Interview mit Prinz Pi

Er macht das schon eine ganze Weile. Prinz Pi, früher noch Prinz Porno und treibende Kraft der legendären Beatfabrik, ist einen weiten Weg gegangen. Sein neues, mittlerweile fünfzehntes Album heißt „Kompass ohne Norden“ und ist musikalisch noch einen Tick musikalischer und ruhiger ausgefallen als der Vorgänger „Rebell ohne Grund“. Heute sitzt er in einem schicken Büro in Schöneberg, in direkter Nachbarschaft zu den Neu-Millionären von Chimperator und trägt ein weißes Hemd zu einer schwarzen Hose. Angeregt plaudert der Prinz mit uns über sein neues Album, die Ziellosigkeit, seine Tochter, seine aktuellen musikalischen Vorbilder, sein Feature mit Casper, sein altes Alter Ego Prinz Porno und darüber, ob eine Beatfabrik-Reunion denkbar wäre.

rap.de: Hast du dich extra für uns schick gemacht?

Prinz Pi: Ich musste heute in den Kindergarten. (Gelächter) Also, für meine Tochter. Sie geht bald in den Kindergarten und da musste ich einen guten Eindruck hinterlassen, weil heute es ja leider ganz schön schwer ist, einen Kindergartenplatz zu bekommen.

rap.de: Auf deinem neuen Album „Kompass ohne Norden“  geht es viel um Ziel- und Orientierungslosigkeit. Letztendlich ist es ein Coming of Age-Album…

Prinz Pi: Ganz genau. Du bist übrigens der erste heute, der diesen Ausdruck einbringt, richtigerweise.

rap.de: Ich frage mich, warum es für dich gerade jetzt an der Zeit war, so ein  Album zu machen. Die Zeiten über die du rappst – du erzählst ja viel über die Schul- und Abizeit – hast du eigentlich schon weit hinter dir gelassen.

Prinz Pi: Es ist deswegen wichtig für mich, weil ich Vater geworden bin. Es gibt ja diese Schritte im Leben, bei denen man denkt, wenn diese Punkte kommen, dann beginnt das richtige Leben als Erwachsener. Und das war für mich eben erstmal, die Schule fertig zu machen. Die Eltern haben einem immer eingetrichtert, dass danach der Ernst des Lebens los geht. Danach war es das Ende des Zivildienstes und dann das Studium. Ich habe gedacht, wenn ich mit dem Studium fertig bin, werde ich anfangen richtig zu arbeiten. Das habe ich dann aber nicht gemacht und als das dann auch alles nicht geholfen hat, dachte ich, dass dieser Punkt dann wohl kommen wird, wenn ich Vater werde. Dass sich das Gefühl dann einfach einstellen muss und es mit dem Erwachsen sein losgeht. Denn wenn es dann nicht losgeht, wann soll es dann losgehen? Aber selbst das hat irgendwie nicht geholfen. Selbst da war für mich nicht dieser Punkt erreicht. Und jetzt, wo meine Tochter anfängt, richtig zu sprechen und ich mit ihr sprechen kann und merke, wie schnell sie heranwächst und wie sie die Welt betrachtet, ist das für mich die größte Inspiration, um darüber zu reflektieren und meine eigene Position im Leben festzustellen.

rap.de: Quasi durch ihre Augen die Welt noch mal neu zu sehen?

Prinz Pi: Ja. Wenn du kein Kind hast, dann kannst du machen, was du willst. Du kannst sagen, morgen wander ich nach Amerika aus und wohne dann dort. Oder du kannst anfangen, dich jeden Tag sinnlos zu besaufen und jeden Tag krasse Drogen zu nehmen. Es gibt niemanden, dem du wirklich Rechenschaft schuldig bist, wenn du erwachsen bist. Deine Eltern können dir nichts mehr erzählen, der Staat kann dir auch nur bedingt etwas erzählen. Es ist dein gutes Recht, dich kaputt zu machen, wenn du das willst. Aber gegenüber deinen Kindern musst du dich dann wirklich rechtfertigen. Sie sind der einzige Fixpunkt, den du hast. Bei mir hat es relativ lange gedauert, bis die Beziehung zu meiner Tochter in der Art gereift ist, dass ich mir wirklich vergegenwärtigt habe, wie weit mein Horizont ist. Wenn du so willst, dann schwingt mein Kompass immer noch so ein bisschen hin und her und nicht ganz Richtung Norden. Aber ich habe eben trotzdem irgendwie so etwas wie einen Anker, eine kleine Boje, die irgendwo im Meer liegt, von der ich weiß, zu der kann und muss ich immer wieder irgendwie zurückkehren. Die bleibt für immer.

rap.de: Aber so richtig Norden ist das trotzdem noch nicht auf deinem Kompass?

Prinz Pi: Nee, es ist noch kein Norden. Es ist ein Heimathafen, wenn man so will, aber es ist nicht Norden. Also, es gibt keine Richtung, wo es genau hingeht.

rap.de: Aber vielleicht gibt es diese genaue Richtung ja auch gar nicht.

Prinz Pi: Ja, gibt es ja vielleicht auch nicht. Das ist ja dann auch einer der möglichen Schlüsse, der auf dem Album erzählt wird. Es gibt diesen einen Song, der heißt „Säulen der Gesellschaft“ , darauf zähle ich unterschiedliche Leute auf, die alle ganz genau wissen, wer sie sind und wofür sie stehen. Wer ihre Feinde sind, wer ihre Freunde sind. Es gibt den Nazi, es gibt den linken Aktivisten, es gibt den Typen bei der Bank, den Erzkapitalisten, den Polizisten und solche Leute. Aber ich selber, ich weiß eben nicht, wo ich genau hin will. Das ist für mich auch gar nicht so ein krasses Problem. Natürlich ist es etwas, über das ich manchmal nachdenke, aber ich lote ja auch auf dem Album so ein bisschen aus, wo ich stehe und wo die anderen stehen. Und das machen die Menschen ja permanent, gerade in so einer Gesellschaft wie in Deutschland, da schaust du ja nicht auf das, was du hast, sondern auf das, was du noch nicht hast. Das ist einer der großen Punkte auf dem Album.