Skinnys Abrechnung #4: Gios Disstrack gegen Liont

Noch hast du Erfolg und verscherbelst deine Platten, doch nicht mehr lange, denn auch Kinder werden mal erwachsen
Gio in seinem JBB-Exclusive

Ich hatte echt gehofft, das Thema Liont und der ganze Rattenschwanz der daran hängt, hätten sich mittlerweile erledigt. Jeder, inklusive mir, hat seinen Senf dazu gegeben und sich einmal ordentlich ausgekotzt – aber ich hatte damit abgeschlossen. Schade, dass ich mich nun in der Pflicht sehe, mich zu Gios Song „Kein Rapper“ zu äußern und das Thema erneut aufzuwärmen. Dabei handelt es sich um einen Disstrack gegen Liont. Gio ist zweimaliger JBB-Zweitplatzierter und veröffentlicht diesen Disstrack, den er als eine Art Herzensangelegenheit darstellt, über den JBBYoutube-Kanal. Grundaussage des Tracks: Du machst das alles nur für Geld und Klicks, du verarschst kleine Kinder, du bist wack, lass Rap in Ruhe! So weit, so gut. Jedem dieser Punkte kann ich absolut beipflichten. Ist zwar alles nichts neues und reicht dementsprechend nicht unbedingt für die großspurig angekündigte Beerdigung – aber ob der Song inhaltlich und Raptechnisch taugt, oder nicht, soll an dieser Stelle keine Rolle spiele. Na gut, kurz: Tut er nicht.

Aber ein schlechter Disstrack eines B-Prominenten Internet-Battlerappers bietet natürlich nicht genug Anlass für eine Abrechnung – außer der gesamte Rahmen ist dermaßen unverschämt heuchlerisch. Nicht nur, dass das Video, dessen Quintessenz sich wohl auf eine Art Appell an die Realness herunterbrechen lässt, auf dem JBB-Kanal erscheint, der eine größere Kinderarmee mit sich bringt als Joseph Kony. Das erste was ein Blick in die Videobeschreibung offenbart ist – ein Link, über den man den Song bei iTunes erwerben kann. Natürlich auch bei Amazon und im Google Playstore – soll ja niemand leer ausgehen. Ganz großes Tennis, Gio. Sechs Minuten lang erzählen, wie böse die Links in Lionts Videobeschreibungen sind und dann die Nummer. Wie war das mit zweierlei Maß?

Aber hey, da kann man doch noch mehr rausholen: Ein anderer Link in der Beschreibung führt einen zu Gios Merchstore. In dem finden sich vier (!!!) verschiedene Artikel, die auf Gios Disstrack verweisen. Ein Hoodie mit dem Aufdruck „Löwenkind Hurensohn“, der Lionts Logo mit den Cartoon-typischen Kreuzaugen, also tot, zeigt. Nur 38,95€, schlagt zu Freunde! Wem das nicht gefällt, der kann sich auch ein T-Shirt, das das Logo mit dem Kopf in einer Guillotine liegend zeigt gönnen. Dazu der eigens kreierte, virale Hashtag #RIPLi*nt. 19.95€ – wer kann da nein sagen? Jeder 13 Jährige, der was auf sich hält, sollte sich mit diesem Statussymbol in der Schule sehen lassen.

Wobei 13 für das Juliensblog-Klientel wohl schon hoch gegriffen ist. Aber Julien ist ein sehr cooler Youtuber, bei dem die Line „einer dieser Youtube-Spasten die seit Jahren schon für Bares auf die Jugend kacken“ natürlich überhaupt nicht greift. Ist klar. Bei Facebook jedenfalls postet Gio den Link zu diesen kleidsamen Utensilien versehen mit dem Text „Zeigt welche Leute in der Szene NICHT erwünscht sind.„. Mann, das sorgt für Gemeinschaftsgefühl. Das ist wie diese geheimen Knastgrüße. Läufst du in einem #RipLi*nt-T-Shirt auf der Straße, erkennen dich Gleichgesinnte sofort. Wie eine riesige Familie, eine Bruderschaft, die diesen Hashtag lebt und verbreitet. Selbes Prinzip wie bei den Löwenkindern, aber viel cooler, weißte? Man könnte ja fast vermuten, Gio hätte diesen Track gar nicht aus abgrundtiefem Hass heraus veröffentlicht. Aber daraus kann man dem alten Schlitzohr keinen Strick drehen, der hat vorgesorgt und verkündet selbstbewusst:

„Es geht um Fame hör ich sie sagen, ja okay ist vielleicht wahr, doch jetzt geht Geld mit deinem Namen an einen richtigen Rapper“

Ach so ist das also. Er ist ein richtiger Rapper, deswegen darf er exakt die selben Strategien anwenden. Deswegen darf der selbsternannte Kreuzritter der HipHop-Kultur dieses Übel bekämpfen und Fame und Kohle abgreifen. Wer entscheidet, dass Gio ein richtiger Rapper ist? Mensch, das liegt doch auf der Hand:

Jeder Rapper der die Scheiße lebt der weiß ich sag die Wahrheit, sich mit Mucke hoch zu kämpfen is‘ echt jahrelange Arbeit

Jop, klar Sachen Broder. Da du Liont auf Likes und Abonnenten reduzierst spielen wir das Spiel mal mit. Nach ein bisschen Recherche stieß ich auf ein Tool namens sapplause.com. Mit dem lassen sich die Facebook-Statistiken fremder Seiten zurück verfolgen. Es folgt: Eine kleine Zeitreise, um Gios langjährigen Hustle zu verfolgen. Die Geschichte des Mannes, der sich mit Mucke hoch kämpfte, bis er den Status erreichen konnte, den er heute inne hat. Eine Facebookpage, die an den 55.000 Likes kratzt und einen Youtube-Kanal mit über 100.000 Abonnenten.

Vor Gios erster Teilnahme an einem Internet-Battle-Turnier verzeichnete seine Facebook-Page 1.500 Likes. Er nahm am VBT 2012 teil und hustlete weiter vor sich hin – kurz vor seiner Teilnahme am JBB 2013, das eine deutlich größere Reichweite zu inne hat, stand er dann im April 2013 bei 13.000 Likes. Er verlor im Juli das Finale gegen SpongeBozz, etwa zeitgleich hatte er auch am VBT 2013 teilgenommen. Gios Facebook-Präsenz hatte nun stolze 22.000 Likes vorzuweisen. 2014 fand das JBB erneut statt: Gio verlor wieder im Finale gegen den Schwamm, hatte nach dem Finale das, wohl vor allem durch SpongeBozz‚ 35 Minütige Runde bedingt, gewaltige Wellen schlug, 42.000 Facebook-Likes am Start. Mitterweile sind es wie erwähnt über 54.000 – vor Release des Disstracks waren es unter 48.000.

Das Zahlen-Bombardement tut mir leid, aber: „sich mit Mucke hoch zu kämpfen is‘ echt jahrelange Arbeit„. Drei Jahre und vier Battleturniere, um genau zu sein. Heftig Bruder, du hast dafür geblutet. Egal, er hat’s verdient, weil er ist ja kein Youtuber – oder? Ich muss spitzfindig anmerken, dass das regelmäßig erscheinende Format „Gio, rap ma“ mit den knalligen Thumbnails (das sind diese Anzeigebilder auf Youtube, die bei Liont immer so bunt und lustig sind), dem Intro, den stetigen Hinweisen, dass man „einen Daumen da lassen und abonnieren“ solle – in typischer Youtuber-Manier – mich doch arg an ebendieses ertragreiche Business erinnern. Dass sich auf seinem, mit Werbung geschmückten, Youtube-Partner-Kanal auch FAQs, „Gio kommentiert Kommentare„-Videos, das Format „Frag den Rapper“ (ebenfalls mit knalligen Thumbnails) und weitere Herrlichkeiten aus der Welt der Youtuber finden – lässt der gute Gio lieber unerwähnt.

Alter! Gio! Du bist kein rappender Youtuber, du bist ein youtubender Rapper! Du fährst genau den selben Film, über den du dich auslässt. Eins zu eins – gerade dein Disstrack folgt genau diesen Mustern! Und der entstand nur, weil klar war, dass es Zuspruch gibt und Liont vogelfrei ist. Ich sollte nicht beleidigend werden, aber in diesem Falle ist es ein fast schon wissenschaftliches, unumgängliches Fazit, das diese Analyse von Fakten zu Tage bringt: Gio mag zwar in jedem seiner Punkte recht haben, aber er ist gerade deshalb ein verdammter Heuchler, der mit zweierlei Maß misst.