigen Fragen. Und er lässt sich nicht von vermeintlich besseren oder sichereren Alternativen zum juvenilen Streben nach dem Motto „Alles oder nichts“ einlullen: „Haus Frau Kind“ sind nicht das Allheilmittel, das alle Zweifel vertreibt, einfach in Langeweile erstarren a.k.a. Erwachsen werden ist keine Option: „Dein Job ist/ scheiße/ dein Leben wird/ scheiße/ und eh du dich versiehst willst du eh alles zurück„.

Dann doch lieber mit einem ironischen Augenzwinkern vom ganz großen Erfolg träumen wie bei „Sepia zu Gold„: „Keine Sorge, Mama, ich mache was sicheres/ werde Rapper/ und wenig später Milliardär„. Dass mit dem scheinbar grenzenlos naiven Optimismus eigentlich nur die eigenen Zukunftsängste überspielt werden – sonnenklar. Aber scheiß drauf. Nicht immer so viel nachdenken, lieber alles „Einmal gegen die Wand“ fahren, „Es gibt klügere Dinge, die ich mit meinem Leben gemacht hab’/doch ich nehme einmal Anlauf und fahre es gegen die Wand„, und sich hernach an den „Explosionsgeräuschen“ erfreuen. „Alles explodiert/ und ich tanze weiter/ alles explodiert/ ich tanz‘ bis alles untergeht„. Aber auch dieser schöne Augenblick ist eben nur ein Augenblick, der irgendwann vorbei geht. Und dann heißt es wieder mal „Und jetzt sitz‘ ich hier/ es könnte schöner sein/ weniger beschissen, weniger allein„.

Ahzumjot weiß auf der anderen Seite aber auch ganz genau, dass dies alles  nur die letztlich banalen Befindlichkeiten einer ihres Zuviels an Möglichkeiten überdrüssigen Jugend sind, einer nivellierten Mittelschichtsjugend, die keine existenziellen Nöte wie Hunger, Armut oder Krieg kennt und daher umso mehr Zeit hat, an sich zu (ver)zweifeln, sich selbst zu bemitleiden: „Und wenn uns doch am Ende gar nichts bleibt/ flüstern wir leise: Wir können verdammt gut dramatisch sein„(„Nicht viel„). Außerdem suhlt sich Ahzumjot nie in seinen Ängsten und Zweifeln, obwohl oder gerade weil er so offen mit ihnen umgeht, wie etwa bei „Du wolltest Bonny und Clyde„, ein Song, der vordergründig davon handelt, dass ein Mann sich als nicht gut genug für seine Partnerin empfindet (in knappen Zeilen wie „Du brauchst Matrix/ Ich bin Reloaded“ perfekt auf den Punkt gebracht), der im Grunde aber ein gerade durch sein dezentes Understatement eine wunderschönes Liebeslied ist: „Lass uns eine Bank ausrauben und das Geld verbrennen/ keine Gedanken machen, weil wir den Wert nicht kennen (…) Doch am Ende ist es richtig so/ Alles okay, alles halb so wild„.

Die richtige Einstellung macht halt den Unterschied. Der Svvag, die unbeirrbare Unbeugsamkeit, die besagt, egal, wie scheiße es läuft, wir sind „Trotzdem Gewinner„. Dazu muss allerdings erst einmal der eigene Perfektionismus ein wenig heruntergeschraubt werden. „Alles läuft gerade so, doch irgendwo auch schief/ nichts wie es muss, doch irgendwie kommen wir an„. Und dazu braucht es ganz sicher „Keine Zeitmaschine„. „Das Konto ist genauso leer wie vorher/ doch wir haben keine Angst mehr vor all dem Mist/ gehen einfach weiter und nehmen gekonnt jedes Schlagloch mit„. Vielleicht ist das ja doch am Ende die Lösung: Einfache, tausendmal gehörte Binsenweisheiten wie „Gibt nicht auf, glaub an dich, dann erreichst du irgendwann dein Ziel, auch wenn du vielleicht gar keins hast“. Aber vielleicht ist das ja auch nur alles wieder Quatsch. Wie gesagt, Ahzumjot erspart dem Hörer Patentrezepte und einfache Antworten auf komplexe Fragen und geht mit seinen inneren Konflikten lieber offen um, dazu unaufgeregt und lakonisch, stets mit einem melancholischen Lächeln auf den Lippen.

Das alles passiert auf komplett von ihm selbst produzierten, melodiös-verspielten Beats, die in ihrer Verspieltheit und Freude am Sound-Detail die warme, sanfte Melancholie eines sonnigen Nachmittags im goldenen Oktober verbreiten. Manchmal erhaben sphärisch, oft frech elektronisch, gelegentlich auch schweinerockig oder sich mit Lust am eigenen Untergang in verstörenden Distortiongewittern verlierend. Die pointiert eingesetzten Gastauftritte von Rockstah und Crusoe fügen sich dabei sehr harmonisch in das Gesamtgeschehen ein. Und der DIY-Gedanke endet bei Ahzumjot nicht bei den Beats: In Guerilla-Manier hat er „Monty“ selbst veröffentlicht, ohne Label, ohne Vertrieb – ein weiterer eindeutiger Beleg dafür, dass ihm wirklich in erster Linie um seine Musik geht. Und dass er es verdammt ernst damit meint.